1. Definition des Lagervertrags
a) Gesetz
Rz. 77
Nach § 467 HGB wird der Lagerhalter durch den Lagervertrag verpflichtet, Gut zu lagern und aufzubewahren. Beim Lagergeschäft nach den §§ 467 ff. HGB handelt es sich um ein spezialgesetzlich geregeltes unternehmerisches Verwahrungsgeschäft. Soweit die §§ 467 ff. HGB keine Regelung enthalten und sich aus dem Wesen des handelsrechtlichen Lagergeschäfts nicht ein anderes ergibt, sind die Bestimmungen über den Verwahrungsvertrag nach den §§ 688–700 BGB anzuwenden. Soweit bei vom Lagerhalter erbrachten Nebenleistungen geschäftsbesorgerische Elemente zum Tragen kommen, sind die §§ 675, 662 ff. BGB anwendbar, soweit das Lagerrecht keine Regelung enthält. Übernimmt der Lagerhalter weitere Pflichten, wie z.B. die Auslieferung des Gutes bzw. die Besorgung, gelten hierfür die Regelungen des Speditions- oder Frachtrechts.
b) Lagerbedingungen
Rz. 78
In der Praxis werden die Bestimmungen des HGB durch Allgemeine Geschäftsbedingungen verdrängt. Auf die Lagerung durch einen Spediteur finden die ADSp Anwendung, die auch für das Lagergeschäft (Nr. 1.14 ADSp 2017) gelten und die in den Nrn. 15 und 24 ADSp 2017 besondere Regelungen für die Lagerung von Gütern enthalten. Daneben können für spezielle Lagertätigkeiten bestimmte Allgemeine Geschäftsbedingungen Anwendung finden. Zu nennen sind hier zum einen bei der Lagerung von Möbeln die Allgemeinen Lagerbedingungen des Deutschen Möbeltransports (ALB) und zum anderen für die Lagerung von Kühlgut die Allgemeinen Bedingungen für Kühlhäuser (ABK).
c) Lagerung von Zollgut
Rz. 79
Als eine besondere Form der Lagerung ist die Lagerung von Zollgut anzusehen. Die Rechtsgrundlagen der Zollgutlagerung finden sich in den Art. 98 ff. Zollkodex, Art. 268–274, 524–535 Zollkodex-DVO. Sinn und Zweck des Zolllagers besteht in der Lagerung eingeführter Waren ohne Zollbelastung. Die Zollschuld wird erst fällig, sobald die Waren im Anschluss an das Lagerverfahren zum zollrechtlich freien Verkehr angemeldet werden. Soweit gelagerte Güter unter zollamtlicher Überwachung wieder ausgeführt werden, entsteht keine Zollschuld.
2. Abschluss des Lagervertrags
Rz. 80
Der Lagervertrag ist ein Konsensualvertrag, für dessen Wirksamkeit es auf die Übergabe des Gutes nicht ankommt. Der Abschluss des Lagervertrags ist formfrei und kann durch konkludentes Handeln erfolgen, z.B. Einlagerung des Gutes, Eintragung ins Lagerbuch, Erteilung eines Lagerempfangscheins oder Lagerscheins. Für den Abschluss des Lagervertrags reicht es aus, dass der Lagerhalter die Güter von einem Dritten (Spediteur/Frachtführer) in Besitz nehmen lässt oder sie selbst in Besitz nimmt, vorausgesetzt, dass der Lagerhalter und der Einlagerer sich über den Abschluss eines Lagervertrags einig sind. Für den Lagerhalter gilt § 362 HGB; die Zusendung der Güter gilt als Antrag auf Abschluss eines Lagervertrags. Auch bei Ablehnung des Antrags besteht eine besondere Verantwortung des Lagerhalters für das in seiner Obhut befindliche Gut, § 362 Abs. 2 HGB.
Der Anwalt wird in der Regel einen Rahmenvertrag zu entwerfen haben.
3. Pflichten des Lagerhalters
a) Lagern und Aufbewahren
Rz. 81
Lagern bedeutet, dass der Lagerhalter den Lagerplatz zur Verfügung zu stellen hat. Dies können Lagerräume, Lagerhallen und Freiflächen sein. Welche Lagerfläche der Lagerhalter bereitzustellen hat, bestimmt sich nach der getroffenen Vereinbarung, wobei der Lagerhalter anhand der ihm mitgeteilten Information über Art und Beschaffenheit des Gutes den Einlagerer aufgrund seiner Sach- und Fachkunde über die Geeignetheit des Lagerplatzes aufzuklären hat. Haben die Parteien nichts vereinbart, ist es Aufgabe des Lagerhalters, die sachgerechte Art der Lagerung zu bestimmen. Bei Zweifeln hat er Weisungen des Einlagerers einzuholen oder sich auf sonstige Weise die notwendigen Informationen zu beschaffen. Diese Verpflichtung darf nicht außer Acht gelassen werden, da heute immer häufiger auch gesetzliche oder sonstige Anforderungen bestehen. Werden z.B. Lebensmittel eingelagert, wird der Anwalt insoweit daran zu denken haben, dass auch lebensmittelrechtliche Anforderungen zu beachten sind und Art und Beschaffenheit der Güter temperaturgeführte Läger voraussetzen können.
Aufbewahren bedeutet, dass der Lagerhalter die eingelagerten Güter in seine Obhut nimmt. Diese Fürsorge- und Obhutspflicht stellt den Schwerpunkt des Lagervertrags dar. Die den Lagerhalter treffenden Obhutspflichten sind auf das Gut und nicht auf die Lagerräumlichkeiten bezogen. Danach hat der Lagerhalter das Gut vor Gefahren zu schützen, die das Gut von außen während der Lagerung bedrohen (z.B. Diebstahl, Brandgefahr), ohne ausdrückliche Vereinbarung nicht jedoch vor Gefahren, die in der Beschaffenheit des Gutes selbst liegen, z.B. Verderblichkeit.
Der Lagerhalter hat dafür einzustehen, dass er die Kenntnisse und Erfahrungen eines ordentlichen Lagerhalters besitzt und das Geschäft mit der Sorgfalt ausführ...