Joachim Vetter, Dr. iur. Martin Nebeling
Rz. 149
Für das passive Wahlrecht muss hinzukommen, dass die wahlberechtigten Arbeitnehmer am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet haben (also am letzten Wahltag 18. Geburtstag feiern) und dass sie am Wahltag (h.M.: letzten Wahltag) mindestens sechs Monate dem Betrieb angehört haben (§ 8 Abs. 1 BetrVG). Der letzte Wahltag selbst zählt hierbei nicht, der erste Tag des Beschäftigungsverhältnisses, auch wenn der Arbeitnehmer die Beschäftigung tatsächlich erst im Lauf des Tages aufgenommen hat, voll (also Eintritt 1.1. – obwohl Sonntag –, wählbar, wenn die Wahl am 1.7. stattfindet). Diese Betriebszugehörigkeit wird auch mit Zeiten erreicht, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres liegen. Selbstverständlich zählen auch Zeiten bei einem anderen Arbeitgeber dann, wenn sie in einem Betriebsteil erbracht wurden, der im Wege des Betriebsüberganges nach § 613a BGB übernommen und in den Betrieb, in dem nunmehr Wahlen stattfinden, eingegliedert worden ist. Zeiten, in denen der Arbeitnehmer unmittelbar vor Eintritt in den Betrieb im Unternehmen oder Konzern beschäftigt war, werden angerechnet. Auch Beschäftigungszeiten als Leiharbeitnehmer zählen, wenn dieser im unmittelbaren Anschluss an die Überlassung ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher begründet (BAG v. 10.10.2012 – 7 ABR 53/11, juris).
Rz. 150
Nicht wählbar sind im Entleihbetrieb trotz des insoweit missverständlichen Wortlautes Leiharbeitnehmer (§ 14 Abs. 2 S. 1 AÜG; BAG v. 10.3.2004 – 7 ABR 49/03, juris; BAG v. 15.3.2006 – 7 ABR 39/05, juris). Dies hat der Gesetzgeber in der Wahlordnung jetzt nochmals ausdrücklich klargestellt (§ 3 Abs. 2 S. 2 WO). Gleiches gilt wegen der Vergleichbarkeit zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung, wenn die Mitarbeiter im Wege der Konzernleihe für längere Zeit in den Betrieb, im dem gewählt wird, entsandt worden sind (BAG v. 17.2.2010 – 7 ABR 51/08, juris, und zwar auch dann, wenn der Arbeitnehmer mehr als zwei Jahre im Wege der Konzernleihe in den Betrieb entsandt ist; im Einzelnen sehr str., vgl. Richardi/Forst, § 2 WO Rn 2; a.A. Fitting, § 8 BetrVG Rn 27 m.w.N.: wählbar auch im Einsatzbetrieb, soweit nicht erlaubnispflichtige Arbeitnehmerüberlassung nach dem AÜG). Zumindest wenn die Einsatzzeit nicht über die Wahlperiode hinausgeht, spricht vieles dafür, dass solche Arbeitnehmer zwar in beiden Betrieben wahlberechtigt sind, aber wählbar nur in dem Betrieb, von dem aus sie vorübergehend entsandt sind. Wählbar sind, soweit sie mehr als sechs Monate beschäftigt sind, auch Beamte, Soldaten und Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, die in Betrieben privatrechtlich organisierter Unternehmen tätig sind (§ 5 Abs. 1 S. 3 BetrVG, vgl. BAG v. 15.8.2012 – 7 ABR 34/11, juris).
Rz. 151
Nicht wählbar ist, wer infolge strafgerichtlicher Verurteilung die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, nicht besitzt (§ 8 Abs. 1 S. 3 BetrVG). Dazu gehören Arbeitnehmer, die wegen eines Verbrechens – Mindeststrafe für das Delikt ein Jahr – verurteilt worden sind, für die Dauer von fünf Jahren ab Rechtskraft des Urteils. Die Aberkennung der Wählbarkeit kann ein Strafurteil auch in anderen Fällen ausdrücklich aussprechen (§ 45 Abs. 2 StGB). Diese Einschränkung ist wenig praktisch, weil in solchen Fällen Arbeitsverhältnisse häufig beendet werden. Bestehen Anhaltspunkte für das Vorliegen eines solchen Falles, wird der Wahlvorstand beim Arbeitgeber nachfragen und auch – etwa durch Befragung des Arbeitnehmers – weitere Ermittlungen anstellen müssen. Immerhin muss er die fehlende Wählbarkeit in der Wählerliste ausweisen. Dies begegnet erhebliche Bedenken im Hinblick auf die Persönlichkeitsrechte des betroffenen Arbeitnehmers. Andererseits müssen sich Wahlberechtigte bei der Aufstellung von Vorschlagslisten, die ja nur wählbare Kandidaten enthalten dürfen – die Aufstellung eines einzigen nicht wählbaren Kandidaten macht die gesamte Liste ungültig –, auf die Richtigkeit der Wählerliste auch in diesem Punkt verlassen dürfen.
Rz. 152
Hinweis
Ist auf einer Vorschlagsliste nur ein einziger Arbeitnehmer enthalten, der nicht wählbar ist, ist die gesamte Liste insgesamt nicht zur Wahl zuzulassen; eine fehlerhafte Zulassung berechtigt zur Anfechtung der Wahl.
Rz. 153
Gekündigte Arbeitnehmer sind wählbar, wenn sie Klage gegen die Kündigung erhoben haben. Solange sie allerdings nicht weiterbeschäftigt werden (kein aktives Wahlrecht im oben dargestellten Sinn haben), sind sie, auch wenn sie gewählt worden sind, an der Ausübung ihres Amtes gehindert. Müssen sie weiterbeschäftigt werden, endet die Verhinderung. Gewinnen sie ihren Kündigungsprozess nicht, scheiden sie auch endgültig aus dem Betriebsrat aus.
Rz. 154
Bei rechtlicher Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses läuft die Frist nur dann neu, wenn diese erheblich ist (überzeugend Fitting, § 8 BetrVG Rn 39 ff. für kurzfristige Unterbrechungen bei Sachzusammenhang; ähnlich DKW/Homburg, § 8 Rn 15; GK/Raab, § 8 Rn 34 ff.: immer nur Hemmung der Frist, aber bei allen Unterbrechungen). Häufig wird allerdings von ei...