1. Ermöglichen der Feststellungen

 

Rz. 120

Der Unfallbeteiligte hat eine passive Feststellungsduldungspflicht, d.h. er muss – wenn ein fremdes Feststellungsinteresse besteht – ohne sich zu verstecken am Unfallort warten (OLG Hamm NJW 1977, 207).

 

Rz. 121

 

Achtung: Anwesenheit am Unfallort Voraussetzung

Die Warte- und damit die Feststellungsduldungspflicht treffen allerdings nur denjenigen, der sich zum Zeitpunkt des Unfalls am Unfallort befindet. Wer erst nachträglich am Unfallort eintrifft, wie z.B. ein Falschparker oder derjenige, dessen Fahrzeug infolge mangelhafter Sicherung in seiner Abwesenheit wegrollt und Fremdschaden anrichtet (LG Mannheim zfs 1998, 352), hat keine Wartepflicht (BayObLG VRS 72, 72; OLG Jena DAR 2004, 599).

 

Rz. 122

Es wird vom Unfallbeteiligten nur das Dulden der Unfallaufklärung und kein eigenständiges Handeln verlangt (OLG Saarbrücken zfs 2001, 518). Er ist auch nicht verpflichtet, von sich aus Feststellungsinteressenten aufzusuchen (OLG Stuttgart VRS 73, 191); sobald jedoch der Berechtigte oder feststellungsbereite Dritte eintreffen, muss er sich als möglicher Unfallbeteiligter vorstellen (Vorstellungspflicht).

Nach Auffassung des BGH (DAR 2018, 523) erfüllt deshalb auch derjenige, der den Unfallort zwar erst nach der letzten feststellungsbereiten Person verlässt, zuvor aber seine Vorstellungspflicht verletzt hat, den Tatbestand. Der Geschädigte hat nämlich keine Erkundigungspflicht (LG Saarbrücken NZV 2018, 436).

Umstritten ist, ob der Unfallbeteiligte seine Rolle offenbaren, sich z.B. unter mehreren Fahrzeuginsassen als Fahrer zu erkennen geben muss (verneint von BayObLG NZV 1993, 35). Leugnen darf er seine Unfallbeteiligung auf jeden Fall nicht (KG VRS 67, 263). Ist seine Unfallbeteiligung bereits bekannt, braucht er sich nicht mehr vorzustellen (BayObLG NZV 1993, 35).

2. Feststellungsbereite Dritte

 

Rz. 123

Neben den Unfallbeteiligten sowie den Unfallgeschädigten kommen auch Dritte als feststellungsbereite Personen in Betracht, sofern sie bereit und in der Lage sind, zugunsten des Berechtigten Feststellungen zu treffen (BayObLG zfs 1983, 92; OLG Zweibrücken DAR 1992, 389). Hierbei kommen vor allem Anwohner oder Bekannte des Geschädigten (OLG Stuttgart VRS 60, 300), aber auch Mitfahrer des Schädigers (OLG Koblenz NZV 1996, 325), vor allem der mitfahrende Halter (LG Kaiserslautern zfs 2004, 590) infrage.

 

Rz. 124

Kinder kommen i.d.R. ebenso wenig als feststellungsbereite Dritte in Betracht wie Personen, an deren Zuverlässigkeit Zweifel bestehen (OLG Koblenz VRS 49, 180; BayObLG zfs 1983, 92).

 

Rz. 125

In aller Regel sind Hilfspersonen (Feuerwehr, Notarzt oder Abschlepper) – im Gegensatz zur Polizei (OLG Stuttgart NJW 1978, 900) – keine feststellungsbereiten Dritte (KG VRS 67, 258).

3. Abwarten bis zum Eintreffen der Polizei

a) Nur wenn noch Beweissicherungs- oder Feststellungsinteresse besteht

 

Rz. 126

§ 142 StGB schützt alleine das zivilrechtliche Feststellungsinteresse des Geschädigten. Der Schädiger darf sich deshalb grundsätzlich entfernen, sobald der Geschädigte über alle zur Schadensregulierung erforderlichen Angaben verfügt.

Nichts anderes gilt, wenn anstelle des Geschädigten feststellungsbereite Dritte die Angaben des Unfallbeteiligten entgegengenommen haben (OLG Köln VRS 64, 193; OLG Koblenz NZV 1996, 325). Das gilt auch in Fällen, in denen der Geschädigte zwar auf eine Unfallaufnahme durch die Polizei besteht, er aber keinen eigenen Versuch unternimmt, von dem wartewilligen Unfallbeteiligten dessen Personalien zu erfragen (LG Saarbrücken NZV 2018, 436) oder wenn der Unfallbeteiligte nur der Polizei gegenüber seine Personalien angeben will, der Geschädigte sich aber weigert, die Polizei zu rufen (OLG Hamburg StraFo 2017, 339; DAR 2018, 388).

b) Aufforderung, Eintreffen der Polizei abzuwarten

 

Rz. 127

Umstritten ist die Rechtslage, wenn der Geschädigte oder feststellungsbereite Dritte den Unfallfahrer aufgefordert hatte, das Eintreffen der Polizei abzuwarten.

Grundsätzlich besteht eine Pflicht abzuwarten nur, soweit noch nicht alle für die Schadensregulierung relevanten Feststellungen getroffen sind (OLG Zweibrücken zfs 1989, 322; NZV 1990, 78; LG Saarbrücken Beschl. v. 12.11.2018 – 8 Qs 116/18).

 

Rz. 128

Spielt die Frage der Fahrerlaubnis oder der Alkoholisierung des Fahrers, auf deren Feststellung der Geschädigte ohnehin wirksam verzichten kann (OLG Saarbrücken zfs 2001, 518) für die Beurteilung der zivilrechtlichen Haftung keine Rolle – scheidet also der Einwand einer Mithaftung sowohl aus Verschulden als auch aus der Betriebsgefahr aus – braucht der Unfallfahrer trotz der Aufforderung des Geschädigten das Eintreffen der Polizei nicht abzuwarten (BGH VRS 5, 359; BayObLG zfs 1983, 220; NZV 1992, 245; OLG Zweibrücken NZV 1992, 371; OLG Koblenz NZV 1996, 324; LG Kaiserslautern zfs 2004, 590; LG Saarbrücken Beschl. v. 12.11.2018 – 8 Qs 116/18).

Die gegenteilige Auffassung des BayObLG (NZV 1992, 245) und des OLG Köln (NZV 1999, 173) ist nur für die Fälle haltbar, in denen nicht die 100 %ige Haftung des Unfallfahrers feststeht, also das Beweissicherungsinteresse des Geschädigten noch fortbesteht. Zu Recht verneint deshalb das OLG Saarbrücken (zfs 2001, 518) zumindest dann die Verpflichtung eines Unfallbeteiligten, zur F...

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