A. Überblick
Rz. 1
Bei der Abrechnung der im Kündigungsschutzprozess entstehenden Rechtsanwaltsgebühren werden von der Rechtsschutzversicherung – soweit neben dem Kündigungsschutzantrag weitere Anträge gestellt werden – i.d.R. Einwände hinsichtlich ihrer Einstandspflicht erhoben bzw. die Kostennoten werden nicht und/oder nicht in der geltend gemachten Höhe ausgeglichen. Dabei geht es insbesondere um die Frage, ob bzgl. der neben dem Kündigungsschutzantrag geltend gemachten Ansprüche ein Rechtsschutzfall vorliegt und die Rechtsschutzversicherung daher verpflichtet ist, die Gebühren nach dem entsprechend höheren Gegenstandswert abzurechnen. Unterschiedliche Ansichten bestehen häufig auch hinsichtlich der Frage, ob eine etwaige außergerichtliche Tätigkeit vor Erhebung der Kündigungsschutzklage erforderlich war und in welcher Höhe die außergerichtliche Geschäftsgebühr (Nr. 2300 RVG-VV) abzurechnen ist. Die nachfolgenden Musterschreiben bieten eine praktische Anleitung für die Korrespondenz mit der Rechtsschutzversicherung in Kündigungsschutzfällen.
B. Geschäftsgebühr
Rz. 2
Regelmäßiger Ansatzpunkt der Rechtsschutzversicherungen bei der Zurückweisung der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV ist der Verweis auf die Schadensminderungspflicht des Versicherungsnehmers nach § 17 Abs. 5 Nr. c) cc) ARB 2010 und die Vorschrift des § 19 Abs. 1 Nr. 2 RVG. Die außergerichtlichen Verhandlungen seien mit der Verfahrensgebühr abgegolten, da der Mandant seinen Rechtsanwalt wegen der kurzen Klagefrist nach § 4 KSchG zur Vermeidung der Wirksamkeitsfiktion des § 7 KSchG unverzüglich mit der gerichtlichen Geltendmachung hätte beauftragen können und müssen (vgl. unten Rdn 18).
Rz. 3
Auf Grund der bereits erläuterten regelmäßigen Situation nach Zugang einer Kündigung (vgl. § 3 Rdn 1 ff.) entspricht es i.d.R. dem Willen des Mandanten – soweit die zeitlichen Rahmenbedingungen es hinsichtlich der Klagefrist des § 4 KSchG erlauben – sich vor Erhebung der Kündigungsschutzklage außergerichtlich an den Arbeitgeber zu wenden. Dies gilt insb. für Führungskräfte und leitende Angestellte. Das gilt natürlich aber erst recht für den Fall, dass der Mandant im Vorfeld des Ausspruchs einer Kündigung sich an den Rechtsanwalt wendet, weil er auf eine Beendigung angesprochen wird, weil er aus bestimmten Besprechungsrunden und/oder Mailverteilern bzw. IT-Systemen entfernt, ihm bestimmte Tätigkeiten entzogen werden oder er (vorrübergehend) freigestellt wird. Die Interessen des Mandanten würden erheblich beeinträchtigt, wenn die sofortige Beauftragung zur gerichtlichen Geltendmachung gefordert würde. Die Interessen des Mandanten an einer zunächst nur außergerichtlichen Geltendmachung sind daher in den Vordergrund zu stellen, während der Rechtsschutzversicherung die Notwendigkeit eines zunächst ausschließlich außergerichtlichen Auftrages dargestellt werden muss.
Rz. 4
Hierzu bieten sich zunächst die Vorlage der auf die außergerichtliche Vertretung beschränkten Vertretungsmacht, die Vorlage der beschränkten schriftlichen Beauftragung im Rahmen des Mandatsvertrages, die Vorlage der außergerichtlichen Korrespondenz mit der Gegenseite sowie die genaue Schilderung der außergerichtlichen Aktivitäten an (z.B. Telefonat mit Personalleiter/in und Betriebsratsvorsitzenden, Telefonat und/oder Besprechung mit dem Mandanten, Korrespondenz per E-Mail etc.).
I. Außergerichtliche/gerichtliche Vollmacht
Rz. 5
Um zu verdeutlichen, dass es dem Mandanten zunächst ausschließlich um die außergerichtliche Interessenwahrnehmung geht, empfiehlt sich die getrennte, zeitlich nacheinander folgende Unterzeichnung einer außergerichtlichen und einer gerichtlichen Vollmacht. Die außergerichtliche Vollmacht sollte, sofern möglich, noch vor Ausspruch der Kündigung oder unmittelbar nach Zugang der Kündigung unterzeichnet werden. Es sollten in die Vollmacht alle streitigen Punkte aufgenommen werden. Dazu ist ein ausführliches Erstberatungsgespräch notwendig, dass alle relevanten Interessen des Mandanten berücksichtigt.
1. Vollmacht für die außergerichtliche Interessenwahrnehmung
Rz. 6
Muster in Ihr Textverarbeitungsprogramm übernehmen
Muster 43.1: Vollmacht für die außergerichtliche Interessenwahrnehmung eines/einer Arbeitnehmers/in
Vollmacht für die außergerichtliche Interessenwahrnehmung
In der Angelegenheit
_________________________./._________________________
wg. Kündigung (und/oder: Entzug von Tätigkeiten, Freistellung, Bonus, Aktienoptionen, Pkw, Entzug von Berechtigungen z.B. eines IT-Systems, Zwischenzeugnis, etc.)
wird hiermit
den Rechtsanwälten _________________________
von _________________________ (Name) Vollmacht zur außergerichtlichen Vertretung der Interessen im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis bei der _________________________ erteilt. Die Rechtsanwälte werden insbesondere bevollmächtigt, eine umfassende außergerichtliche Einigung zu versuchen und außergerichtlich alle Ansprüche aus und im Zusammenhang mit dem gekündigten Arbeitsverhältnis geltend zu machen. In diesem Zusammenhang sind sie berechtigt, rechtsgeschäftliche Erklärungen abzugeben, insbesondere Aufhebungs- oder Abwicklungsverträge nach Freigabe durch den...