Joachim Vetter, Dr. iur. Martin Nebeling
I. Bildung eines Gesamtbetriebsrats
1. Errichtung
Rz. 752
Nach § 47 Abs. 1 BetrVG ist zwingend ein Gesamtbetriebsrat als Vertretung nicht auf Betriebs-, sondern auf Unternehmensebene zu errichten, wenn in einem Unternehmen mehrere Betriebsräte gewählt worden sind. Nach § 51 Abs. 3 BetrVG hat hierzu der Betriebsrat der Hauptverwaltung zur konstituierenden Sitzung einzuladen, um den Vorsitzenden und den stellvertretenden Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrates wählen zu lassen. Besteht in der Hauptverwaltung kein Betriebsrat, fällt diese Aufgabe dem Betriebsrat des nach der Zahl der Mitarbeiter größten Betriebes – berechnet nach der Zahl der in die Wählerliste eingetragenen Arbeitnehmer bei der letzten Betriebsratswahl – zu. Unterlässt der zuständige Betriebsrat die Einladung, können bereits bestellte Mitglieder des Gesamtbetriebsrats – auch aus anderen Betrieben – selbst die Initiative ergreifen und zur konstituierenden Sitzung einladen. Hierbei müssen sie die Einladung an die bereits bestellten Gesamtbetriebsratsmitglieder und darüber hinaus an alle bestehenden Betriebsräte des Unternehmens versenden, verbunden mit der Aufforderung, noch Gesamtbetriebsratsmitglieder zu entsenden (h.M., vgl. GK/Franzen, § 51 Rn 15).
2. Amtszeit
Rz. 753
Anders als beim Betriebsrat enthält das Gesetz keine ausdrückliche Bestimmung über Beginn und Ende der Amtszeit des Gesamtbetriebsrates. In § 49 BetrVG ist nur das Erlöschen der Mitgliedschaft im Gesamtbetriebsrat geregelt. Dies bedeutet, dass der Gesamtbetriebsrat als Gremium dauerhaft eingerichtet ist. Er besitzt keine Amtszeit und besteht auch dann mit Zuständigkeit für die betreffenden Arbeitnehmer weiter, wenn ein kurzfristiger Wegfall einzelner Betriebsräte dazu führt, dass in manchen Betrieben vorübergehend überhaupt kein Betriebsrat im Amt ist, etwa weil die Wahl erst nach Ablauf der Amtszeit des vorhergehenden Betriebsrates stattgefunden hat, die Wahl nichtig oder rechtskräftig angefochten ist (BAG v. 8.6.1999 – 1 AZR 831/98, juris).
Rz. 754
Die Mitglieder des Gesamtbetriebsrates können wechseln, weil ihre Mitgliedschaft im Gesamtbetriebsrat an das Betriebsratsamt gebunden ist und sie von den einzelnen Betriebsräten in den Gesamtbetriebsrat entsandt sind. Erlischt die Mitgliedschaft im Betriebsrat, endet damit auch die Mitgliedschaft im Gesamtbetriebsrat. Werden also im Zeitraum der regelmäßigen Wahl alle Betriebsräte zeitgleich neu gewählt, dann kann es zu einem mitgliedslosen Gesamtbetriebsrat kommen; in diesem Fall ist § 51 Abs. 2 BetrVG für die Ladung zur ersten Sitzung nach den Neuwahlen erneut anzuwenden. Wählen die Betriebsräte zu unterschiedlichen Zeitpunkten und entsenden sie rechtzeitig Mitglieder in den Gesamtbetriebsrat, dann ist diese Neukonstituierung auch faktisch nicht erforderlich, weil dann etwa Einladungen durch die verbliebenen bzw. schon bestellten Gesamtbetriebsratsmitglieder versandt werden können (so auch GK/Franzen, § 51 Rn 16).
3. Mehrere Betriebsräte im Unternehmen
Rz. 755
Notwendige Voraussetzung für die Bildung eines Gesamtbetriebsrates ist, dass mindestens zwei Betriebsräte in einem Unternehmen gebildet sind. Unter Unternehmen ist hierbei eine natürliche oder juristische Person zu verstehen. Sind die – durch einen eigenen Betriebsrat repräsentierten – Betriebe oder Betriebsteile einem anderen Unternehmen (etwa einer eigenen GmbH) zugeordnet, kommt die Bildung eines Gesamtbetriebsrates nicht in Betracht. Die Betriebsräte müssen nach deutschem Betriebsverfassungsrecht gebildet sein: Daher genügt die Vertretung der Arbeitnehmer nach ausländischem Recht in einem im Ausland gelegenen Betrieb den Voraussetzungen nicht. Ob das Unternehmen dagegen seinen Sitz im Ausland hat, ist unerheblich, solange nur zwei Betriebsräte in Betrieben oder Betriebsteilen, die in Deutschland gelegen sind, gebildet sind.
Rz. 756
Eine juristische Person (AG, GmbH) kann immer nur ein einziges Unternehmen führen. Etwas anderes gilt bei natürlichen Personen, bei denen dann mehrere Unternehmen anzunehmen sind, wenn keine einheitliche Leitung der gebildeten selbstständigen Organisationseinheiten vorhanden ist.
Beispiel
Unternehmer U. betreibt neben der im Familienbesitz befindlichen Bäckerei einen neu zugekauften Metzgerladen als Einzelunternehmer in der bisherigen Form weiter.
4. Gemeinsamer Betrieb und Gesamtbetriebsrat
Rz. 757
Problematisch ist die Beteiligung eines sog. "Gemeinschaftsbetriebes" am Gesamtbetriebsrat. Ein gemeinsamer Betrieb liegt dann vor, wenn sich zwei rechtlich selbstständige Unternehmen zur Führung eines organisatorisch einheitlichen Betriebes zusammengetan haben (hierzu vgl. Rdn 28 ff.). Die Arbeitnehmer bleiben in diesem Fall Beschäftigte ihrer jeweiligen Arbeitgeber; es existiert aber nur eine einheitliche Betriebsorganisation und damit ein einheitlicher für den gemeinsamen Betrieb zuständiger Betriebsrat. Häufig findet man eine solche Konstellation im Zuge der Unternehmensaufgliederung, wenn Unternehmen bereits verselbstständigt sind, die ursprüngliche betriebliche Einheit jedoch vorläufig weiter belassen ist (hierfür spricht im Fall einer Spaltung ohne Änderung der Organisation nach § 322 UmwG, § 1...