Rz. 49
Wahl- und Pflichtverteidiger haben die gleichen Rechte im Strafverfahren. Diese sind jedoch je nach Verfahrensstadium, in dem das Verfahren sich befindet, durch die StPO sehr unterschiedlich ausgeprägt.
a) Ermittlungsverfahren
Rz. 50
Im Ermittlungsverfahren hat ein Verteidiger nur relativ geringe Einflussmöglichkeiten. Zwar hat er, wenn sein Mandant sich in Untersuchungshaft befindet, ein umfassendes Recht auf unkontrollierte Kontakte mit dem Beschuldigten. Ihm steht jedoch anderseits vor dem Abschluss der Ermittlungen, der gem. § 169a StPO in den Akten zu vermerken ist, nicht einmal ein unbedingtes Akteneinsichtsrecht zu. Nach § 147 Abs. 2 StPO kann dem Verteidiger die Akteneinsicht, auf die er grds. Anspruch hat, nämlich dann verwehrt werden, wenn durch die Einsicht der Untersuchungszweck gefährdet werden würde. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn die Staatsanwaltschaft bereits aus der Akte ersichtliche, konkrete Ermittlungsmaßnahmen geplant hat, z.B. Durchsuchungen, für die bereits entsprechende richterliche Beschlüsse beantragt oder erwirkt wurden. Der Untersuchungszweck kann auch dann gefährdet sein, wenn sich anhand polizeilicher Vermerke oder infolge von Zeugenaussagen zwingende Ermittlungshandlungen wie die Vernehmung weiterer Zeugen, auf die der Beschuldigte Einfluss nehmen könnte, oder die Vornahme von Durchsuchungen ergeben.
Rz. 51
Besondere Aufgaben treffen den Verteidiger, wenn sich sein Mandant in Untersuchungshaft befindet. Das Rechtsinstitut der Untersuchungshaft ist äußerst problematisch. Es geht um die Frage, unter welchen Voraussetzungen und wie lange jemand in freiheitsentziehende staatliche Haft genommen werden darf, ohne dass eine strafrechtliche Verurteilung vorliegt. Wird jemand in Untersuchungshaft genommen, ist es denkbar, dass er nicht verurteilt wird und somit zu Unrecht in Haft war; auf der anderen Seite sind Fälle denkbar, bei denen jemand, der tatsächlich eine Straftat begangen hat, nicht in Untersuchungshaft genommen wurde und sich dann längere Zeit oder gar für immer der Strafverfolgung entziehen kann. Ziel des Verteidigers wird sein, die Untersuchungshaft für seinen Mandanten so schnell wie möglich zu beenden.
Rz. 52
Der Gesetzgeber hat die Voraussetzungen der Untersuchungshaft in § 112 StPO dahingehend geregelt, dass neben einem dringenden Tatverdacht, also einer sehr hohen Verurteilungswahrscheinlichkeit, einer der sog. Haftgründe vorliegen muss. Ein Haftgrund liegt gem. § 112 Abs. 2 StPO vor, wenn der Beschuldigte entweder flüchtig ist oder angesichts der Umstände des Einzelfalles konkrete Fluchtgefahr besteht oder wenn bei noch nicht ganz aufgeklärter Tat damit zu rechnen ist, dass der Beschuldigte die Tat zu "vertuschen" versucht, z.B. durch unlauteres Einwirken auf Zeugen, denen für den Fall einer bestimmten Aussage Geld geboten oder aber auch Gewalt angedroht wird. Die Verteidigung kann sich damit darauf beziehen, einen dringenden Tatverdacht oder den angenommenen Haftgrund zu entkräften, um so eine Entlassung des Mandanten aus der Haft zu erreichen.
Rz. 53
Gegen die Untersuchungshaft kann der Verteidiger sich mit der Haftprüfung (§ 117 Abs. 1 StPO) bzw. mit der Haftbeschwerde (§ 117 Abs. 2 StPO) wehren, die jeweils im Ermittlungsverfahren, Zwischen- und Hauptverfahren jederzeit beantragt bzw. eingelegt werden können.
Rz. 54
Muster 5: Antrag auf Haftprüfung gem. § 117 StPO
Muster: Antrag auf Haftprüfung gem. § 117 StPO
Rechtsanwalt Haupt |
Hannover, den _________________________ |
An das
Amtsgericht Hannover
– Abteilung für Strafsachen –
11 Gs 12/19 Volgersweg
30175 Hannover
Antrag auf Haftprüfung gem. § 117 StPO
Klaus Müller,
geboren am 10.12.1990, wohnhaft Kramerstr. 10, 30123 Hannover,
wegen Körperverletzung mit Todesfolge
beantrage ich hiermit namens und in Vollmacht (Vollmacht bereits bei der Akte) des Beschuldigten die Haftprüfung und die Aufhebung des Haftbefehls, hilfsweise dessen Außervollzugsetzung.
Begründung:
Die Untersuchungshaft in dieser Sache dauert nunmehr bereits seit vier Monaten an. Eine Anklageerhebung ist immer noch nicht erfolgt, ohne dass hierfür zureichende Gründe vorliegen. Nach Aktenlage handelt es sich um einen minderschweren Fall, so dass der Beschuldigte womöglich nur eine Bewährungsstrafe zu gewärtigen haben wird. Deswegen wäre die weitere Aufrechterhaltung der Untersuchung unverhältnismäßig. Ein Haftgrund liegt nicht vor, insbesondere besteht keine Fluchtgefahr, da der Beschuldigte in stabilen Familienverhältnissen lebt.
Rechtsanwalt
Rz. 55
Befindet sich der Beschuldigte in Untersuchungshaft, hat der Verteidiger immer zumindest ein Recht auf Einsicht in die Aktenteile, aus denen sich die Berechtigung zum Erlass des Haftbefehls ergibt.
Rz. 56
Auch hat der Verteidiger im Ermittlungsverfahren die Möglichkeit, gegen bestimmte Ermittlungshandlungen wie die Untersuchungshaft oder auch Durchsuchungs- und Beschlagnahmemaßnahmen gegen den Beschuldigten Beschwerde einzulegen. Diese hindert zwar nicht die Ausführung der jeweiligen Maßnahme, führt jedoch zu einer erneuten und zusätz...