Rz. 8
Die Bedeutung der Sprecherausschüsse in der Praxis ist – von Ausnahmen abgesehen – gering. Soweit Sprecherausschüsse überhaupt gebildet werden, werden die ihnen durch das SprAuG eingeräumten Rechte vielfach nicht, nicht mit Nachdruck oder nur dann wahrgenommen, wenn deren Nichtbeachtung auch ohne Intervention des Sprecherausschusses für den Arbeitgeber mit unmittelbaren Nachteilen verbunden ist (vgl. § 31 Abs. 2 S. 2 SprAuG: Eine ohne Anhörung des Sprecherausschusses ausgesprochene Kündigung eines leitenden Angestellten ist unwirksam).
Rz. 9
Die geringe Bedeutung des SprAuG ist sowohl auf die Mentalität der meisten leitenden Angestellten als auch auf die letztlich einem politischen Kompromiss folgende und im Vergleich mit den Betriebsräten schwache Stellung der Sprecherausschüsse zurückzuführen, insb.
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wollen die meisten leitenden Angestellten keine kollektive Interessenvertretung und halten diese z.T. sogar für nachteilig, da sie sich in der Lage sehen, aufgrund ihrer besonderen Position im Unternehmen ihre Forderungen selbst und besser durchzusetzen; |
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sind viele leitenden Angestellte in "unternehmerischer Verantwortung" und sehen insofern den Arbeitgeber nicht als Gegenspieler, sondern als Partner; |
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befürchten viele leitende Angestellte durch Mitwirkung an der Bildung oder Unterstützung eines Sprecherausschusses in eine karriereschädliche, betriebsratsähnliche Opposition zum Arbeitgeber zu geraten; |
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gewährt das SprAuG im Unterschied zum BetrVG keine echten Mitbestimmungsrechte (vgl. nachfolgend Rdn 19 ff.); |
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haben die Mitglieder des Sprecherausschusses keine den Betriebsräten entsprechenden Absicherungen, insb. |
Rz. 10
Naturgemäß ist die Bedeutung des Sprecherausschusses größer in Großunternehmen und Konzernen mit einer Vielzahl hierarchischer Strukturen und mit "leitenden Angestellten" auf verschiedenen Ebenen. In diesen Fällen werden vielfach zudem die Beteiligungsrechte der Sprecherausschüsse und die Rechtsstellung ihrer Mitglieder durch Vereinbarungen mit dem Arbeitgeber und Richtlinien (vgl. auch § 28 SprAuG) erweitert und den Regelungen des BetrVG angenähert. In vielen dieser Fälle wird allerdings die Reichweite des § 5 Abs. 3 BetrVG verkannt und ein Mitarbeiter bereits aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Hierarchie oder Einkommensstufe ohne das Vorliegen der Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Nr. 1–3 BetrVG der Gruppe der leitenden Angestellten zugerechnet. In Fällen einer Kündigung derartiger Mitarbeiter ist es daher jedenfalls dann, wenn der Status des leitenden Angestellten nicht unzweifelhaft feststeht, zu empfehlen, vor dem Ausspruch einer Kündigung sowohl den Betriebsrat gem. § 102 BetrVG anzuhören als auch das Anhörungsverfahren nach § 31 Abs. 2 SprAuG einzuleiten, verbunden mit der Mitteilung an den Betriebsrat gem. § 105 BetrVG. Die Zuordnung eines von einer Kündigung betroffenen "leitenden Angestellten" gem. § 18a BetrVG zur Gruppe der leitenden Angestellten entfaltet keine materiell-rechtliche Bindungswirkung, vgl. ErfK/Oetker, § 31 SprAuG.