Rz. 70

Außerhalb des "Wahlkorridors" ist der Betriebsrat nach dem Katalog des § 13 Abs. 2 BetrVG zu wählen, wenn

mit Ablauf von 24 Monaten nach dem Wahltag die Zahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer um die Hälfte, mindestens aber um 50, gestiegen oder gesunken ist,
die Zahl der Betriebsratsmitglieder nach Eintreten sämtlicher Ersatzmitglieder unter die vorgeschriebene Zahl des Gremiums gesunken ist,
der Betriebsrat mit der Mehrheit seiner Mitglieder seinen Rücktritt beschlossen hat,
die Betriebsratswahl mit Erfolg angefochten worden ist,
der Betriebsrat durch eine gerichtliche Entscheidung (vgl. § 23 Abs. 1 S. 1 BetrVG) aufgelöst ist, oder
wenn im Betrieb ein Betriebsrat nicht besteht.
 

Rz. 71

 

Hinweis

Im Fall der Veränderung der Arbeitnehmerzahl nach Nr. 1 müssen nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut beide Voraussetzungen zusammenkommen: Die Hälfte der Arbeitnehmerzahl am Stichtag, um die sich die regelmäßige Arbeitnehmerzahl – auf die Wahlberechtigung zum Betriebsrat kommt es nicht an (zur Feststellung der "regelmäßig Beschäftigten" vgl. Rdn 85 ff.) – verändert, muss aus mindestens 50 Arbeitnehmern bestehen. Ist z.B., weil im Zeitpunkt des Wahlausschreibens am 5.3.2018 (mindestens sechs Wochen vor dem Wahltag) die Zahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer zutreffend mit 103 angenommen wurde, ein siebenköpfiger Betriebsrat gewählt worden, dann bleibt diese Größe auch maßgeblich, wenn am Wahltag am 25.4.2018 etwa wegen des Abschlusses von Aufhebungsverträgen nach plötzlichem endgültigem Wegfall eines Kunden nur noch 90 Arbeitnehmer tatsächlich regelmäßig beschäftigt waren. Waren am 25.4.2020, 24.00 Uhr (das Gesetz verlangt den Ablauf von 24 Monaten, der Wahltag zählt nach § 187 Abs. 1 BGB nicht) noch 42 Arbeitnehmer regelmäßig beschäftigt, sind die Voraussetzungen nicht erfüllt (zwar die Hälfte weniger, aber keine 50 Arbeitnehmer): Der Betriebsrat bleibt siebenköpfig im Amt, ohne dass Neuwahlen stattzufinden hätten. Sinkt die Zahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer nach dem Stichtag 26.4.2020 weiter, bleibt dies ebenfalls ohne Bedeutung: Die Wahl hat im regelmäßigen Wahlkorridor zwischen 1.3. und 31.5.2022 stattzufinden.

Achtung: Anderes kann sich ergeben, wenn der Betrieb selbst, etwa aufgrund von Spaltungen, nicht mehr existiert (etwa weil er vom Arbeitgeber in drei oder vier gleich große Teile aufgespalten worden ist). Dann besteht, soweit diese Teile nicht in andere Betriebsratseinheiten eingegliedert wurden, für sechs Monate ein Übergangsmandat des bisherigen Betriebsrats nach § 21a BetrVG, es sind unverzüglich Neuwahlen für die nunmehr neu entstandenen Organisationseinheiten einzuleiten.

aa) Vergrößerung der Arbeitnehmerzahl

 

Rz. 72

Im Fall der Vergrößerung der Arbeitnehmerzahl wird die auf den Stichtag bezogene Veränderung nach Nr. 1 selten praktisch. Kommen nämlich so viele Arbeitnehmer zur bisherigen Belegschaft hinzu, dass die Betriebsratsgröße sich ändern würde, dann tritt der bestehende Betriebsrat in der Praxis häufig nach § 13 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG zurück und leitet Neuwahlen – mit der dann maßgeblichen Betriebsratsgröße – ein. Erzwungen werden kann dies jedoch nicht. Die Vorschrift des § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG belegt, dass sonstige Veränderungen der Belegschaftsstärke, selbst wenn die Betriebsratsgröße eigentlich nicht mehr gerechtfertigt wäre, keine Rolle spielen.

bb) Ausscheiden von Mitgliedern

 

Rz. 73

Beim Fall des Unterschreitens der notwendigen Betriebsratsgröße wegen Ausscheidens von Mitgliedern nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG ist auf diejenige Zahl der Betriebsratsmitglieder abzustellen, die der Betriebsrat bei der Wahl hatte. Unerheblich ist, ob sich die Arbeitnehmerzahl inzwischen so verringert hat, dass nunmehr ein kleineres Gremium zu wählen wäre. Wird neu gewählt, müssen jedoch eingetretene Änderungen in vollem Umfang berücksichtigt werden. Die notwendige Zahl von Betriebsratsmitgliedern muss nach Eintritt sämtlicher Ersatzmitglieder unterschritten sein. Dabei bleibt die vorübergehende Verhinderung von Betriebsratsmitgliedern oder auch Ersatzmitgliedern außer Betracht. Der Fall tritt daher nur bei endgültigem Ausscheiden, bei der Amtsniederlegung oder beim Mandatsverzicht ein, nicht schon dann, wenn der Betriebsrat wegen Verhinderung aufgrund von Urlaub, Mutterschutz, Elternzeit oder vorübergehender Versetzung oder Auslandsaufenthalt derzeit – nach Eintritt sämtlicher Ersatzmitglieder – nicht mit der vollen Stärke tagen kann. Sind allerdings sämtliche Betriebsratsmitglieder einschließlich der Ersatzmitglieder ausgeschieden (ggf. auch durch Niederlegung ihres Amtes), dann ist der Betriebsrat gem. § 13 Abs. 2 Nr. 6 BetrVG neu zu wählen – ein Betriebsrat, der die Geschäfte fortführen könnte, existiert in diesem Fall nicht (mehr). Der Wahlvorstand ist in diesem Fall nach § 17 BetrVG vorrangig durch den Gesamtbetriebsrat, ersatzweise durch eine Betriebsversammlung einzusetzen. Dabei gilt: Wird trotz Absinkens der Mitgliederzahl unter die vorgegebene Größe kein neuer Betriebsrat gewählt, führt der "Rest-Betriebsrat" bis zum Ablauf seiner...

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