Joachim Vetter, Dr. iur. Martin Nebeling
Rz. 98
Nach § 16 Abs. 1 BetrVG hat ein bestehender Betriebsrat spätestens 10 Wochen vor Ablauf seiner Amtszeit den Wahlvorstand zu bestellen. Hat er dies versäumt, sodass 8 Wochen vor Ablauf der Amtszeit kein Wahlvorstand bestellt ist, bestellt ihn das ArbG auf Antrag von drei wahlberechtigten Arbeitnehmern oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft (§ 16 Abs. 2 BetrVG) oder aber der Gesamtbetriebsrat oder – falls ein Gesamtbetriebsrat nicht besteht – der Konzernbetriebsrat (§ 16 Abs. 3 BetrVG). Vor Rechtskraft der Entscheidung des ArbG können Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat oder Konzernbetriebsrat die Einsetzung nachholen bzw. noch vornehmen. Hierzu verpflichtet sind sie aber, sobald das Verfahren auf Bestellung eingeleitet ist, aber nicht, selbst wenn das ursprüngliche Hindernis – etwa fehlende Räume für die Betriebsversammlung wegen der Kontaktbeschränkungen während der Pandemie – inzwischen weggefallen ist (a.A. LAG Nürnberg v. 11.3.2022 – 8 TaBV 25/21, juris). Zur Bestellung berechtigt und verpflichtet ist der Betriebsrat auch, wenn und solange er nach einem Rücktritt gem. § 22 BetrVG die Geschäfte weiterführt. Dasselbe gilt für den Betriebsrat, der nach § 21a BetrVG ein Übergangsmandat ausübt. Besteht kein Betriebsrat, ist für die Bestellung nicht das Arbeitsgericht, sondern eine Betriebsversammlung zuständig (§ 17 Abs. 4 BetrVG). Für die Abgrenzung, ob das Arbeitsgericht oder die Betriebsversammlung zuständig sind, ist der Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblich. War hier die Amtszeit bereits abgelaufen, ist das Arbeitsgericht für die Bestellung nicht mehr zuständig (BAG v. 23.11.2016 – 7 ABR 13/15, juris).
Rz. 99
Legen sämtliche vom Betriebsrat oder – bei Fehlen eines Betriebsrats – in einer Betriebsversammlung gewählten Wahlvorstandsmitglieder einschließlich der Ersatzmitglieder ihr Amt nieder, ist nicht das ArbG, sondern der noch im Amt befindliche Betriebsrat bzw. eine erneute Betriebsversammlung zur Bestellung des Wahlvorstandes aufgerufen (LAG Rheinland-Pfalz v. 18.1.2019 – 1 TaBV 11/18, juris). Für den Wahlvorstand im vereinfachten Wahlverfahren nach § 14a BetrVG gilt die Sonderregelung des § 17a BetrVG.
aa) Beschluss des Betriebsrats
Rz. 100
Die Bestellung erfolgt durch Beschluss des Betriebsrates. Das Gesetz sieht hierfür keine Vorgaben vor. Der Betriebsrat kann – auf einer ordnungsgemäß mit Tagesordnung einberufenen Sitzung bei gegebener Beschlussfähigkeit – selbst entscheiden, ob er die Bestellung in Einzelabstimmung oder en bloc in Sammelabstimmung vornehmen will. Geheime Abstimmung ist nicht vorgeschrieben. Vorschläge müssen aus der Mitte des Betriebsrates kommen. Wahlvorstandsmitglieder müssen wahlberechtigte Arbeitnehmer der Einheit sein, für die die Wahlen durchgeführt werden soll (LAG Berlin-Brandenburg v. 19.10.2022 – 23 TaBVGa 1094/22, juris, geht sogar von Nichtigkeit aus, wenn zwei der drei auftretenden Wahlvorstandsmitglieder nicht Arbeitnehmer des Arbeitgebers sind). Dem Wahlvorstand sollen – dabei handelt es sich um einen bloßen Appell ohne rechtliche Folgen bei Nichtbeachtung – Frauen und Männer angehören (§ 16 Abs. 1 S. 5 BetrVG). Ihm können auch bisherige Betriebsratsmitglieder und/oder Wahlbewerber angehören.
Rz. 101
Wichtig ist, dass sowohl bei Einzel- als auch bei Sammelabstimmung ein Wahlvorstandsmitglied nur dann "bestellt" ist, wenn auf dieses Mitglied nach § 33 Abs. 1 BetrVG "die Mehrheit der Stimmen der anwesenden Betriebsratsmitglieder" entfällt. Auch dann, wenn der Wahlvorstand auf einer Betriebsversammlung gewählt wird, muss jedes Wahlvorstandsmitglied die erforderliche Mehrheit der Stimmen der anwesenden wahlberechtigten Arbeitnehmer erhalten haben (LAG München v. 16.6.2008 – 11 TaBV 50/08, juris, das die dennoch durchgeführte Wahl – zu weitgehend: nur anfechtbar – als ohne Wahlvorstand und damit als nichtig angesehen hat; ähnlich wie hier BAG v. 15.10.2014 – 7 ABR 53/12, juris).
Rz. 102
Beispiel
Wird in Einzelabstimmung bestellt und ergibt die Abstimmung bei zehn anwesenden Betriebsratsmitgliedern 5:4 bei einer Enthaltung, dann ist kein Wahlvorstandsmitglied bestellt, weil die erforderliche Mehrheit verfehlt ist. Aus denselben Gründen scheidet ein Losentscheid bei Stimmengleichheit aus. Der Betriebsrat muss dann nochmals abstimmen, ggf. mit anderen Kandidaten oder auf einer anderen Sitzung. Ändert sich das Ergebnis nicht, bleibt nur die Ersatzbestellung durch Gesamtbetriebsrat/Konzernbetriebsrat oder ArbG. Ähnlich bei Sammelabstimmung: Jedes Betriebsratsmitglied hat dann so viele Stimmen, wie Wahlvorstandsmitglieder zu wählen sind. Dies gilt auch, wenn nur so viele Bewerber für den Wahlvorstand antreten, wie es der Wahlvorstandsgröße entspricht (bei einer Abstimmung über die Liste, bei der jedes Betriebsratsmitglied nur eine Stimme hat, lässt sich nicht erkennen, ob ein Bewerber etwa nur "mitgewählt" wird, obwohl man ihn eigentlich nicht will). Gab es allerdings nur so viele Kandidaten wie Wahlvorstandsmitglieder, wird man die Zustimmung zu dieser Kandidatenliste im Wege des Handaufhebens als...