Joachim Vetter, Dr. iur. Martin Nebeling
Rz. 103
Nach dem Gesetzeswortlaut sind grds. drei Wahlberechtigte als Wahlvorstand zu wählen. Weil der Gesetzgeber insoweit nicht von "wahlberechtigten Arbeitnehmern" spricht, können auch nach § 7 S. 2 BetrVG wahlberechtigte Leiharbeitnehmer als Mitglieder des Wahlvorstandes bestellt werden (h.M., vgl. Fitting, § 16 Rn 21).
Rz. 104
Eine Erhöhung der Zahl von drei Wahlvorstandsmitgliedern muss zwingend durch den Betriebsrat bzw. auf der Betriebsversammlung beschlossen werden (LAG Nürnberg v. 17.5.2013 – 5 TaBVGa 2/13, juris: Die durch Akklamation auf einer Betriebsversammlung durchgeführte Bestellung aller fünf Bewerber ohne vorherige Abstimmung, dass die Zahl von drei auf fünf erhöht wird, führt zur Unwirksamkeit der Bestellung). Die Frage, ob die Zahl erhöht werden soll, unterliegt dem Beurteilungsspielraum des Betriebsrates; die Erhöhung muss jedoch nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut "erforderlich" sein, was insb. dann in Betracht kommt, wenn – in jedem Wahllokal müssen nach § 12 Abs. 2 des WO mindestens ein ordentliches Wahlvorstandsmitglied und ein Wahlhelfer ständig anwesend sein – mehr als drei Wahllokale zeitgleich geöffnet sein sollen (ganz h.M.; weitergehend DKW/Homburg, § 16 Rn 15: auch andere Gesichtspunkte seien zulässig, etwa die Berücksichtigung bestimmter Gruppen). In Betracht kommt auch eine nachträgliche Erhöhung, etwa wenn der Wahlvorstand beabsichtigt, mehr Wahllokale zeitgleich zu öffnen, und nicht die erforderliche Zahl von Wahlvorstandsmitgliedern hierfür zur Verfügung steht.
Rz. 105
Hinweis
Wie bei einer rechtlich fehlerhaften Erhöhung vorgegangen werden kann, ist umstritten. So soll eine Feststellung der Unwirksamkeit der Einsetzung eines neunköpfigen Wahlvorstands bei einheitlichem Betriebsgelände für die 250 AN im Wege einstweiliger Verfügung möglich sein (LAG Nürnberg v. 30.3.2006 – 6 TaBVGa 19/06, juris). Andere lehnen diesen Eingriff in das Wahlverfahren, das einem Abbruch gleichkommt, ab, weil die Bestellung nicht nichtig ist (ausdrücklich BAG v. 27.7.2011 – 7 ABR 61/10, juris; LAG Schleswig-Holstein v. 5.4.2012 – 4 TaBVGa 1/12, juris; LAG Hamm v. 6.9.2013 – 7 TaBVGa 7/13, juris; LAG Berlin-Brandenburg v. 11.2.2021 – 21 TaBVGa 1271/20, juris, das Nichtigkeit allerdings für den Fall erwägt, dass weitere Personen an der Kandidatur für den Wahlvorstand gehindert wurden). Eine nachträgliche Zuwahl von weiteren Wahlvorstandsmitgliedern bei nachträglicher Feststellung der Erforderlichkeit – ggf. auf Anregung des Wahlvorstandes, der eine größere Zahl von Wahllokalen eröffnen will – ist möglich. Auch ein solcher Erhöhungsbeschluss kann aber mangels Erforderlichkeit für unwirksam erklärt werden (LAG Nürnberg v. 15.5.2006 – 2 TaBV 29/06, juris). Zulässig sein wird auch ein Antrag auf Bestellung durch das Arbeitsgericht mit der Begründung, der ursprünglich bestellte Wahlvorstand sei rechtswidrig bestellt.
Rz. 106
Der Betriebsrat muss eine ungerade Zahl von Wahlvorstandsmitgliedern bestellen. Unzulässig ist es, weitere Wahlvorstandsmitglieder im Hinblick auf die Zahl der Wahllokale erst kurz vor dem Wahltag dazu zu wählen: Die Zahl der benötigten Wahlvorstandsmitglieder ist wegen der notwendigen Angabe der Wahlzeiten und Wahllokale im Wahlausschreiben schon in diesem Zeitpunkt bekannt, Wahlvorstandsmitglieder "zweiter Klasse" kennt das Gesetz nicht (so jetzt auch LAG Niedersachsen v. 11.9.2019 – 13 TaBV 85/18, juris, bei der Erhöhung für sechs Tage während des Wahlzeitraums). Erst recht unzulässig ist es, sämtliche Entscheidungen durch einen "Hauptwahlvorstand" treffen zu lassen, weitere Wahlvorstandsmitglieder nur zur Besetzung der Wahllokale zu bestimmen. Dann handelt es sich in Wirklichkeit nur um Wahlhelfer, deren Anwesenheit im Wahllokal – ohne Anwesenheit eines ordentlichen Wahlvorstandsmitglieds – nicht ausreicht. Zulässig wird aber sein, wenn der noch im Amt befindliche Betriebsrat für ein ausgeschiedenes Mitglied ein neues Wahlvorstandsmitglied nachwählt, wenn keine Ersatzmitglieder mehr zur Verfügung stehen.
Rz. 107
Hinweis
Die bestellten Wahlvorstandsmitglieder müssen wahlberechtigte Arbeitnehmer zur vorgesehenen Betriebsratswahl sein. Aus diesem Grund ist die Betriebsratswahl anfechtbar, wenn ein Arbeitnehmer in den Wahlvorstand bestellt wird, der in diesem Zeitpunkt schon in einen anderen Betrieb versetzt war – auch wenn das Zustimmungsersetzungsverfahren hierzu noch läuft (LAG Köln v. 10.2.2010 – 8 TaBV 65/09, juris; da der Wahlvorstand weitreichende Entscheidungen zu treffen hat, wie etwa die Festlegung des Wahltermins, wird in diesen Fällen ein Einfluss auf das Wahlergebnis grundsätzlich nicht auszuschließen sein, so auch BAG v. 14.9.1988 – 7 ABR 93/87, juris; LAG Nürnberg v. 30.3.2006 – 6 TaBV 19/06, juris; LAG Hessen v. 6.2.2003 – 9 TaBV 96/02, juris; a.A. etwa Fitting, § 19 Rn 25: die fehlerhafte Bestellung lässt nicht ohne Weiteres den Schluss zu, dass das Wahlergebnis hierdurch beeinflusst werden konnte). Ob ein Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit eines Betriebsratsbe...