1. Stillschweigend
Rz. 137
Der Berechtigte kann – auch stillschweigend – auf Feststellungen verzichten. Ein solcher Verzicht kann z.B. bereits im Schweigen des Geschädigten auf die Unfallmitteilung oder darin liegen, dass dieser darauf verzichtet, die Polizei zu rufen, auch wenn der Schädiger nur bereit war, seine Personalien von dieser feststellen zu lassen (OLG Hamburg NZV 2018, 33). Er kann aber auch darin liegen, dass der Geschädigte die Unfallstelle verlässt (OLG Oldenburg NZV 1995, 159). Dies allerdings nur dann, wenn er den Unfallgegner nicht ausdrücklich zum weiteren Verbleiben aufgefordert hat und sein Weggehen erkennbar keinen Verzicht bedeutet, er z.B. die Polizei informieren oder Hilfe holen will (BayObLG VRS 65, 280).
2. Verzicht eines Kindes
Rz. 138
Zum Verzicht ist die Geschäftsfähigkeit des Berechtigten grundsätzlich nicht erforderlich, da durch den Verzicht lediglich eine Beweisposition und nicht Ansprüche aufgegeben werden.
Dennoch kann die Wirksamkeit eines von einem Jugendlichen abgegebenen Verzichtes streitig sein (BayObLG zfs 1991, 320; OLG Düsseldorf NZV 1991, 77). Ein Kind kann vor allem dann nicht wirksam verzichten, wenn es nach dem Unfall verletzt, verwirrt oder eingeschüchtert ist (OLG Hamm VRS 23, 102; OLG Karlsruhe VRS 36, 350).
3. Am Unfallort
Rz. 139
Der Geschädigte kann den Umfang seines Verzichtes selbst bestimmen. So kann er z.B. von weiteren Feststellungen am Unfallort selbst Abstand nehmen und einvernehmlich einen anderen Treffpunkt vereinbaren (OLG Köln DAR 1989, 153).
Rz. 140
Kommt es dort z.B. über die Schadenshöhe zum Streit, braucht der Schadensverursacher weder das Erscheinen der Polizei abzuwarten (OLG Hamburg VRS 56, 344), noch hat er eine Rückkehrpflicht (BayObLG bei Bär, DAR 1988, 365).
Hält der Unfallverursacher den vereinbarten Treffpunkt aber absichtlich nicht ein, macht er sich strafbar (OLG Düsseldorf VRS 68, 449), wenn er die Feststellungen nicht unverzüglich nachträglich ermöglicht.
4. Erschlichener Verzicht
Rz. 141
Unbeachtlich ist der Verzicht dann, wenn er erschlichen wurde, so z.B. wenn der Betroffene über seine Identität und Anschrift täuscht (OLG Stuttgart VRS 63, 203) oder wenn er vorspiegelt, er werde für den Schaden aufkommen und keine Einwendungen erheben (OLG Köln VRS 50, 344).
5. Mutmaßliche Einwilligung
Rz. 142
Mutmaßliche Einwilligung kommt dann in Betracht, wenn der Berechtigte nicht erreichbar ist und deshalb weder ausdrücklich noch stillschweigend auf Feststellungen verzichten kann, aber angenommen werden darf, dass er in Kenntnis des Sachverhaltes auf Feststellungen verzichten würde und der Unfallbeteiligte dies auch erwarten konnte (OLG Zweibrücken DAR 1982, 332; BayObLG NZV 1992, 413).
Eine mutmaßliche Einwilligung kann allerdings nur dann angenommen werden, wenn der Betroffene den Berechtigten nicht sofort erreichen kann, ein nach der Haftungslage eindeutiger Sachschaden entstanden ist und zwischen den Parteien besondere persönliche Beziehungen bestehen (OLG Köln VRS 66, 128; BayObLG zfs 1986, 348).
Naheliegend ist eine mutmaßliche Einwilligung bei Verwandten und Nachbarn (OLG Hamburg NJW 1960, 1482; BayObLG zfs 1985, 348; OLG Düsseldorf NZV 1991, 77), Arbeitskollegen oder Arbeitnehmern/Arbeitgebern (BayObLG NZV 1992, 413).
Nach h.M. ist ein mutmaßlicher Verzicht des Leasinggebers immer dann anzunehmen, wenn der Leasingnehmer auch für Zufall haftet (OLG Frankfurt NZV 1991, 34; OLG Hamm NZV 1992, 240; gegen: OLG Oldenburg NZV 1991, 35 und – für den Fall der Miete – LG Darmstadt MDR 1988, 1072).
Rz. 143
Tipp
Eine mutmaßliche Einwilligung kann generell immer dann angenommen werden, wenn darauf geschlossen werden kann, dass der Halter an der Hinzuziehung der Polizei ebenfalls nicht interessiert ist, so z.B. wenn der an der Unfallstelle nicht anwesende allein geschädigte Halter dem Fahrer in Kenntnis der Tatsache, dass dieser keine Fahrerlaubnis hat, sein Fahrzeug überlassen hat (OLG Köln zfs 2002, 305; KG NZV 2002, 409).
6. Teilfreispruch
Rz. 144
Ist eine Unfallflucht nicht nachzuweisen und es kann nur eine Verurteilung wegen der zugrundeliegenden Ordnungswidrigkeit erfolgen, muss bezüglich der Unfallflucht ein Teilfreispruch ergehen (OLG Koblenz SVR 2016, 395).