I. Unfall im öffentlichen Straßenverkehr
1. Unfall
a) Nicht motorisierte Verkehrsteilnehmer
Rz. 70
Auch wenn nur Fußgänger an einem Schadensereignis beteiligt sind und nicht nur ein gänzlich belangloser Fremdschaden entstanden ist, liegt ein Unfall vor (BGHSt 12, 253). Ein Unfall liegt sogar dann vor, wenn ein Reiter bzw. sein Pferd einen Fußgänger verletzt (OLG Celle zfs 1996, 312), auch dann, wenn z.B. im Rahmen der Müllabfuhr durch wegrollende Mülltonnen (LG Berlin NJW 2007, 1374; NZV 2007, 322) oder einen Einkaufswagen auf einem Parkplatz (OLG Stuttgart VRS 47, 15; OLG Koblenz MDR 1993, 366; a.A. OLG Düsseldorf NZV 2012, 194 und OLG Düsseldorf NZV 2012, 350) ein Schaden entsteht.
b) Unfall auch bei Vorsatz?
Rz. 71
Nach h.M. wird das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal "ungewollt" weit ausgelegt, so dass es selbst bei vorsätzlicher Schädigung (hier Rammen bei Polizeiflucht) erfüllt sein kann (BGHSt 24, 382), daran ändert auch nichts, wenn die Person und das Fahrzeug des Verursachers bekannt sind (BGHSt 48, 233).
Rz. 72
Von einem Unfall i.S.d. § 142 StGB kann allerdings dann nicht die Rede sein, wenn das Ergebnis nicht mit dem Straßenverkehr und seinen Gefahren ursächlich zusammenhängt, sondern Folge einer deliktischen Planung ist (BGH DAR 2002, 132, hier wurden Mülltonnen von fahrenden Autos aus auf die Straße geworfen, so dass geparkte Fahrzeuge beschädigt wurden).
Rz. 73
Ansonsten können vorsätzliche Schädigungen aus dem Tatbestand nur herausfallen, wenn es sich um einen gestellten Unfall gehandelt hat, also sämtliche Parteien den Unfall gewollt haben (BayObLG NZV 1992, 326).
Rz. 74
Ein Unfall setzt im Übrigen nicht einen unmittelbaren Zusammenhang mit einem Verkehrsverstoß voraus und kann z.B. auch in einer durch auslaufende Flüssigkeit unbeabsichtigt verursachten Kanalisationsverunreinigung liegen (LG Wuppertal NZV 1988, 78).
2. Öffentlicher Straßenverkehr
Rz. 75
Der Unfall muss sich im öffentlichen Straßenverkehr ereignet haben. Der Begriff definiert sich nach verkehrsrechtlichen und nicht nach öffentlich-rechtlichen Gesichtspunkten. Er ist identisch mit dem in den §§ 316 ff. StGB verwandten (zu Einzelheiten siehe § 37 Rdn 13 ff.). Zum öffentlichen Verkehr gehören neben dem Fußgängerverkehr (OLG Stuttgart VRS 18, 117; BayObLG VRS 57, 404) und Fußwegen (BGHSt 22, 367) auch öffentlich zugängliche (private) Grundstücke bzw. Parkplätze von Gewerbebetrieben, auch wenn sie nur für Kunden und Besucher freigegeben sind (BGHSt 16, 7), auch Tankstellen oder Waschstraßen (OLG Oldenburg zfs 2018, 532). Der Unfall muss sich im unmittelbaren Zusammenhang mit den spezifischen Gefahren des Straßenverkehrs ereignet haben (BGH VRS 59, 10), was z.B. auch zu bejahen ist, wenn ein im öffentlichen Verkehrsraum stehendes Fahrzeug durch einen geschobenen Müllcontainer (LG Berlin NStZ 2007, 100) oder ein Pkw auf einem Kaufhausplatz durch einen Einkaufswagen beschädigt wird (OLG Koblenz MDR 1993, 366; a.A. OLG Düsseldorf NZV 2012, 350). Streitig ist auch, ob ein im Zusammenhang mit dem Beladen eines stehenden Fahrzeuges eingetretener Schaden unter den Tatbestand fällt (verneint von AG Berlin, Tiergarten DAR 2009, 45, bejaht von OLG Köln zfs 2011, 588). Keine öffentliche Verkehrsfläche sind jedoch z.B. Hofflächen, die nur den Hausbewohnern und ihren Besuchern zur Verfügung stehen (BGH zfs 1998, 353; OLG Hamm zfs 2008, 351) oder Teile eines Betriebsgeländes, das zwar der Anlieferung von Waren dient, aber nur durch Öffnen einer Eingangsschranke erreicht werden kann (LG Arnsberg zfs 2017, 111) oder Tiefgaragen mit fest vermieteten Stellplätzen (OLG Hamburg DAR 84, 89). Nicht zum öffentlichen Straßenverkehr gehören schließlich auch Vorgänge im Bahn- Luft- oder Schiffsverkehr (BGHSt 14, 116) oder auf Ski-Pisten (BayObLG VRS 13, 353).
3. Schaden
a) Belanglose Schäden
Rz. 76
Es muss ein nicht völlig belangloser Fremdschaden entstanden sein. Völlig belanglos ist ein Schaden dann, wenn üblicherweise kein Schadenersatzanspruch gestellt wird (OLG Hamm VRS 59, 258), wie z.B. bei einer bloßen Verbiegung des Nummernschildes (OLG Düsseldorf VRS 78, 109) oder generell bei Schäden bis zu 20 EUR, maximal 25 EUR (OLG Düsseldorf NZV 1990, 158; DAR 1997, 117).
Rz. 77
Tipp
Nach neuerer Rechtsprechung sind Schäden bis zu 50 EUR noch belanglose Schäden (LG Gießen DAR 1997, 364; OLG Nürnberg DAR 2007, 530). Dieser Rechtsprechung ist zuzustimmen, zumal sie lediglich die bisher herrschende Rechtsprechung unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen Kostensteigerungen fortschreibt. Schönke/Schröder sieht gar Schäden bis zu 150 EUR als belanglos i.S.d. § 142 StGB an.
Rz. 78
Achtung: Bagatellverletzungen
Geringfügige Verletzungen ("Bagatellverletzungen"), für die die Rechtsprechung kein Schmerzensgeld zubilligt, wie z.B. geringfügige Hautabschürfungen (OLG Hamm DAR 1958, 308) – nach dem 2. Schadensrechtsänderungsgesetz gilt dies wohl auch für darüberhinausgehende leichte Verletzungen – reichen nicht aus.
b) Berechnung
Rz. 79
Maßgeblich für die Schade...