Joachim Vetter, Dr. iur. Martin Nebeling
Rz. 1140
Eine Eingruppierung i.S.v. § 99 BetrVG besteht in der rechtlichen Beurteilung des Arbeitgebers, dass der Arbeitnehmer aufgrund seiner Tätigkeit einer bestimmten Vergütungsgruppe zuzuordnen ist.
Rz. 1141
Eine Eingruppierung oder Umgruppierung liegt aber nur dann vor, wenn es sich um die erstmalige Einreihung oder die Änderung der Zuordnung einer Tätigkeit des Arbeitnehmers in das kollektive Entgeltschema handelt. Sie erfolgt unter Bewertung von Faktoren, die über die Wertigkeit der jeweiligen Arbeitnehmertätigkeiten im Verhältnis zueinander von Bedeutung sind, erfasst daher auch die zutreffende Beschäftigungszeit einer bestimmten Vergütungsgruppe, wenn sich daraus ein unterschiedliches Entgelt ergibt (BAG v. 13.11.2013 – 4 ABR 16/12, juris). Sie bezieht sich jedoch nicht auf sonstige Gesichtspunkte außerhalb der Merkmale der Vergütungsgruppe, auch wenn diese sich auf die Höhe des Entgelts auswirken. Das Mitbestimmungsrecht erstreckt sich daher nicht auf die Frage, ob Beschäftigte Anspruch auf Familienzuschläge nach Tarifvertrag haben (BAG v. 19.10.2011 – 4 ABR 119/09, juris).
Rz. 1142
Hinweis
Die Reichweite des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei der Ein- und Umgruppierung beschränkt sich nicht auf die bloße Einreihung der Tätigkeit des entsprechenden Arbeitnehmers in eine bestimmte Vergütungsgruppe. Das Mitbestimmungsverfahren nach § 99 BetrVG ist ein einheitliches Verfahren, das die Ein- oder Umgruppierung in all ihren Teilen erfasst. Umfasst die Eingruppierungsentscheidung mehrere Fragestellungen, kann der Arbeitgeber das Mitbestimmungsverfahren nicht auf einzelne Teile beschränken. Eine Eingruppierung, hinsichtlich derer die fehlende Zustimmung des Betriebsrats ersetzt werden könnte, liegt nur dann vor, wenn alle Teilfragen zutreffend beurteilt worden sind. Eine "Teileingruppierung" steht einer unrichtigen, unzutreffenden Eingruppierung gleich. Dementsprechend umfasst das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats alle Faktoren, die im Zusammenhang mit einer Eingruppierung zu einem unterschiedlichen Entgelt führen können (BAG v. 17.11.2021 – 7 ABR 40/19, juris). Das gilt beispielsweise für die Zuordnung der Anzahl der Berufsjahre zu einer bestimmten Vergütungsgruppe (BAG v. 26.4.2017 – 4 ABR 37/14, juris) oder die zutreffende Beschäftigungszeit in einer bestimmten Vergütungsgruppe, wenn sich daraus ein unterschiedliches Entgelt ergibt (BAG v. 13.11.2013 – 4 ABR 16/12, juris). Gleiches gilt bei einer Änderung der Stufen einer Entgelttabelle, wie sie z.B. § 16 Abs. 3 TVöD (VKA) vorsieht, weil sich daraus ein unterschiedliches Entgelt im Vergleich zur niedrigeren Stufe ergibt. Dies gilt selbst dann, wenn eine Höherstufung allein durch Zeitablauf erfolgt (BAG v. 29.1.2020 – 4 ABR 26/19, juris; BAG v. 6.4.2011 – 7 ABR 136/09, juris) und keinem Beurteilungsspielraum des Arbeitgebers unterliegt, sondern einen Akt der Rechtsanwendung darstellt (BAG v. 20.10.2021 – 7 ABR 14/20). In all diesen Fällen gibt die Arbeitgeberin mit ihrem Antrag nach § 99 Abs. 1 BetrVG eine rechtliche Einschätzung über die aus ihrer Sicht zutreffende Eingruppierung nach der betrieblichen Vergütungsordnung ab, hinsichtlich derer dem Betriebsrat ein Mitbeurteilungsrecht zusteht (BAG v. 17.11.2021 – 7 ABR 40/19, juris). Erst wenn der Betriebsrat dieses Recht ausgeübt hat, ist geklärt, ob zwischen den Betriebsparteien Streit über die zutreffende, je nach Vergütungsordnung ggf. aus mehreren Elementen bestehende Eingruppierung besteht (BAG v. 20.1.2021 – 4 ABR 1/20, juris).
Rz. 1143
Diese Beurteilung hat der Arbeitgeber grds. bei jeder Einstellung und Versetzung vorzunehmen; dies folgt bereits aus § 99 Abs. 1 S. 2 BetrVG, der für diese Fälle die Unterrichtung über die vorgesehene Eingruppierung ausdrücklich vorschreibt. Die vom Arbeitgeber vorgenommene Eingruppierung hat nur deklaratorische Wirkung und lässt die Rechtsstellung des Arbeitnehmers unberührt (BAG v. 22.3.1983 – 1 ABR 49/81, juris). Zwar ist im Fall der Versetzung der Arbeitnehmer regelmäßig aufgrund seiner bisherigen Tätigkeit bereits einer bestimmten Vergütungsgruppe zugeordnet. Eine Versetzung ist aber nach § 95 Abs. 3 BetrVG stets mit der Zuweisung eines anderen Arbeitsbereiches verbunden. Daher muss der Arbeitgeber auch in diesem Fall die Eingruppierung des Arbeitnehmers überprüfen. Gelangt er hierbei zu dem Ergebnis, dass aufgrund der geänderten Tätigkeit der Arbeitnehmer einer anderen Vergütungsgruppe zuzuordnen ist, handelt es sich um eine Umgruppierung. Ergibt die Prüfung, dass es trotz geänderter Tätigkeit bei der bisherigen Zuordnung verbleibt, liegt eine erneute Eingruppierung nach § 99 Abs. 1 BetrVG vor. Ob eine Eingruppierung oder Umgruppierung vorliegt, ist also das Ergebnis der vom Arbeitgeber anzustellenden und nach § 99 BetrVG gemeinsam mit dem Betriebsrat vorzunehmenden Prüfung (zuletzt BAG v. 16.3.2016 – 4 ABR 8/14, juris).
Rz. 1144
Hinsichtlich der Gewährung einer Zulage ist zu unterscheiden, ob diese über die Stellung des Arbeitnehmers innerhalb des Vergü...