Joachim Vetter, Dr. iur. Martin Nebeling
Rz. 1516
Streitig ist, ob Regelungen zulässig sein können, die im Ergebnis ausschließlich eine Belastung des Arbeitnehmers bewirken (vgl. hierzu Richardi/Picker, § 77 Rn 123 ff.). Z.T. wird dies abgelehnt. Man wird eine solche Einschränkung in dieser allgemeinen Form nicht annehmen können (so mit Recht GK/Kreutz, § 77 Rn 362 ff.; MünchArbR/Matthes, § 327 Rn 54). So hat auch das BAG die verbindliche Festlegung von Kurzarbeit mit normativer Wirkung für die Arbeitnehmer (BAG v. 14.2.1991 – 2 AZR 415/90, juris), die Einführung von Vertragsstrafen (BAG v. 6.8.1991 – 1 AZR 3/90, juris, mit der Ablehnung deswegen, weil individuelle Regelungen, auch wenn sie schlechter waren, als vorrangig betrachtet wurden) durch Betriebsvereinbarung anerkannt; dasselbe gilt bei der Einführung technischer Einrichtungen zur Überwachung von Arbeitnehmern oder bei der Verlegung der Arbeitszeit auch gegen den Wunsch bestimmter Arbeitnehmer – etwa bei der Einführung von Nachtarbeit – durch Betriebsvereinbarung. Ob dies allerdings so weit geht, dass durch Betriebsvereinbarung etwa die Regelung in § 616 BGB (Aufrechterhaltung des Entgeltanspruchs bei vorübergehender schuldloser Verhinderung) oder § 615 BGB (Annahmeverzug) abbedungen werden könnten, erscheint als zweifelhaft (insgesamt zum Verhältnis von Betriebsvereinbarung und Regelungsabrede zu arbeitsvertraglichen Regelungen vgl. Herrmann, NZA-Beil. Zu Heft 3/2000, 14 ff., 18, die allerdings zu Unrecht bereits die umfassende Regelungskompetenz der Betriebspartner verneint).
Rz. 1517
Eindeutig ist, dass Betriebsvereinbarungen nicht spezielle individuelle Einzelabsprachen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer verschlechtern dürfen, wenn diese keinen kollektiven Bezug oder Einschlag haben. Zur Ablösung von Regelungen mit "kollektivem Einschlag" durch ablösende (umstrukturierende) Betriebsvereinbarung vgl. Rdn 1551 ff.).
Rz. 1518
Die Regelung einer Betriebsvereinbarung, die eine Altersgrenze normiert, die auf die Möglichkeit zum Bezug von Regelaltersrente abstellt (nach BAG v. 13.10.2015 – 1 AZR 853/13, juris, sind Betriebsvereinbarungen, die auf die Vollendung des 65. Lebensjahres abstellen, grundsätzlich entsprechend auszulegen), ist grundsätzlich von der Regelungskompetenz der Betriebsparteien umfasst (BAG v. 21.2.2017 – 1 AZR 292/15, juris). Allerdings müssen solche Altersgrenzen mit höherrangigem Recht vereinbar sein (§ 75 Abs. 1 und Abs. 2 BetrVG; § 14 TzBfG, BAG v. 13.10.2015 – 1 AZR 853/13, juris). Die Befugnis besteht zumindest dann, wenn die Arbeitsvertragsparteien ihren Arbeitsvertrag insoweit "betriebsvereinbarungsoffen" – also abänderbar oder ausgestaltbar durch Betriebsvereinbarungen – gestaltet haben (BAG v. 5.3.2013 – 1 AZR 417/12, juris; LAG Baden-Württemberg v. 25.5.2016 – 21 Sa 42/15, juris). Haben sie das, gilt kein Günstigkeitsprinzip, kommt vielmehr die nachfolgende Betriebsvereinbarung unabhängig davon zur Anwendung, ob sie schlechter ist. Interessant an der Entscheidung ist, dass das BAG diese "Betriebsvereinbarungsoffenheit" schon deswegen angenommen hat, weil in den Einstellungsbedingungen auf die Arbeitsordnung verwiesen war, in der eine Betriebsrentenzusage bei Erreichen eines bestimmten Alters enthalten war.
Rz. 1519
Eine solche Altersgrenze ist nicht wegen Altersdiskriminierung unwirksam, weil sie gerechtfertigt ist (BAG, a.a.O.) Dem Gesetzeszweck des mehrfach geänderten § 41 SGB VI dürfte Genüge geleistet sein, wenn das Ausscheiden – auch in Tarifverträgen sind derartige Altersgrenzen üblich – auf den Zeitpunkt festgelegt wird, in dem auch die gesetzliche Altersrente ohne Abzüge bezogen werden kann. Ein Verstoß gegen Unionsrecht liegt nicht vor (EuGH v. 5.7.2012 – C-141/11 [Hörnfeldt]; EuGH v. 12.10.2010 – C-45/09 [Rosenbladt]).