Joachim Vetter, Dr. iur. Martin Nebeling
Rz. 1283
Der Begriff der Betriebseinschränkung – Betriebsänderung nach § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG – setzt voraus, dass die "Leistungsfähigkeit" des Betriebes herabgesetzt wird. Die Einschränkung muss "ungewöhnlich" und nicht nur vorübergehend sein. Bei der Prüfung der Frage, ob eine Betriebseinschränkung vorliegt, ist von dem regelmäßigen Erscheinungsbild des Betriebes auszugehen. Betriebstypische Schwankungen, wie z.B. Weihnachtsgeschäft oder Sommerloch, sind keine Betriebsänderungen, auch wenn eine größere Zahl von Arbeitnehmern entlassen wird (BAG v. 22.5.1979 – 1 ABR 17/77, NJW1980, 83 = DB 1979, 1896 = BB 1979, 1501 = SAE 1980, 90 m. Anm. Reuter). Gleichgültig ist auch, ob die Verminderung der Leistungsfähigkeit des Betriebs durch Außerbetriebsetzung von Betriebsanlagen oder durch Personalreduzierung erfolgt (BAG v. 7.8.1990 – 1 AZR 445/89, NZA 1991, 113 = DB 1991, 760 = EzA § 111 BetrVG 1972 Nr. 27).
Rz. 1284
Erfasst werden nicht nur Verkauf, Vermietung und Verschrottung von Arbeitsgeräten, sondern auch andere Arten der bewussten und gewollten Nichtnutzung, z.B. die Einlagerung von Maschinen oder das "Abmelden" von Kfz beim Straßenverkehrsamt, wenn die Außerbetriebsetzung auf "nicht absehbare Zeit" erfolgt (BAG v. 22.5.1979 – 1 ABR 17/77, NJW 1980, 83 = DB 1979, 1896 = BB 1979, 1501 = BB 1980, 1750 m. Anm. Hunold = SAE 1980, 85 m. Anm. Reuter). Keine Betriebseinschränkung i.S.d. § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG liegt vor, wenn Qualität und Quantität der Produktion gleichbleiben, jedoch in einer geringeren Arbeitszeit erbracht werden sollen. Insoweit kommt allenfalls eine außerhalb des Katalogs des § 111 S. 3 BetrVG liegende Betriebsänderung in Betracht. Von daher sind der vorübergehende Übergang von einem Mehrschicht- zu einem Einschichtbetrieb sowie die Einführung von Kurzarbeit keine Fälle der Betriebseinschränkung nach § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG.
Rz. 1285
Als Betriebsänderung gilt bereits die Einschränkung eines wesentlichen Betriebsteiles (BAG v. 22.1.1980 – 1 ABR 28/78, NJW 1980, 2094 = ZIP 1980, 568; BAG v. 22.10.1980, NJW1981, 2599 = DB 1981, 698; BAG v. 6.12.1988, NZA 1989, 557 = DB 1989, 883 = BB 1989, 1058: Verneint für die Reinigungsabteilung eines Druckbetriebs). Ein Betriebsteil ist nicht allein deshalb wesentlich, weil in ihm ein notwendiges Vorprodukt gefertigt wird. In der Aufgabe der Eigenproduktion des Vorprodukts kann aber eine grundlegende Änderung des Arbeitsverfahrens i.S.d. § 111 S. 3 Nr. 5 BetrVG liegen (BAG v. 7.8.1990 – 1 AZR 445/89, NZA 1991, 113 = DB 1991, 760 = EzA § 111 BetrVG 1972 Nr. 27). Die Schwellenwerte zur Bestimmung, ob bei einer Einschränkung eines wesentlichen Betriebsteils "erhebliche Teile der Belegschaft" betroffen sind richten sich nach der Zahl der im Gesamtbetrieb, nicht aber in dem betroffenen Betriebsteil tätigen Arbeitnehmer (BAG v. 9.11.2010 – 1 AZR 708/09, NZA 2011, 466 f.).