Joachim Vetter, Dr. iur. Martin Nebeling
Rz. 159
Leitende Angestellte i.S.d. BetrVG gelten – soweit das BetrVG den Begriff Arbeitnehmer verwendet – nicht als Arbeitnehmer. Der Betriebsrat ist für sie nicht zuständig. Sie können nach dem SprAuG eine eigene Vertretung auf Betriebs- oder Unternehmensebene wählen, den Sprecherausschuss.
a) Gesetzliche Definition
Rz. 160
Wer als leitender Angestellter anzusehen ist, ergibt sich aus § 5 Abs. 3 und 4 BetrVG. Abs. 3 nennt drei Gruppen.
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Arbeitnehmer, die zur selbstständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt sind; |
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Arbeitnehmer mit Generalvollmacht oder Prokura, wobei die Prokura auch im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutend ist; |
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Arbeitnehmer, die regelmäßig sonstige Aufgaben wahrnehmen, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebes von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzt, wenn diese Arbeitnehmer dabei entweder die Entscheidungen im Wesentlichen frei von Weisungen treffen oder sie maßgeblich beeinflussen; dies kann auch bei Vorgaben insb. aufgrund von Rechtsvorschriften, Plänen oder Richtlinien sowie bei Zusammenarbeit mit anderen leitenden Angestellten gegeben sein. |
Rz. 161
Einen gesetzgeberischen Missgriff stellt die Regelung des § 5 Abs. 4 BetrVG dar. Hiernach soll leitender Angestellter i.S.d. § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG "im Zweifel" sein,
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wer bei der letzten Wahl den leitenden Angestellten zu- oder nicht zugeordnet worden ist, |
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wer einer Leitungsebene angehört, auf der im Unternehmen überwiegend leitende Angestellte vertreten sind, |
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wer ein für leitende Angestellte im Unternehmen übliches Jahresgehalt erhält oder |
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wer – wenn auch dann noch Zweifel bleiben – ein regelmäßiges Jahresgehalt erhält, das das Dreifache der Bezugsgröße nach § 18 SGB IV (Durchschnittsentgelt der gesetzlichen Rentenversicherung im vergangenen Kalenderjahr) überschreitet. |
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Die Qualifizierung ist nach § 5 Abs. 3 BetrVG nach rechtlichen Gesichtspunkten zu treffen. "Zweifelsregelungen" kann es aber eigentlich nur bei der Auslegung von Erklärungen geben. Die Regelung dürfte allenfalls dann angewendet werden, wenn die Qualifizierung nach Abs. 3 S. 2 Nr. 3 BetrVG "auf der Kippe" steht. Zu Recht hat § 5 Abs. 4 BetrVG in der Rechtspraxis keinerlei Bedeutung erlangt (LAG Berlin-Brandenburg v. 27.8.2014 – 10 Sa 467/14, juris). |
b) Rechtliche Befugnis und tatsächliche Durchführung
Rz. 162
Zu beachten ist, dass § 5 Abs. 3 BetrVG verlangt, dass die Kriterien "nach Arbeitsvertrag und Stellung im Betrieb oder Unternehmen" erfüllt sind. Nötig ist also die Befugnis im Außen- wie auch im Innenverhältnis zum Arbeitgeber. Wenn eine arbeitsvertraglich eingeräumte Befugnis nur "auf dem Papier" steht und nicht tatsächlich ausgeübt wird, liegt die Eigenschaft als leitender Angestellter i.S.d. BetrVG nicht vor. Bei unternehmensübergreifenden Matrixstrukturen soll allein die organisatorische Maßnahme der Bestellung eines Mitarbeiters zum Vorgesetzten zur Eingliederung dieses Vorgesetzten in den Betrieb führen können (sehr weitgehend LAG Düsseldorf v. 10.2.2016 – 7 TaBV 63/15, juris), wobei die Eigenschaft eines solchen Vorgesetzten als leitender Angestellter unternehmens- und nicht konzernweit ermittelt werden muss (zum Ganzen Fitting, § 5 Rn 226a ff.).
Rz. 163
Beispiel (LAG v. Rh.-Pf. 25.9.2006 – 7 TaBV 3/06, juris)
Hintergrund der Regelung nach § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 BetrVG ist die gesetzgeberische Überlegung, dass der Arbeitnehmer mit selbstständigen Einstellungen und Entlassungen die Funktion des Arbeitgebers ausübt und somit in einem natürlichen Interessengegensatz zu den beschäftigten Arbeitnehmern steht. Kurz vor Anhängigwerden des vorliegenden Beschlussverfahrens wurde Herrn X. eine Vollmacht "zur Neueinstellung und Versetzung der Filialmitarbeiter/innen, Erteilung von Abmahnungen sowie zur Änderung und Kündigung von Arbeitsverträgen der Filialmitarbeiter/innen mit Wirkung zum 11.8.2004 …" erteilt. Die Vollmacht erfolgte allerdings widerruflich. Zwar schadet der Umstand, dass diese Befugnisse nicht schon im Arbeitsvertrag aufgeführt wurden, nicht. Die Bevollmächtigung alleine reicht jedoch zur Qualifizierung als leitender Angestellter nicht aus. Ein Arbeitnehmer kann nur dann leitender Angestellter sein, wenn er auch tatsächlich – im Innenverhältnis – die Aufgaben und Befugnisse ausübt, die seinen Status begründen. Die tatsächlichen Verhältnisse müssen mit den arbeitsvertraglichen Grundlagen übereinstimmen. Gelegentliche oder vertretungsweise Wahrnehmung der Aufgaben genügt insoweit nicht, weil sie nicht die "Stellung" im Unternehmen kennzeichnen. Die Einstellungs- und Entlassungsbefugnis muss im Innen- wie auch im Außenverhältnis bestehen. Die Arbeitgeberin hat insoweit trotz des substantiierten Tatsachenvortrages des Betriebsrates keine geeigneten Unterlagen, insb. Einstellungs- oder Auflösungsverträge oder Kündigungsschreiben vorgelegt, die die Unterschrift des Herrn X. tragen. Sie hat auch nicht vorgetragen, welche Einstellungen bzw. Entlassungen er bisher vor...