1. Grundverfügung: Wegfahrgebot

 

Rz. 2

Denkbar ist hier zunächst eine Vollstreckungsmaßnahme nach zuvor erlassener Grundverfügung. Danach kann der VA, der auf Vornahme einer Handlung gerichtet ist (hier: ein auf Wegfahren des Fahrzeugs gerichteter VA), mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, wenn er unanfechtbar ist oder wenn ein Rechtsbehelf gegen ihn keine aufschiebende Wirkung hat.

2. Wegfahrgebot

 

Rz. 3

Die Grundverfügung kann hier liegen:

in einer ein Gebot oder Verbot beinhaltenden Verkehrsregelung (hierzu siehe § 44 Rdn 1 ff.)[1] durch Verkehrszeichen[2] oder einer Verkehrseinrichtung i.S.d. § 13 StVO[3]/§ 43 StVO[4] oder

in einer auf der Grundlage

einer Sicherstellung i.S.d. Polizei- und Ordnungsrechts,[5] ,[6]

  • um eine Gefahr abzuwehren,
  • um den Eigentümer oder den rechtmäßigen Inhaber der tatsächlichen Gewalt vor Verlust oder Beschädigung einer Sache zu schützen bzw.

der polizeilichen Generalklausel

  • Schutz des Staates und seiner Einrichtungen,[7]
  • Unverletzlichkeit der objektiven Rechtsordnung,[8]
  • Subjektive Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen,[9]

ergangenen Verfügung, die auf das Wegfahren des Fahrzeugs gerichtet ist.

[1] Siehe dazu die sog. Verkehrszeichen-Rspr., vgl. z.B. BVerwG NVwZ 1988, 623; zfs 1997, 196.
[2] So beinhaltet z.B. das Haltverbot (StVO, Zeichen 283) zunächst jedes Halten auf der Fahrbahn (§ 41 Abs. 2 Nr. 8 StVO). Darüber hinaus enthält es ein immanentes Wegfahrgebot. Die Gebote und Verbote beinhaltenden Verkehrszeichen sind in analoger Anwendung des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VwGO sofort vollziehbar (BVerwG NVwZ 1988, 623; zfs 1997, 196; HambOVG zfs 2001, 527; VGH BW NVwZ-RR 2003, 558; VBlBW 2004, 29, 30 = NJW 2003, 3363; VGH BW, Urt. v. 17.6.2003 – 1 S 2025/01, VerkMitt. 2004, 7; Kopp/Schenke, § 80 Rn 64).
[3] Aufgrund eines aufgestellten Parkscheinautomaten (§ 13 Abs. 1 S. 1 StVO) und der auf die Parkscheinpflicht hinweisenden Schilder, ist der Verkehrsteilnehmer verpflichtet, sein verbotswidrig (da nicht unter Ziehung eines Parkscheins) abgestelltes Fahrzeug unverzüglich zu entfernen (VG Gießen v. 9.8.1995 – 7 E 1147/94 (1), Ls. in zfs 1996, 39). Auch Parkuhren beinhalten nach Ablauf der Parkzeit oder sofern sie gar nicht bedient wurden, ein immanentes Wegfahrgebot für das dort abgestellte Fahrzeug, das auch sofort vollziehbar ist (BVerwG NJW 1980, 850; DVBl 1983, 1066; DÖV 1988, 694 = NVwZ 1988, 623; NJW 1982, 348; 1978, 656; HessVGH v. 15.6.87 – 11 UE 318/94; VG Saarland, Urt. v. 8.10.88 – 5 K 209/87; vgl. dazu auch HambOVG zfs 2001, 527). Die Gebote und Verbote sind in analoger Anwendung des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VwGO sofort vollziehbar (BVerwG NVwZ 1988, 623; HambOVG zfs 2001, 527).
[4] Auch von Verkehrseinrichtungen (Schranken, Sperrpfosten, Absperrgeräte, vgl. § 43 StVO) können Verwaltungsakte ausgehen. Nach der Rechtsprechung des BVerwG kommt Verkehrseinrichtungen der Charakter von Verwaltungsakten dann zu, wenn mit ihnen eine selbstständig regelnde Wirkung beabsichtigt ist und von ihnen erkennbar ausgeht (vgl. BVerwG DÖV 1988, 694; OVG Saarland VerkMitt. 2003, 46).
[5] Vgl. § 21 ME PolG; § 32 PolG BW; Art. 25 BayPAG; § 38 ASOG Bln; § 25 BbgPolG; § 23 BremPolG; § 14 HambSOG; § 40 HessSOG; § 61 SOG Meckl.-Vorp.; § 26 NdsSOG; § 43 PolG NRW; § 22 Rheinl-Pf.POG; § 21 SPolG; § 45 SOG LSA; § 26 SächsPOlG; § 210 LVwG Schlesw.-Holst.; § 27 ThürPAG.
[6] Da bei der Sicherstellung der Wille der abschleppenden Behörde in erster Linie darauf gerichtet sein muss, die Sache, hier also das Kfz, in Verwahrung zu nehmen und andere von der Besitzmöglichkeit auszuschließen, liegt jedenfalls dann keine Sicherstellung vor, wenn es ihr nur auf das Entfernen des Fahrzeugs ankommt, OVG Meckl.-Vorpommern, LKV 2006, 225, 226; NdsOVG zfs 1994, 468 m.w.N. Die Sicherstellung kommt damit insb. in Betracht zur Eigentumssicherung eines zuvor gestohlen gemeldeten Pkws (HessVGH NJW 1999, 3793 = zfs 1999, 445) oder zur Eigentumssicherung eines verunglückten und von der Polizei geborgenen Kfz (VG d. Saarl. zfs 2000, 370). Zum Abschleppen aufgrund einer Sicherstellung i.S.d. Polizei- und Ordnungsrechts siehe unten § 45 Rdn 21 ff.
[7] Z.B. rechtswidrig in Sicherheitsbereichen abgestellte Fahrzeuge (OVG Bln-Brandenburg, Beschl. v. 11.11.2008 – OVG 1 N 77.88; VG Berlin zfs 2011, 59; VG Koblenz zfs 1997,40); störungsfreier Verkehrsfluss auf Hochwasserumgehungsstraße (VG d. Saarl., zfs 1993, 215).
[8] Verstöße gegen die StVO, die Wegfahrgebot beinhalten und grundsätzlich das Abschleppen rechtfertigen, dazu z.B. BVerwG, Urt. v. 9.4.2014 – 3 C 5.13, zfs 2014, 474 = NZV 2014, 589; Verstöße gegen § 32 StVO und die landesrechtlichen Straßen- und Wegegesetze, dazu: VG Düsseldorf, Urt. v. 5.3.2014 – 14 K 6956/13 (Abschleppen betriebsunfähiger oder abgemeldeter Fahrzeuge); VG Düsseldorf Urt. v. 21.6.2016 – 14 K 6661/15 (Abschleppen stillgelegter Fahrzeuge); VG München, Urt. v. 9.6.2015 – 2 K 13.5122 (jedenfalls überschreitet das mehrwöchige Abstellen des Baggers auf dem Seitenstreifen den zulässigen Rahmen des Gemeingebrauchs einer öffentlichen Straße dann, wenn sich der Bagge...

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