Rz. 2
Der Täter muss vorsätzlich gehandelt haben, wobei bedingter Vorsatz genügt (BGHSt 7, 112; OLG Köln NStZ – RR 2011, 285). Der Vorsatz muss sich darauf beziehen, dass ein Unfall stattgefunden hat, für den der Täter jedenfalls möglicherweise mitursächlich war (BGHSt 28, 134), er also Unfallbeteiligter ist (BayObLG NStZ – RR 2000, 140) und dass ein nicht ganz unerheblicher Schaden entstanden ist (OLG Hamm NZV 2003, 590).
Rz. 3
Tipp
Zu den notwendigen Urteilsfeststellungen siehe OLG Köln NZV 2011, 510; KG NZV 2016, 392.
I. Unfall
1. Nach allgemeiner Lebenserfahrung
Rz. 4
Der Täter muss wissen, dass ein Unfall stattgefunden hat. Schwierig wird der Nachweis oft dann, wenn das Fahrzeug des Beschuldigten nicht in eine Kollision verwickelt wurde, insbesondere, wenn die Sicht des Betroffenen eingeschränkt war. In solchen Fällen lässt die Tatsache, dass Dritte dem Betroffenen Hupsignale gaben, nicht zwingend auf Vorsatz schließen (AG Brühl DAR 1998, 78).
Rz. 5
Drängen sich ihm aber nach der allgemeinen Lebenserfahrung Anhaltspunkte für einen Unfall auf (z.B. bei heftigem Auffahren auf einen Gegenstand, BGH VRS 37, 263), wird insoweit in aller Regel bedingter Vorsatz bejaht werden können. In solchen Fällen ist der Fahrer nämlich verpflichtet, sich über etwaige Fremdschäden zu vergewissern (OLG Koblenz VRS 63, 39).
Rz. 6
Achtung: Eventualvorsatz
Eventualvorsatz reicht zwar aus, setzt aber voraus, dass der Täter sich einen nicht ganz belanglosen Schaden zumindest als möglich vorgestellt hat (OLG Köln DAR 2002, 88; KG NZV 2012, 497), bzw. die objektiven Umstände erkennen konnte, die einen bedeutenden Sachschaden begründen (LG Heilbronn DAR 2017, 648).
2. Nicht bei fahrlässiger Unkenntnis
Rz. 7
Es genügt aber nicht, dass äußere Umstände festgestellt werden, die nach der Lebenserfahrung eines durchschnittlichen Kraftfahrers die Vorstellung aufdrängen, es sei unter seiner Beteiligung zu einem Unfall mit Sachschaden gekommen (OLG Jena StV 2006, 529). Solche Feststellungen ließen auch den Vorwurf zu, der Täter habe sich (lediglich) fahrlässig nicht über den Schadenseintritt bzw. den Umfang vergewissert (OLG Düsseldorf zfs 1998, 312; OLG Köln DAR 2002, 88; KG DAR 2012, 392; KG NZV 2016, 392).
Rz. 8
Gleichwohl werden derartige Umstände dem Tatrichter regelmäßig ohne Rechtsfehler die Schlussfolgerung erlauben, dass sich der Täter die erforderliche subjektive Vorstellung tatsächlich gebildet hatte (OLG Frankfurt VRS 64, 265).
Rz. 9
Achtung: Urteilsfeststellung
Allerdings muss dann jedenfalls bei "kleineren" Schäden in dem Urteil das genaue Schadensbild mitgeteilt werden, damit ausgeschlossen werden kann, dass der Unfallverursacher Beschädigungen lediglich übersehen hat (OLG Köln DAR 2011, 478).
3. Indizien
Rz. 10
Auf Vorsatz schließen kann der Richter auch anhand bestimmter Beweisanzeichen wie einem lauten Unfallgeräusch, Überfahren eines Gegenstandes, einem vom Kraftfahrer verspürten Aufprall, heftigen Erschütterungen, dem Weiterfahren mit abgeschalteter Wagenbeleuchtung oder unter Erhöhung der Geschwindigkeit etc.
Rz. 11
Hat der Täter einen Ruck und verdächtige Geräusche, die er wahrgenommen hat, fälschlicherweise und nachvollziehbar einer anderen Ursache als einem Zusammenstoß zugeordnet, kann dies selbst einem Schluss auf bedingten Vorsatz entgegenstehen (OLG Zweibrücken VRS 45, 426; Thüringer OLG VRS 111, 15).
4. Alkoholisierung
Rz. 12
Für die Beurteilung, ob der Täter den Unfall wahrgenommen hat, kann der Grad der Alkoholisierung von Bedeutung sein, insbesondere bei Alkoholwerten von über 2 ‰ (OLG Hamm DAR 1962, 82; OLG Schleswig VRS 59, 12).
II. Wahrnehmbarkeit von Anstößen
1. Wahrnehmungsmöglichkeiten
Rz. 13
Ein Anstoß ist i.d.R. nicht nur optisch und akustisch, sondern auch taktil (sensitiv) wahrnehmbar. Auch bei leichten Anstößen wird das Fahrzeug so stark erschüttert, dass selbst ein Fahrer, der das "Radio auf laut gestellt und in eine andere Richtung geschaut hatte", den Anstoß wenigstens taktil wahrnehmen muss.
Rz. 14
Ausnahmen sind allenfalls dann denkbar, wenn der Anstoß in einem extrem spitzen Winkel und dazu noch in die Weichteile des gegnerischen Fahrzeuges, also Türblatt – und nicht Türholm –, erfolgt.
Rz. 15
Achtung: Unfallanalytisches Gutachten meist nicht ausreichend
Unfallanalytische Gutachten lassen fast immer die individuelle Wahrnehmbarkeit des Anstoßes für den Schädiger außer Acht.
Letzte Klarheit kann deshalb nur ein biomechanisches (bzw. wahrnehmungspsychologisches) Gutachten bringen.
2. Tipp: Wahrnehmung als Erfahrungssatz
Rz. 16
Auch wenn Anstöße meistens wahrnehmbar sind, gibt es dennoch keinen dahingehenden Erfahrungssatz, dass die Berührung zweier Fahrzeuge immer gefühlt wird (OLG Köln NZV 1992, 37).
3. Tipp: Ältere Kraftfahrer
Rz. 17
Besonders problematisch ist die Wahrnehmungsfähigkeit älterer Kraftfahrer bei leichten Unfallereignissen. Dort muss z.B. die altersbedingt verminderte Hörfähigkeit mit bedacht werden (OLG Hamm DAR 2003, 570).
4. Tipp: Lkw-Fahrer
Rz. 18
Untersuchungen haben ergeben, dass vor allem beim Rangieren von schweren Lkws verursachte Unfälle trotz hoher Fremdschäden kaum – jedenfalls nicht taktil – zu bemerken waren (LG Braunschweig NZV 2009, 253).
III. Schaden
1. Erheblicher
Rz. 19
Der Vorsatz des Täters muss ...