Joachim Vetter, Dr. iur. Martin Nebeling
Rz. 424
Es muss ein Schriftführer bestellt werden, der die Protokollführung in der Betriebsratssitzung übernimmt. Es muss geregelt werden, wann und wie der Betriebsrat für Geschäftsleitung und Mitarbeiter erreichbar ist (z.B. Postfach, Briefkasten, Sekretärin des Betriebsrates, Büro des Betriebsratsvorsitzenden), wie die Büroorganisation ausgestaltet wird, wer bei Abwesenheit des Vorsitzenden wann die Post kontrolliert usw. An die Informationen und Aushänge des Betriebsrates muss ebenfalls gedacht werden. Der Betriebsrat sollte sich hierzu eine Geschäftsordnung geben. Diese Geschäftsordnung muss mit absoluter Mehrheit im Betriebsrat beschlossen werden (§ 36 BetrVG). Da die Vorschriften über die innere Ordnung des Betriebsrates (§§ 26 bis 41 BetrVG) zwingende Regelungen enthalten, kann die Geschäftsordnung diese gesetzlichen Vorgaben nicht ändern, sondern nur ergänzen. Sie kann auch keine Regelungen enthalten, die nach dem Gesetz einer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber bedürfen, wie die Abhaltung von Sprechstunden (§ 39 BetrVG) oder zusätzliche Freistellungen (§ 38 BetrVG).
Rz. 425
Hinweis
Regelungen in der Geschäftsordnung, die eine Stimmenthaltung bei einer Beschlussfassung verbieten oder die die Betriebsratsmitglieder zur schriftlichen Dokumentation durchgeführter Betriebsratsarbeit nach Dauer und Art der Tätigkeit verpflichten, sind unwirksam (LAG München v. 28.5.2015 – 4 TaBV 4/15, juris). Dasselbe gilt für ein Verbot, auf Betriebsratssitzungen mitzuschreiben oder Unterlagen aus der Betriebsratssitzung mitzunehmen (von LAG Hamm v. 14.8.2009 – 10 TaBV 175/08, juris – als "fraglich" bezeichnet). Auch kann in der Geschäftsordnung nicht geregelt werden, dass der Betriebsratsvorsitzende und sein Stellvertreter "geborene Mitglieder" in allen nach § 28 BetrVG gebildeten Ausschüssen sind (BAG v. 16.11.2005 – 7 ABR 11/05, juris).
Rz. 426
Die Geschäftsordnung muss in einer Urkunde niedergelegt und vom Vorsitzenden unterzeichnet sein. Eine Bekanntmachung ist nicht erforderlich, jedes Betriebsratsmitglied kann jedoch die Aushändigung einer Ablichtung verlangen. Soweit sie Regelungen enthält, auf die sich der Betriebsrat ggü. dem Arbeitgeber berufen will (z.B. weitere Vertretungen bei Verhinderung des Vorsitzenden und seines Stellvertreters, besondere Ansprechpartner für bestimmte Angelegenheiten), müssen diese Passagen dem Arbeitgeber mitgeteilt werden. Die Geschäftsordnung kann jederzeit mit absoluter Mehrheit geändert werden; mit absoluter Mehrheit kann der Betriebsrat jederzeit auch von einzelnen Punkten abweichen, ohne dass er dies gesondert zum Ausdruck bringen müsste. Die Geschäftsordnung gilt immer nur für die Amtszeit des jeweiligen Betriebsrates. Will der neue Betriebsrat die alte Geschäftsordnung beibehalten, muss er dies mit Beschluss – mit absoluter Mehrheit – bestätigen (str.; Einzelheiten vgl. etwa DKW/Wedde, § 36 Rn 11 einerseits und Richardi/Thüsing, § 36 Rn 15 andererseits).
Zu weitgehend erscheint es im Hinblick auf die Rechte der Minderheit im Betriebsrat, wenn der Betriebsrat "Fachbeauftragte" bestimmt, die bestimmte Themen für den Betriebsrat regeln können (so aber LAG Baden-Württemberg v. 10.4.2013 – 2 TaBV 6/12, juris).
Rz. 427
Nach der Neufassung des § 30 BetrVG im BetriebsrätemondernisierungsG 2021 kann der Betriebsrat die Sitzung insgesamt per Video- oder Telefonkonferenz abhalten, können auch einzelne Betriebsratsmitglieder mittels Telefon oder Videoanlage an der Sitzung teilnehmen. Voraussetzung dafür ist u.a., dass "die Voraussetzungen für eine solche Teilnahme in der Geschäftsordnung unter Sicherung des Vorrangs der Präsenzsitzung festgelegt sind". Ohne eine solche Festlegung in der Geschäftsordnung sind daher – wie vor der Corona-Pandemie – nur Präsenzsitzungen möglich.
Rz. 428
Die Voraussetzungen müssen sich unmittelbar aus der Geschäftsordnung ergeben, und zwar sowohl für die Videositzung für alle Mitglieder als auch für die Zuschaltung einzelner Mitglieder. Darüber hinaus muss die Geschäftsordnung auch den Vorrang der Präsenzsitzung sichern. Dabei kann nicht auf die Meinung der Mehrheit der Betriebsratsmitglieder abgestellt werden. Hierfür regelt § 30 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG, dass eine solche Möglichkeit nicht wahrgenommen werden kann, wenn mindestens ein Viertel der Betriebsratsmitglieder dieser innerhalb einer vom Vorsitzenden gesetzten angemessenen Frist widersprochen hat. Eine solche Widerspruchsmöglichkeit besteht nach dem Wortlaut für jegliche Abweichung von der Präsenz, also auch hinsichtlich der Zuschaltung einzelner Betriebsratsmitglieder.
Rz. 429
Hinweis
Wie ohne Rücksicht auf den Willen der Mehrheit der Betriebsratsmitglieder der "Vorrang der Präsenzsitzung" sichergestellt werden kann oder gar muss, ist zweifelhaft. Man wird beispielhaft eine bestimmte Art von Geschäften aufzählen können, bei denen von der Präsenz abgewichen werden kann (etwa Maßnahmen nach § 99 BetrVG). Man wird auch besonders eilbedürftige Themen nennen können (etwa kurzfristige Änderungen der Arbeitszeit). Möglich...