1. Der Anfangsverdacht
Rz. 10
Die Staatsanwaltschaft hat nach dem im deutschen Strafrecht geltenden Amtsermittlungs- oder auch Offizialprinzip ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, wenn ihr Umstände bekannt werden, die zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen von Straftaten enthalten, § 152 Abs. 2 StPO. Man spricht insoweit von einem Anfangsverdacht. Woher dieser stammt, spielt keine Rolle, insbesondere ist dazu keine Strafanzeige erforderlich. Ausreichend ist bspw. eine konkrete Presseberichterstattung oder auch eine privat erlangte Kenntnis eines Polizeibeamten oder Staatsanwalts. Andererseits hat auch bei Vorliegen einer Strafanzeige die Staatsanwaltschaft zu prüfen, ob ein Anfangsverdacht besteht und ein möglicherweise notwendiger Strafantrag rechtzeitig gestellt wurde. Ist dies nicht der Fall, lehnt sie die Aufnahme von Ermittlungen ab. Ein Ermittlungsverfahren im eigentlichen Sinne wird in diesen Fällen nicht eingeleitet.
Rz. 11
Ermittlungsverfahren können sich gegen konkrete Personen richten, die dann Beschuldigte heißen, aber auch gegen noch unbekannte Personen. Ob sich ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt oder gegen eine oder mehrere bestimmte Person(en) richtet, erkennt man am Aktenzeichen. Ein sog UJs-Aktenzeichen zeigt, dass ein Beschuldigter bisher nicht bekannt ist, während ein Js-Aktenzeichen erkennen lässt, dass die Ermittlungen sich gegen konkrete Personen richten.
2. Durchführung des Ermittlungsverfahrens
Rz. 12
Bejaht die Staatsanwaltschaft einen Anfangsverdacht, so muss sie – von den dargestellten Ausnahmefällen abgesehen – ein Ermittlungsverfahren einleiten und den Versuch unternehmen, den Sachverhalt aufzuklären. Dies ist das eigentliche Ermittlungsverfahren, das weitgehend allein in den Händen der Staatsanwaltschaft liegt. Man spricht von der Staatsanwaltschaft auch als der "Herrin des Ermittlungsverfahrens". Die Staatsanwaltschaft ist allerdings verpflichtet, für bestimmte Ermittlungsmaßnahmen, die besonders tief in Grundrechte der Betroffenen eingreifen, richterliche Anordnungen zu beantragen. Dies gilt z.B. für die Inhaftierung von Menschen (Untersuchungs- oder Zwangshaft), für Durchsuchungen und Beschlagnahmen, für Telefonüberwachungen und den sog. großen Lauschangriff. Diese Maßnahmen darf die Staatsanwaltschaft regelmäßig nicht aus eigener Macht heraus durchführen, sie sind ohne richterlichen Beschluss unzulässig, sofern nicht die inzwischen sehr engen Voraussetzungen einer Gefahr im Verzuge vorliegen, eine richterliche Anordnung also nicht mehr ohne Gefährdung des Ermittlungszwecks erreicht werden kann. In solchen Fällen ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachträglich einzuholen.
Rz. 13
Im Übrigen bedient sich die Staatsanwaltschaft zu ihren Ermittlungen überwiegend ihrer Ermittlungspersonen bei Polizei, Steuerfahndung und Zollfahndung. Praktisch funktioniert dies so, dass die Akte mit einer Ermittlungsverfügung der zuständigen Ermittlungsstelle zugeleitet wird, die diese dann ausführt. Auf den Zeitpunkt und die konkrete Art der Ausführung der Ermittlung hat die Staatsanwaltschaft wegen der Selbstständigkeit der jeweiligen Ermittlungsbehörden praktisch nicht allzu viel Einfluss, sofern der ermittelnde Staatsanwalt sich nicht selbst an der Ermittlungshandlung beteiligt.
Rz. 14
Die Ermittlungen sind darauf gerichtet, alle für eine abschließende Entscheidung maßgeblichen Umstände und Tatsachen zu ermitteln. Dies bedeutet, dass die Staatsanwaltschaft verpflichtet ist, sämtliche für und gegen den Beschuldigten sprechenden Umstände zu ermitteln. Sie ist also nicht Verfolgungsbehörde, sondern hat objektiv und neutral einen in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt festzustellen.
3. Abschluss des Ermittlungsverfahrens
Rz. 15
Sind die Ermittlungen abgeschlossen, d.h. alle sinnvoll und mit vertretbarem Aufwand zu ermittelnden Fragen von Bedeutung aufgeklärt, hat die Staatsanwaltschaft dies in der Akte zu vermerken (§ 169a StPO) und den von ihr ermittelten Sachverhalt und die Beweislage rechtlich zu würdigen. Hierbei kann sie zu grds. zwei Ergebnissen kommen: Entweder sie kommt zu dem Ergebnis, dass eine Straftat vorliegt und mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auch vor Gericht bewiesen werden kann, oder sie sieht eine Straftat als nicht verwirklicht oder beweisbar an. In letzterem Fall hat sie das Verfahren gem. § 170 Abs. 2 StPO einzustellen. In dem ersten Fall liegt ein zur Anklageerhebung hinreichender Tatverdacht gem. § 170 Abs. 1 StPO vor. Dieser ermöglicht es der Staatsanwaltschaft, entweder Anklage zu erheben oder einen Strafbefehl (§§ 407 ff. StPO) zu beantragen.
Rz. 16
Ist sie aufgrund der durchgeführten Ermittlungen jedoch der Auffassung, dass zwar strafbares Verhalten vorliegt, jedoch das abzuurteilende Verschulden des Beschuldigten nur gering ist, so kann sie das Verfahren gem. § 153 Abs. 1 StPO mit Zustimmung des Beschuldigten einstellen, sofern sie kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung sieht, oder sie bietet dem Beschuldigten eine Einstellung gem. § 153a Abs. 1 StPO gegen Auflage an, sofern sie meint, das Verschulden könne durch diese A...