Joachim Vetter, Dr. iur. Martin Nebeling
Rz. 670
Anwaltskosten, die dem Betriebsrat oder dem einzelnen Betriebsratsmitglied zur Durchsetzung seiner Vergütungs- oder Kostenerstattungsansprüche gem. §§ 37, 40 BetrVG entstehen, sind grds. als erforderliche Betriebsratskosten vom Arbeitgeber zu tragen (§ 40 BetrVG); sie sind aber nicht einschränkungslos erstattungsfähig. Die Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten hängt zunächst davon ab, ob die Ansprüche im Urteils- oder im Beschlussverfahren geltend gemacht werden müssen; nach § 40 Abs. 1 BetrVG kommen nur Erstattungspflichten für dem Betriebsrat entstehende Kosten in Betracht, nicht für Individualansprüche – unabhängig davon, ob diese Individualansprüche von Betriebsratsmitgliedern oder Anwälten geltend gemacht werden.
Rz. 671
Eine Erstattungspflicht nach § 40 BetrVG ist auf die Einschaltung von Anwälten zur Durchsetzung von Rechtsansprüchen beschränkt. Entscheidend ist, dass der Betriebsrat – das Betriebsratsgremium – die Heranziehung des Anwalts zur Durchsetzung oder Ausübung eines von ihm in Anspruch genommenen Mitbestimmungsrechts für erforderlich halten durfte. Hierzu bedarf es eines ordnungsgemäßen Betriebsratsbeschlusses. Ein solcher Beschluss ist auch erforderlich, bevor der Anwalt namens des Betriebsrats ein Rechtsmittel gegen eine arbeitsgerichtliche Entscheidung einlegt. Fehlt ein solcher Beschluss, kann das Rechtsmittel bei entsprechender Verfahrensvollmacht des beauftragten Anwalts trotzdem wirksam eingelegt sein; eine Pflicht des Arbeitgebers zur Tragung der Anwaltskosten für das Rechtsmittel wird ohne entsprechenden Beschluss jedoch nicht ausgelöst (BAG v. 18.3.2015 – 7 ABR 4/13, juris).
Rz. 672
Zu prüfen ist immer, ob der Betriebsrat die Kostenverursachung für erforderlich halten durfte. Dies ist nicht der Fall, wenn der Betriebsrat bei der beabsichtigten Rechtsverfolgung unzweifelhaft ein Unterliegen zu erwarten hat. Die Motivlage, eine betriebsratslose Zeit zu verhindern, macht die Einladung einer Nichtzulassungsbeschwerde in einem aussichtslosen Wahlanfechtungsverfahren nicht erforderlich (BAG 22.11.2017 – 7 ABR 34/16, juris).
Rz. 673
Ob es sich um erforderliche Betriebsratskosten handelt, ist auch zu prüfen, wenn der Betriebsrat einen Anwalt im Vorfeld eines Beschluss- oder Einigungsstellenverfahrens einschaltet, um seine betriebsverfassungsrechtlichen Rechte durchzusetzen oder wahrzunehmen. Entsprechendes gilt, wenn der Betriebsrat den Rechtsanwalt beauftragt, Verhandlungen über einen Interessenausgleich oder eine Betriebsvereinbarung mit dem Arbeitgeber zu führen (BAG v. 14.12.2016 – 7 ABR 8/15, juris mit der in dieser globalen Form zu weitgehenden und für Missbrauch anfälligen Aussage, hierbei gehe es um die Ausübung der betriebsverfassungsrechtlichen Rechte im Vorfeld eines Einigungsstellenverfahrens mit dem Ziel, die Durchführung eines Einigungsstellenverfahrens entbehrlich zu machen; im Fall des BAG lag die Erforderlichkeit ausnahmsweise deswegen nahe, weil der Arbeitgeber seinerseits den Betriebsrat für die Verhandlungen auf einen von ihm benannten Rechtsanwalt verwiesen hatte).
Rz. 674
Kosten der Rechtsberatung sind nur zu erstatten – mit Ausnahme der Einschaltung als Sachverständiger nach § 111 S. 2 BetrVG bei Betriebsänderungen, bei der allerdings ebenfalls die Erforderlichkeit geprüft werden muss (BAG v. 18.11.2020 – ABR 37/19, juris) –, wenn der Betriebsrat den Anwalt als Sachverständigen im Rahmen des § 80 Abs. 3 BetrVG benötigt hat. Hierfür ist aber eine vorherige Abmachung mit dem Arbeitgeber – auf die ggf. vorher geklagt werden muss – erforderlich (vgl. Rdn 718 ff.). Wenn aber ein konkreter Streit über das Bestehen oder den Umfang von Mitbestimmungsrechten besteht, wenn der Betriebsrat Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber außergerichtlich geltend macht oder erwägt, dies zu tun, ist der Weg über § 40 BetrVG vorrangig; der beauftragte Rechtsanwalt hat dann im Rahmen seines Mandats das Bestehen und den Umfang des infrage kommenden Mitbestimmungsrechts zu prüfen. Damit kann ggf. ein Beschlussverfahren entbehrlich gemacht und die streitige Frage ohne überflüssigen Zeitaufwand, effizient und in der Regel auch kostensparender geklärt werden (BAG v. 25.6.2014 – 7 ABR 70/12, juris). Bei der Beurteilung, ob der Rechtsanwalt als Sachverständiger gehandelt hat, kommt es nicht auf seine Ansicht oder die Ansicht des Betriebsrats an; vielmehr ist dies nach objektiven Gesichtspunkten zu bewerten (LAG Nürnberg v. 13.6.2017 – 7 TaBV 80/16, juris).
Rz. 675
Hat der Arbeitgeber die Fortzahlung des Arbeitsentgeltes für die Teilnahme an einer erforderlichen Schulungsveranstaltung verweigert, muss das Betriebsratsmitglied den Anspruch nach § 37 Abs. 2 BetrVG im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren einklagen. Bedient es sich dabei eines Rechtsanwaltes, hat der Kläger gem. § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens für die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten im Urteilsverfahren vor dem ArbG auch dann zu tragen, wenn er den Prozess gewinnt. § 12a Abs. 1 ArbGG hat nic...