Joachim Vetter, Dr. iur. Martin Nebeling
Rz. 1582
Das Verfahren vor der Einigungsstelle findet gesetzliche Regelung nur im Hinblick auf einige wenige zwingende Verfahrensvorschriften. Sonstige Bestimmungen können im Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung festgelegt oder von der Einigungsstelle selbst nach billigem Ermessen getroffen werden.
Rz. 1583
Gesetzlich vorgeschrieben ist die Beschlussfassung nach mündlicher Beratung (§ 76 Abs. 3 S. 1 BetrVG). Geregelt ist außerdem in § 76 Abs. 3 S. 2 BetrVG, dass sich der Vorsitzende bei der ersten Abstimmung der Stimme zu enthalten hat und erst dann an der Abstimmung teilnehmen darf, wenn hierbei keine Stimmenmehrheit zustande kommt. Die Beschlüsse sind schriftlich niederzulegen und vom Vorsitzenden zu unterschreiben und außerdem Arbeitgeber und Betriebsrat zuzuleiten (§ 76 Abs. 3 S. 3 BetrVG). Fehlt es an der vollständigen Zuleitung der in mehreren Schriftstücken getroffenen Regelungen, ist der Spruch unwirksam (BAG v. 13.8.2019 – 1 ABR 6/18, juris).
Rz. 1584
Des Weiteren sind die Grundsätze des rechtsstaatlichen Verfahrens zu beachten. Aus diesem Grunde sind unter anderem die Gewährung rechtlichen Gehörs, die rechtzeitige Ladung der Beisitzer, Parteiöffentlichkeit und bei entsprechendem Begehr die Vertretung der Parteien (auch durch Rechtsanwälte) geboten (BAG v. 7.5.2019 – 1 ABR 54/17, juris). Öffentlich sind die Sitzungen der Einigungsstelle jedoch nicht, was allerdings die Anwesenheit von Zeugen, Sachverständigen und einem Schriftführer nicht ausschließt. Wenn die Einigungsstellenmitglieder dagegen keine Bedenken haben, führt es nicht zur Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs, wenn Betriebsratsmitglieder, die keine Mitglieder der Einigungsstelle sind, bis unmittelbar vor Beginn der Schlussberatung an der Sitzung teilnehmen (LAG Hessen v. 3.8.2015 – 16 TaBV 200/14, juris). Einen Anspruch auf im Rahmen des § 37 Abs. 2 BetrVG zu gewährende bezahlte Freistellung zur Teilnahme an einer Einigungsstellensitzung haben die Betriebsratsmitglieder dagegen nicht (zutreffend ArbG Würzburg v. 12.11.2014 – 9 BV 12/14). Die abschließende mündliche Beratung wie die Beschlussfassung der Einigungsstelle haben allerdings unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu erfolgen (BAG v. 18.1.1994 – 1 ABR 43/93, juris).
Rz. 1585
Hinweis
Da in der Praxis i.d.R. die Kontrahenten (Arbeitgeber/Personalleiter einerseits, Betriebsratsvorsitzender andererseits) selbst in der Einigungsstelle als Beisitzer mitwirken, kann häufig auf die zusätzliche Vertretung der Betriebsparteien als Antragsteller und Antragsgegner verzichtet werden. Die Einigungsstelle ist gerade nicht wie ein Gericht ausgestaltet. Diese Form hat sich in der Praxis bewährt. Lässt sich der Betriebsrat zusätzlich zur Entsendung eines Rechtskundigen in die Einigungsstelle durch einen Bevollmächtigten vor der Einigungsstelle vertreten, ist es eine Frage der Erforderlichkeit nach § 40 BetrVG, ob der Arbeitgeber die Kosten des Bevollmächtigten zu tragen hat.
Rz. 1586
Die Einigungsstelle ist an den Gegenstand, der ihr zur Schlichtung unterbreitet wird, gebunden, nicht aber an die Anträge der Beteiligten. Sie kann in Eilfällen auch eine vorläufige Regelung treffen. Die Aufklärung des Sachverhaltes erfolgt von Amts wegen. Zwangsmittel stehen der Einigungsstelle nicht zu. Sie kann Zeugen vernehmen (aber nicht vereidigen) und Sachverständige hinzuziehen. Sie muss selbst eine abschließende Regelung über den Regelungsgegenstand treffen, darf die Regelung auch nicht in Teilen dem Arbeitgeber überlassen. Aus diesem Grund muss erkennbar sein, für welche konkreten Regelungsfragen die Einigungsstelle errichtet worden ist (BAG v. 7.12.2021 – 1 ABR 25/20, juris).