Wolfgang Arens, Ulrich Spieker
I. Typischer Sachverhalt einer Abspaltung
Rz. 33
Die X GmbH ist als Produktions- und Vertriebsunternehmen tätig. Aus Gründen der Transparenz wollen die Gesellschafter den Produktionsbereich und den Vertriebsbereich trennen. Hintergrund ist auch, dass im Bereich der Produktion in absehbarer Zeit ein neuer Gesellschafter aufgenommen werden soll, der eigenes Fertigungs-Know-how einbringen soll. Im Vertriebsbereich möchte man auch Handelsware anderer Hersteller in das Vertriebsprogramm aufnehmen. Die Gesellschafter möchten deshalb, im Wege der Abspaltung, die beiden Geschäftsbereiche in zwei rechtlich selbstständige Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH trennen.
II. Rechtliche Grundlagen
Rz. 34
Die Abspaltung (§ 123 Abs. 2 UmwG) ist eine der drei Arten der Spaltung (§§ 123–173 UmwG). Wesensmerkmale der Abspaltung sind, dass der übertragende Rechtsträger mit seinem restlichen Vermögen bestehen bleibt und die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers auch Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers werden. Der Unterschied zur Aufspaltung (§ 123 Abs. 1 UmwG) besteht darin, dass bei der Aufspaltung der übertragende Rechtsträger ohne Abwicklung seines Vermögens aufgelöst wird und sein gesamtes Vermögen auf zwei oder mehrere übernehmende Rechtsträger übergeht. Wie auch bei den anderen Spaltungsarten entsteht bei der Abspaltung zur Neugründung die neue GmbH als übernehmender Rechtsträger nicht schon mit ihrer Eintragung im Handelsregister, sondern erst mit der Eintragung der Umwandlung im Handelsregister des übertragenden Rechtsträgers (vgl. § 130 Abs. 1 UmwG). Der zivilrechtliche Vorteil aller Spaltungsarten besteht darin, dass der Vermögensübergang sich im Wege der sog. partiellen Gesamtrechtsnachfolge vollzieht, also verschiedene – und ggf. komplizierte – Einzelrechtsübertragungen nicht erforderlich sind und auch der Übergang der ihm zugewiesenen passiven Vermögensbestandteile und Vertragsbeziehungen – ohne Gläubiger- bzw. Vertragspartnerzustimmung – auf den übernehmenden Rechtsträger gewährleistet ist.
Rz. 35
Umwandlungssteuerlich gilt dieser Abspaltungsvorgang als Einbringung eines Betriebes in eine (unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige) Kapitalgesellschaft. Diese Abspaltung erfolgt grundsätzlich zum gemeinen Wert (§ 15 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 11 Abs. 1 S. 1 UmwStG). Auch dabei besteht – allerdings unter einschränkenden Voraussetzungen – das Wahlrecht zum Buchwert oder zu einem Zwischenwertansatz (§ 15 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 11 Abs. 2 UmwStG). Es gilt das umwandlungssteuerliche Rückwirkungsprivileg der Rückbeziehung des Umwandlungsstichtages um bis zu acht Monate (§ 2 UmwStG). Wegen der "Corona-Pandemie" hat der Gesetzgeber die Acht-Monats-Frist in den Jahren 2020 und 2021 auf eine Zwölf-Monats-Frist erweitert. Die steuerlichen Privilegierungen, nämlich die Möglichkeit des Antrags zur Wahl des Bewertungsansatzes zum Buchwert oder zu einem Zwischenwert (also keine oder nur teilweise Aufdeckung der stillen Reserven), werden aber nur dann gewährt, wenn das im Rahmen der Spaltung übertragene Vermögen einen Betrieb, einen Teilbetrieb (oder einen Mitunternehmeranteil) darstellt und bei der übertragenden Gesellschaft das dort verbleibende Vermögen seinerseits einen Teilbetrieb darstellt (§ 15 Abs. 1 S. 2 UmwStG).
Rz. 36
Die neue Auslegung des Teilbetriebsbegriffs im Umwandlungssteuererlass (UmwStE) vom 11.11.2011 ist wohl einer der bedeutendsten und gleichzeitig unerfreulichsten Aspekte im Zusammenhang mit diesem neuen UmwStE. Nunmehr stellt die Finanzverwaltung auf den "europäischen" Teilbetriebsbegriff ab (Rn 15.02 UmwStE). Teilbetrieb ist danach die Gesamtheit der in einem Unternehmensteil einer Gesellschaft vorhandenen aktiven und passiven Wirtschaftsgüter, die in organisatorischer Hinsicht einen selbstständigen Betrieb, d.h. eine aus eigenen Mitteln funktionsfähige Einheit, darstellen. Der Erlass enthält hier insofern eine weitere Verschärfung, als danach nun ausdrücklich nicht nur alle funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen zu einem Teilbetrieb gehören sollen, sondern darüber hinaus auch diesem Teilbetrieb nach wirtschaftlichen Zusammenhängen zuordenbare Wirtschaftsgüter. Die Teilbetriebsvoraussetzungen müssen zudem bereits zum steuerlichen Übertragungsstichtag vorgelegen haben (Rn 02.14 und 15.03 UmwStE). Dies bedeutet eine gravierende Änderung, da dieser Stichtag bei rückwirkenden Spaltungen vor dem Spaltungsbeschluss und damit in der Vergangenheit liegt. Gleichzeitig wird auch ein sog. Teilbetrieb im Aufbau mit Hinweis auf den europäischen Teilbetriebsbegriff ausdrücklich nicht mehr als Teilbetrieb angesehen.
Rz. 37
Der Gesetzgeber hat dabei für die Übertragung von Mitunternehmeranteilen noch eine doppelte "Missbrauchsperre" vorgesehen: die Mitunternehmeranteile müssen mindestens drei Jahre vor dem Spaltungsstichtag bestanden haben (§ 15 Abs. 2 S. 1 UmwStG) und es gilt eine fünfjährige Behaltensfrist n...