Joachim Vetter, Dr. iur. Martin Nebeling
Rz. 60
§ 3 Abs. 2 BetrVG sieht vor, dass die Organisationsänderung auch durch – freiwillige – Betriebsvereinbarung vorgenommen werden kann (mit Ausnahme der Nr. 3: Einführung anderer Vertretungsstrukturen). Dies kann im Rahmen seiner originären Zuständigkeit nach § 50 Abs. 1 BetrVG auch durch den Gesamtbetriebsrat erfolgen (sowie durch den Konzernbetriebsrat). Eine solche Betriebsvereinbarung erscheint für zusätzliche Gremien (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 und 5) nicht als problematisch. Schwer vorstellbar ist eine Regelung nach Nr. 1 und 2, weil diese zum Wegfall des die Betriebsvereinbarung abschließenden Betriebsrates führen würde. Diesen als "ruhend" zu betrachten, kann nur bis zum Ablauf seiner Amtszeit helfen – abgesehen davon endet die Amtszeit nach dem Gesetzeswortlaut (§ 3 Abs. 4 S. 2 BetrVG 2001) mit Bekanntgabe des Wahlergebnisses des für die neue Struktur gewählten Gremiums. Wer soll eine solche abgeschlossene Betriebsvereinbarung dann wem gegenüber kündigen können, wenn es denjenigen Partner, der sie abgeschlossen hat, nicht mehr gibt? Kündigungsberechtigt und befugt, Kündigungserklärungen entgegenzunehmen, kann nur das jeweils im Amt befindliche Gremium sein. Kann es sein, dass eine solche Betriebsvereinbarung durch den Gesamt- oder Konzernbetriebsrat abgeschlossen wird, der den gewählten Einzelbetriebsräten – möglicherweise gegen ihren Willen – damit die durch Wahl hervorgerufene Legitimation entziehen kann (so ausdrücklich bejaht von BAG v. 24.4.2013 – 7 ABR 71/11, juris; zur Unwirksamkeit einer Gesamtbetriebsvereinbarung mit dem Inhalt der Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats bei einem bundesweit tätigen Unternehmen mit über 500 Filialen vgl. auch LAG Nürnberg v. 2.9.2022 – 8 TaBV 15/22, juris, und LAG Nürnberg v. 29.11.2022 – 1 TaBV 22/22, juris). Nach der Gesetzeslage erscheint es kaum als möglich, als Voraussetzung für das Inkrafttreten einer solchen Betriebsvereinbarung die Zustimmung aller durch die Änderung betroffenen Gremien zu verlangen (so Richardi/Maschmann, § 3 Rn 86; kritisch hierzu GK/Franzen, § 3 Rn 43, der erwägt, den abweichenden Willen desjenigen Gremiums, das etwa durch eine mit dem Gesamtbetriebsrat geschlossene Betriebsvereinbarung abgeschafft würde, bei der Auslegung zu berücksichtigen, ob eine solche Regelung der sachgerechten Wahrnehmung dient; zum Problem auch DKW/Trümner, § 3 Rn 168 ff., der lediglich rechtsmissbräuchliche Regelungen für unwirksam hält; offengelassen von Fitting, § 3 Rn 72). Eine Regelung durch Betriebsvereinbarung ist nur dann möglich, wenn der Arbeitgeber nicht tarifgebunden ist – jede Tarifbindung schadet, unabhängig davon, ob ein Tarifvertrag besteht und zu welchem Thema – und auch kein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag zur Anwendung kommt.