Rz. 1490

Die Sperrwirkung beginnt mit dem ersten Abschluss eines Tarifvertrages auf dem fraglichen Gebiet, nicht aber bereits dann, wenn die Tarifpartner lediglich erklären, eine bestimmte Frage in der Zukunft tarifvertraglich regeln zu wollen. Eine bei Abschluss des Tarifvertrages bestehende Betriebsvereinbarung wird ex nunc unwirksam, soweit sie den nunmehr geregelten Bereich betrifft. Die Sperrwirkung des Tarifvertrages gilt nicht nur für abweichende, sondern auch für zusätzliche Vereinbarungen. Trifft der Tarifvertrag aber nur lückenhafte Regelungen, so tritt insoweit – soweit die Lücken gefüllt werden – keine Sperrwirkung ein. Dies gilt ebenfalls bei reiner Negativregelung oder schlichter Nichtregelung. Keine Regelung durch Tarifvertrag liegt auch dann vor, wenn der Tarifvertrag nur noch kraft Nachwirkung gilt; allerdings gilt dies nur, wenn die Tarifparteien zum Ausdruck gebracht haben, dass sie den betreffenden Gegenstand künftig nicht mehr regeln wollen (sonst liegt "Tarifüblichkeit" vor).

 

Rz. 1491

Die Sperrwirkung greift bereits dann, wenn der Tarifvertrag in demjenigen räumlichen Gebiet Regelungen trifft, in dem der Betrieb gelegen ist. Sperrwirkung entfaltet natürlich nur der für den Betrieb fachlich zutreffende Tarifvertrag. Unerheblich ist dagegen, ob der Tarifvertrag im Betrieb überhaupt "gilt", ob also Arbeitgeber und Arbeitnehmer tarifgebunden sind (BAG v. 15.1.2019 – 1 AZR 64/18, juris; BAG v. 23.1.2018 – 1 AZR 65/17, juris; BAG v. 22.3.2005 – 1 ABR 64/03, juris; BAG v. 26.8.2008 – 1 AZR 354/07, juris). Entscheidend ist, dass der Tarifvertrag im Fall eines Beitritts in die jeweiligen Verbände zur Anwendung käme.

 

Rz. 1492

Diesbezüglich gilt auch kein Günstigkeitsprinzip: Entsprechende Betriebsvereinbarungen sind selbst dann unwirksam, wenn sie für die Arbeitnehmer günstigere Regelungen schaffen als im Tarifvertrag vorgesehen. Der Regelung durch Betriebsvereinbarungen ist der gesamte Regelungsbereich entzogen (BAG v. 18.3.2020 – 5 AZR 36/19, juris, für die Regelung von Fahrtzeiten von Außendienstmitarbeitern vom Wohnort zum ersten Kunden, da der Tarifvertrag die Vergütung für sämtliche Arbeitszeiten regelt; BAG v. 9.12.1997 – 1 AZR 319/97, juris: für die Schaffung übertariflicher Zulagen, die an keine besonderen Voraussetzungen geknüpft sind und lediglich die tariflichen Entgelte erhöhen; vgl. auch BAG v. 30.5.2006 – 1 AZR 111/05, juris). Die Betriebspartner sollen sich nicht an die Stelle der Tarifparteien setzen können, sollen keine Konkurrenz zu den Tarifparteien entfalten. § 77 Abs. 3 BetrVG dient dem Schutz der Tarifparteien, der "ausgeübten und aktualisierten Tarifautonomie" (BAG v. 5.3.1997 – 4 AZR 532/95, juris).

 

Rz. 1493

 

Hinweis

Zwar können die Betriebsparteien wegen des Tarifvorbehaltes keine Regelungen über die Weitergabe von Tariferhöhungen treffen; sie sind jedoch nicht gehindert, die übertariflichen Zulagen so auszugestalten, dass diese unabhängig von Tariferhöhungen bestehen bleiben sollen. Die Betriebsparteien können auch regeln, dass sich eine übertarifliche Zulage um denselben Prozentsatz erhöht wie der Tariflohn; eine solche Bestimmung regelt nicht das Schicksal der Tariferhöhung, sondern die Behandlung der übertariflichen Zulage (BAG v. 30.5.2006 – 1 AZR 111/05, juris).

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