Rz. 5
Nach Nr. 4141 VV RVG entsteht in folgenden vier Fällen eine zusätzliche Gebühr in Höhe der jeweiligen Mittelgebühr:
I. Strafverfahren wird nicht nur vorläufig eingestellt, Gebühr nach Nr. 4141 Anm. 1 Satz 1 Nr. 1 VV RVG
Rz. 6
Die Gebühr entsteht, wenn das Strafverfahren aufgrund der Mitwirkung des Anwalts nicht nur vorläufig eingestellt wird, und zwar unabhängig davon, in welchem Verfahrensstadium die Einstellung erfolgt, solange eine (weitere) Hauptverhandlung aufgrund der Einstellung entbehrlich wird. Die Gebühr fällt daher nicht an, wenn die Einstellung erst im Hauptverhandlungstermin erfolgt.
Die Gebühr kann auch mehrfach anfallen:
Rz. 7
Muster 43.1: Erledigungsgebühr mehrfach/nach Hauptverhandlung
Muster 43.1: Erledigungsgebühr mehrfach/nach Hauptverhandlung
Ein mehrfacher Anfall der zusätzlichen Gebühr gemäß Nr. 4141/5115 VV RVG ist möglich. Wird das Verfahren außergerichtlich nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, sodann wieder aufgenommen und im gerichtlichen Verfahren nach § 153 StPO eingestellt, fällt die Erledigungsgebühr zweifach an (LG Offenburg JurBüro 1999, 82; AG Osnabrück AGS 2009, 113; AG Düsseldorf RVG-Report 2010, 301; AG Berlin-Tiergarten, Beschl. v. 26.2.2014 – (257 Ds) 261 Js 2796/12 (54/13)). Die Gebühr entfällt nicht deshalb, weil die Staatsanwaltschaft das Verfahren nach dessen Einstellung wieder aufnimmt.
Die zusätzliche Gebühr gemäß Nr. 4141/5115 VV RVG fällt auch dann an, wenn bereits ein Hauptverhandlungstermin stattgefunden hat und das Verfahren erst nach Durchführung dieses Termins eingestellt wird (BGH, Urt. v. 14.4.2011 – IX ZR 153/10).
Rz. 8
Problematisch ist die Durchsetzung der Einstellungsgebühr, wenn geschwiegen und deshalb eingestellt wird. Vorsorglich sollte daher immer bereits im Bestellungsschriftsatz gleichzeitig die Einstellung beantragt werden.
Rz. 9
Muster 43.2: Einstellungsgebühr durch Schweigen
Muster 43.2: Einstellungsgebühr durch Schweigen
Der BGH hat mit Urt. v. 20.1.2011 – IX ZR 123/10 – entschieden, dass der Rat des Verteidigers, in der Sache keine Aussage zu machen, die Voraussetzungen für die Annahme einer Mitwirkung i.S.d. Nr. 4141, 5115 VV RVG erfüllt. Die Auffassung wird von der ganz herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur geteilt (AG Charlottenburg AGS 2007 309,310; AG Düsseldorf, Urt. v. 10.10.2017 – 22 C 102/17; Burhoff, in Gerold/Schmidt, RVG, 23. Aufl., Nr. 5115 Rn 6; Schneider, in: AnwK-RVG, 5. Aufl., Nr. 5115 Rn 32; Bischof/Uher, RVG, 3. Aufl., Nr. 5115–5116 Rn 30b; Mayer/Kroiß, RVG, 5. Aufl., Nr. 5100–5200 Rn 18; Hartmann, Kostengesetze, 49. Aufl., Nr. 5115 Rn 1; Hartung, in Hartung/Schons/Enders, RVG, Nr. 5115 Rn 9).
Dieser Rat wurde erteilt, ansonsten wäre eine Einlassung erfolgt. Aus der bloßen Bitte um Akteneinsicht ergibt sich, dass der Betroffene keine Einlassung ohne anwaltliche Mitwirkung abgeben wird. Sodann hat die Staatsanwaltschaft/ Bußgeldbehörde abzuwägen, ob der Tatvorwurf bewiesen werden kann.
Entsprechendes gilt für den Rat des Rechtsanwalts nach Erlass eines Bußgeldbescheides, eine Verwarnung oder Ähnliches zu akzeptieren (Burhoff, RVG Report 2014, 7).
II. Hauptverfahren wird nicht eröffnet, Gebühr nach Nr. 4141 Anm. 1 Satz 1 Nr. 2 VV RVG
Rz. 10
Die Gebühr fällt an, wenn das Gericht beschließt, das Verfahren insgesamt nicht zu eröffnen, § 204 StPO.
III. Rücknahme des Einspruchs gegen den Strafbefehl, der Berufung oder der Revision
Rz. 11
Die Voraussetzung für das Entstehen der Gebühr ist die vollständige Verfahrenserledigung, eine teilweise Rücknahme (z.B. nur wegen des Rechtsfolgenausspruchs oder beschränkt auf einzelne Taten) genügt daher für den Anfall der Gebühr nicht. Der Verteidiger muss an der Rücknahme lediglich mitgewirkt haben, indem er beispielsweise den Rat zur Rücknahme erteilt. Er muss sie also nicht selbst erklären, um die Gebühr geltend machen zu können.
Ist bereits ein Hauptverhandlungstermin anberaumt, muss die Rücknahme zwei Wochen vor Beginn des Tages, der für die Hauptverhandlung vorgesehen war, erfolgen, ansonsten kann die Gebühr nicht verlangt werden.
Rz. 12
Auch nach einem bereits stattgefundenen Termin kann die Zusatzgebühr verlangt werden, wenn die Rücknahme zwei Wochen vor dem nächsten Termin erklärt wird, denn die Gebühr entsteht, wenn aufgrund der Rücknahme ein (weiterer) Termin entbehrlich wird.
Rz. 13
Vom Gesetz nicht geregelt ist die Frage, ob die Zusatzgebühr auch dann entsteht, wenn sich Verteidiger, Gericht und Staatsanwaltschaft über den Inhalt und Erlass eines Strafbefehls verständigen, der vom Mandanten akzeptiert wird, und wenn deshalb kein Einspruch eingelegt wird. Richtigerweise wird man auch in diesem Fall den Anfall der Zusatzgebühr bejahen.
Rz. 14
Muster 43.3: Zusatzgebühr bei Absprache über Strafmaß
Muster 43.3: Zusatzgebühr bei Absprache über Strafmaß
Vom Wortlaut ist der Anfall der Zusatzgebühr nicht erfasst, weil das Verfahren weder vorläufig eingestellt wird noch das Gericht beschlossen hat, das Hauptverfahren nicht zu eröffnen. Es wird auch kein Rechtsmittel zurückgenommen.
Dennoch entspricht es dem Sinn der Vorschrift, den Anfall der Zusatzgebühr in analoger Anwendung der Norm zu bejahen (Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG Kommentar, 23. Aufl., VV Nr. 4141 Rn 33).
Die gewählte Vorgehensweise diente der Vermeidung einer Hauptverhandlung, welche für den...