Rz. 1507

Zu beachten ist insb. Das grundrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer. Dieses wird z.B. durch die Einführung einer Videoüberwachung tangiert. Insoweit besteht Mitbestimmungspflicht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Bei der Ausübung dieser Mitbestimmung haben die Betriebspartner – wie auch die Einigungsstelle – das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG zu beachten. Dieses enthält nicht nur ein subjektives Abwehrrecht ggü. Den Staatsorganen. Es fordert außerdem den Schutz der Bürger durch den Staat, den ggü. Den privaten Grundrechtsträgern Schutzpflichten treffen. Der Staat muss die einzelnen Grundrechtsträger daher auch vor einer unverhältnismäßigen Beschränkung der Grundrechte durch privatautonome Regelungen – wie Betriebsvereinbarungen – bewahren.

 

Rz. 1508

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst neben dem Recht am gesprochenen Wort und Bild auch das Recht, darüber zu entscheiden, ob von einem Menschen Filmaufnahmen gemacht und möglicherweise gegen ihn verwendet werden (BAG v. 29.6.2004 – 1 ABR 21/03, juris, zur Videoüberwachung; BAG v. 14.12.2004 – 1 ABR 34/03, juris, zur Videoüberwachung im Briefzentrum; BAG v. 26.8.2008 – 1 ABR 16/07, juris, zur Videoüberwachung in öffentlichen Räumen). Dabei gehören zu den Normen, die Einschränkungen des Persönlichkeitsrechtes rechtfertigen können, auch die von den Betriebsparteien im Rahmen ihrer Regelungskompetenz abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen. § 75 Abs. 2 S. 1 BetrVG verbietet nicht jede Betriebsvereinbarung, die zur Einschränkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes führt. Der Eingriff muss aber durch schutzwürdige Belange anderer Grundrechtsträger, etwa auch des Arbeitgebers, gerechtfertigt sein. Dabei ist eine Güterabwägung im Einzelfall erforderlich (BAG v. 25.4.2017 – 1 ABR 46/15, juris, zu unverhältnismäßig eingreifenden Belastungsstatistiken; BAG v. 17.11.2016 – 2 AZR 730/15, juris, zu elektronischem Warn- und Berichtssystem für Busfahrer; BAG v. 15.4.2014 – 1 ABR 2/13(B), juris, für Taschenkontrollen; BAG v. 27.3.2003 – 2 AZR 51/02, juris, zu Videoüberwachung und Beweisverwertung).

 

Rz. 1509

So ist die in einer Betriebsvereinbarung geregelte Verpflichtung des Arbeitgebers, den Betriebsrat zu sämtlichen Personalgesprächen einzuladen, wegen Verstoßes gegen § 75 Abs. 2 BetrVG i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG unwirksam. Die Betriebsparteien haben die ihnen nach § 75 Abs. 2 S. 1 BetrVG obliegende Pflicht verletzt, die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern. Sie haben beim Abschluss von Betriebsvereinbarungen das aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitete allgemeine Persönlichkeitsrecht zu beachten. Dieses gewährleistet Elemente der Persönlichkeit, die nicht Gegenstand der besonderen Freiheitsgarantien des Grundgesetzes sind, diesen aber in ihrer konstituierenden Bedeutung für die Persönlichkeit nicht nachstehen. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst insbesondere die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. BverfG v. 19.9.2018 – 2 BvF 1/15, 2 BvF 2/15, juris Rn 219; BVerfG v. 15.12.1983 – 1 BvR 209/83, zu C II 1 a der Gründe, juris). Außerhalb des absoluten Kernbereichs privater Lebensgestaltung wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht in den Schranken der verfassungsmäßigen Ordnung garantiert. Es kann deshalb durch verfassungsgemäße Gesetze eingeschränkt werden. Derartige Regelungen können auch die von den Betriebsparteien im Rahmen ihrer Regelungskompetenz geschlossenen Betriebsvereinbarungen enthalten. Der Gesetzgeber genügt insoweit seiner Pflicht, die Arbeitnehmer als Grundrechtsträger vor einer unverhältnismäßigen Beschränkung ihrer Grundrechte durch Kollektivvereinbarungen zu bewahren, indem er die Betriebsparteien in § 75 Abs. 2 S. 1 BetrVG verpflichtet, die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen (BAG v. 15.4.2014 – 1 ABR 2/13 (B), juris, Rn 40).

 

Rz. 1510

 

Hinweis

Das zulässige Maß einer Beschränkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zugunsten schützenswerter Belange eines anderen Grundrechtsträgers richtet sich nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dieser verlangt eine Regelung, die geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der gewährleisteten Freiheitsrechte angemessen ist, um den erstrebten und legitimen Zweck zu erreichen. Hierzu dürfen auch die Betriebspartner – und demzufolge auch die Einigungsstelle – nur Regelungen treffen, mit deren Hilfe ein solcher Zweck gefördert werden kann. Es dürfen keine anderen, gleich wirksamen und das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer weniger einschränkenden Mittel zur Verfügung stehen (BAG v. 25.4.2017 – 1 ABR 46/15, juris, für den zu weitgehenden Einigungsstellenspruch). Ob sich durch die ab 25.5.2018 in Kraft getretene Datenschutzgrundve...

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