Joachim Vetter, Dr. iur. Martin Nebeling
Rz. 803
In Betrieben mit mindestens fünf Arbeitnehmern,
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die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder |
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die zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind (die zusätzliche Einschränkung, dass sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, ist durch das BetriebsrätemodernisierungsG vom 14.6.2021 entfallen), |
ist gem. § 60 Abs. 1 BetrVG eine Jugendvertretung zu wählen, die gem. § 62 Abs. 1 BetrVG aus bis zu fünfzehn (in Betrieben mit i.d.R. mehr als 1000 Arbeitnehmern) Jugend- und Auszubildendenvertretern bestehen kann. Für die Besetzung ist entsprechend der Regelungen zum Betriebsrat der Geschlechterschutz eingeführt worden (§ 62 Abs. 3 BetrVG 2001).
Rz. 804
Die Jugend- und Auszubildendenvertretung hat ein Vetorecht gem. § 66 BetrVG, denn sie kann eine zeitweise – einwöchige – Aussetzung der Beschlüsse des Betriebsrates erreichen. Die Jugendvertretung kann zu allen Sitzungen des Betriebsrates einen Vertreter entsenden, der aus den Reihen der gewählten Jugendvertreter kommen muss; aus diesem Grund hat der Betriebsratsvorsitzende den von der Jugendvertretung benannten Vertreter einzuladen. Eine solche Benennung ist generell, für einen bestimmten Zeitraum oder eine bestimmte Sitzung möglich. Hat die Jugendvertretung keinen Vertreter benannt, so ist die Ladung dem Vorsitzenden der Jugend- und Auszubildendenvertretung auszuhändigen.
Rz. 805
Streitig ist, ob der benannte Vertreter auch an Sitzungen von Ausschüssen des Betriebsrates teilnehmen darf. Dies dürfte zu bejahen sein, zumindest soweit dies den Betriebsausschuss und weitere Aufgaben betrifft, die auf Ausschüsse nicht nur zur Vorbereitung, sondern auch zur selbstständigen Erledigung übertragen sind (Einzelheiten vgl. bei Richardi/Annuß, § 67 Rn 18). Der Zweck, der Jugendvertretung ausreichend Informationen über die durch den Betriebsrat behandelnden Geschehnisse zu gewährleisten, wäre sonst nicht in ausreichendem Maß erfüllt. Der entsandte Vertreter kann sich an den Beratungen des Betriebsrates beteiligen. Er hat, soweit nicht die besonderen Voraussetzungen des § 67 Abs. 2 BetrVG erfüllt sind, kein Stimmrecht im Betriebsrat.
Rz. 806
Die gesamte Jugendvertretung hat gem. § 67 Abs. 1 S. 2 BetrVG ein besonderes Teilnahmerecht an den Sitzungen des Betriebsrates, wenn Angelegenheiten behandelt werden, die besonders die Jugendlichen und Auszubildenden betreffen; gem. § 67 Abs. 2 BetrVG hat sie in Angelegenheiten, die überwiegend Jugendliche oder Auszubildende betreffen auch ein Stimmrecht. Bei der Frage der besonderen Betroffenheit kommt es auf die qualitative Betroffenheit, bei der Frage der überwiegenden Betroffenheit auf die Zahl der betroffenen Jugendlichen und Auszubildenden im Verhältnis zur Zahl der insgesamt betroffenen Arbeitnehmer an. Bei der besonderen Betroffenheit ist etwa an die Errichtung eines Sportplatzes als Sozialeinrichtung für die Auszubildenden oder an die Ordnung der Ausbildungswerkstätte zu denken. Ein Fall quantitativer Betroffenheit, in dem die Mitglieder der Jugendvertretung sogar Stimmrecht besitzen, liegt vor, wenn es um die Einstellung, Versetzung oder Kündigung von Jugendlichen oder Auszubildenden geht (sehr streitig; nach a.A. verlangt das Wort "überwiegend", dass es sich um eine kollektive Maßnahme handelt, sodass bei personellen Einzelmaßnahmen kein Stimmrecht gegeben ist, vgl. hierzu GK-BetrVG/Oetker, § 67 Rn 34 ff), oder um die Freistellung von Jugendvertretern zu Schulungsveranstaltungen. Hat die Jugendvertretung Stimmrecht, so werden die Stimmen bei der Beschlussfassung nach § 33 Abs. 3 BetrVG mitgezählt. Für die Frage der Beschlussfähigkeit des Betriebsrats hat die Anwesenheit der Jugendvertreter auch in diesen Fällen aber keine Bedeutung.
Rz. 807
Die Jugend- und Auszubildendenvertretung hat nicht nur die Aufgabe, an den Sitzungen des Betriebsrates teilzunehmen. Sie kann auch selbst Sitzungen abhalten (§ 65 Abs. 2 BetrVG). Wie der Betriebsrat kann auch sie ihren Willen nur auf einer ordnungsgemäßen Sitzung bilden. Der Betriebsrat ist von den Sitzungen vorher zu verständigen, um seinerseits einen Beauftragten zu diesen Sitzungen entsenden zu können. Ein Einverständnis des Betriebsrates zu den Sitzungen ist nicht erforderlich. Die ordnungsgemäße Verständigung des Betriebsrates ist nicht Wirksamkeitsvoraussetzung für die durch die Jugendvertretung gefassten Beschlüsse. Derartige Beschlüsse haben aber ohnehin keine Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber. Die Jugendvertretung stellt nämlich kein eigenständiges Repräsentationsorgan dar. Die Jugendvertretung hat weder eigene Mitwirkungs- noch Mitbestimmungsrechte gegenüber dem Arbeitgeber noch kann sie eigene Betriebsvereinbarungen abschließen. Vielmehr hat sie die Aufgabe, den Betriebsrat bei dessen Jugendarbeit zu unterstützen, muss eventuelle Anträge über den Betriebsrat an den Arbeitgeber heranbringen. Aus diesem Grund muss auch über Schulungs- und Bildungsmaßnahmen für Jugend- und Auszubildendenvertreter, die nach § 37 Abs. 6 und 7 BetrVG unter denselben Voraussetzungen vom Arbeit...