Joachim Vetter, Dr. iur. Martin Nebeling
Rz. 1240
Liegen die oben genannten Voraussetzungen vor, so kann der Betriebsrat – nach Fassung eines ordnungsgemäßen Beschlusses – Kündigung oder Versetzung verlangen. Welche dieser Maßnahmen er verlangt, hat er nach billigem Ermessen zu beschließen. Ein Verlangen auf "Entlassung" ist auf den Ausspruch einer ordentlichen Kündigung gerichtet. Eine Entfernung nur aus dem Betrieb genügt hierfür nicht. Die Verpflichtung zur außerordentlichen Kündigung kann – abgesehen von Fällen der Unkündbarkeit – nicht das Ergebnis eines Verfahrens nach § 104 BetrVG sein (BAG v. 28.3.2017 – 2 AZR 551/16, juris). Hat der Betriebsrat den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die Interessen der Belegschaft nicht ausreichend beachtet, wird der Antrag abgewiesen. Aus diesem Grund wird das Verlangen nach Entlassung unbegründet sein, wenn die Störung – etwa durch Wegnahme der Vorgesetztenstellung ggü. bestimmten Personen – auch durch eine Versetzung beseitigt werden kann (Richardi/Thüsing, § 104 Rn 14). Dem Betriebsrat steht es nicht zu, zu bestimmen, auf welchen Arbeitsplatz der Arbeitnehmer versetzt werden soll. Er kann jedoch einen bestimmten Arbeitsplatz nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG vorschlagen.
Rz. 1241
Der Arbeitgeber hat das Verlangen des Betriebsrates sorgfältig zu prüfen und die Versetzung oder Entlassung in eigener Verantwortung zu übernehmen. Einer zwingenden Anhörung des Arbeitnehmers zu den erhobenen Vorwürfen bedarf es nicht – die Berechtigung der Vorwürfe setzt das Feststehen des Verstoßes voraus, ein Verdacht genügt nicht. Einen besonderen Kündigungs- oder Versetzungsgrund schafft § 104 BetrVG nicht, er setzt vielmehr einen solchen voraus. Gibt der Arbeitgeber dem Verlangen des Betriebsrates nach, stellt es sein eigenes Risiko dar, ob eine damit begründete Kündigung der Beurteilung durch die ArbGe bei einer Kündigungsschutzklage standhält. Allerdings kann ein berechtigtes Verlangen – bei dem zumindest incidenter das Vorliegen der Begründetheit des Verlangens nach § 104 BetrVG geprüft und bejaht werden muss – oder gar eine dem Verlangen des Betriebsrates nach § 104 BetrVG stattgebende gerichtliche Entscheidung einen Kündigungsgrund – ähnlich einer Druckkündigung – ergeben (ähnlich Richardi/Thüsing, § 104 Rn 15).
Rz. 1242
Hat der Betriebsrat die Entlassung des Arbeitnehmers nach § 104 BetrVG verlangt, muss er nicht nach § 102 BetrVG nochmals zu dieser verlangten Maßnahme angehört werden; das Entlassungsverlangen erhält bereits die Zustimmung zu der es umzusetzenden Kündigung (BAG v. 28.3.2017 – 2 AZR 551/16, juris). Bei einer Versetzung gilt dies – fehlende Notwendigkeit zur Beteiligung nach § 99 BetrVG – ebenfalls für den Fall, dass die Versetzung zu einer Entfernung des Arbeitnehmers aus dem Betrieb führt oder der Arbeitgeber dem Betriebsratsverlangen zur Versetzung auf einen bestimmt bezeichneten konkreten Arbeitsplatz entspricht (BAG v. 15.5.1997 – 2 AZR 519/96, juris). Soll der Arbeitnehmer demgegenüber einen anderen Arbeitsplatz innerhalb des Zuständigkeitsbereiches des Betriebsrates erhalten, den der Betriebsrat nicht ausdrücklich beantragt hat, entfällt das Mitbestimmungsrecht insoweit nicht (KR/Rinck, § 104 BetrVG Rn 30).