Rz. 23
Abweichend von dem normalen Ablauf des Strafverfahrens kennt die StPO für bestimmte Konstellationen Spezialverfahren bzw. Besonderheiten.
1. Das Strafbefehlsverfahren
Rz. 24
Das Strafverfahren mit seiner im Detail geregelten Hauptverhandlung ist ein zeit- und kostenaufwendiges Verfahren, das nicht immer erforderlich erscheint. Gerade im Bereich der kleineren Kriminalität besteht ein Bedürfnis für ein "entschlacktes" Verfahren. Der Gesetzgeber hat daher hierfür das bereits erwähnte Strafbefehlsverfahren vorgesehen. Soweit die Tat kein Verbrechen, sondern nur ein Vergehen darstellt und die Staatsanwaltschaft eine Geldstrafe als Sanktion für ausreichend erachtet, kann sie anstelle der Anklageerhebung auch gem. § 407 StPO den Erlass eines Strafbefehls beantragen. Das Strafbefehlsverfahren ist ein schriftliches Verfahren, es gibt also bis zum Erlass des Strafbefehls keine Hauptverhandlung. Einer vorherigen Anhörung des Beschuldigten durch das Gericht bedarf es insoweit nicht (§ 407 Abs. 3 StPO), was im Hinblick auf das Gebot des rechtlichen Gehörs nicht ganz unproblematisch ist, weil es immer wieder einmal vorkommt, dass nicht so schlaue Beschuldigte trotz Belehrung in dem Strafbefehl, dass sie gegen diesen fristgerecht Einspruch erheben können, irrig meinen, hiergegen "nichts machen" zu können und dass dadurch womöglich auch einmal ein Unschuldiger mit einem sachlich falschen Strafbefehl im schriftlichen Verfahren rechtskräftig falsch verurteilt wird. Im Wege des Strafbefehls kann außer der Verhängung einer Geldstrafe z.B. auch die Fahrerlaubnis entzogen werden und eine Sperre zur Wiedererteilung der Fahrerlaubnis bis zu zwei Jahren ausgesprochen sowie ein Fahrverbot angeordnet werden.
Rz. 25
Das Strafbefehlsverfahren wurde im Jahr 1993 auch auf den Bereich der Freiheitsstrafe erweitert. Ein Strafbefehl ist danach auch statthaft, wenn der Beschuldigte einen Verteidiger hat, eine Freiheitsstrafe von maximal einem Jahr verhängt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird (§ 407 Abs. 2 S. 2 StPO).
Rz. 26
Ist der Beschuldigte mit der durch Strafbefehl verhängten Sanktion nicht einverstanden, hat er die Möglichkeit, gegen den Strafbefehl binnen zwei Wochen nach Zustellung des Strafbefehls schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des Gerichts, das den Strafbefehl erlassen hat, Einspruch einzulegen. Dann muss das Gericht eine "ganz normale" Hauptverhandlung anordnen und es gelten insoweit keine Besonderheiten mehr. Ein Zwischenverfahren findet nicht mehr statt, der erlassene Strafbefehl ersetzt sowohl die Anklage als auch den Eröffnungsbeschluss. Das Gericht ist bei seinem späteren Urteil an die zunächst per Strafbefehl vorgesehene Bestrafung in keiner Weise gebunden (§ 411 Abs. 4 StPO), d.h. es kann nicht nur eine geringere, sondern auch eine höhere Bestrafung aussprechen. Das bei den Rechtsmitteln zugunsten des Angeklagten geltende sog. Verbot der "reformatio in peius" (Verbot der nachteiligen Abänderung) gilt hier also nicht, weswegen man sich in der Praxis natürlich gut überlegen sollte, ob man gegen einen Strafbefehl Einspruch einlegt. Sofern der Beschuldigte seine Unschuld geltend machen möchte, ist der Einspruch in jedem Falle sinnvoll, geht es ihm dagegen "nur" um eine geringere Bestrafung, ist es demgegenüber häufig nicht sinnvoll, Einspruch einzulegen, es sei denn, man glaubt (nach anwaltlicher Beratung), dass aufgrund bislang nicht aktenkundiger Umstände eine geringere Bestrafung oder gar anstelle einer Bestrafung eine Einstellung des Strafverfahrens in Betracht kommen könnte. Bis zur Verkündung des Urteils auf den Einspruch hin kann der Einspruch auch noch mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft zurückgenommen werden.
2. Das Privatklageverfahren
Rz. 27
Bei den abschließend in § 374 Abs. 1 StPO aufgezählten Straftaten, genannt seien hier insbesondere die Beleidigung und die vorsätzliche und die fahrlässige Körperverletzung, erhebt die Staatsanwaltschaft nur Anklage, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt (§ 376 StPO). Verneint die Staatsanwaltschaft dies hingegen aufgrund der Umstände des Einzelfalles, kann der durch die Tat Verletzte anstelle der Staatsanwaltschaft im Wege der Privat(an)klageerhebung die Verurteilung des Täters verfolgen. Bestimmte Privatklagedelikte, so z.B. die Beleidigung und die vorsätzliche wie fahrlässige Körperverletzung, können mit der Privatklage allerdings erst geltend gemacht werden, wenn zuvor erfolglos ein Sühneversuch bei einer durch die Landesjustizverwaltung zu bestimmenden Vergleichsbehörde unternommen wurde, worüber mit Klageerhebung eine Bescheinigung seitens des Verletzten beizufügen ist (§ 380 StPO). Der Privatkläger muss gem. § 379a StPO einen Gebührenvorschuss zahlen und hat unter den Voraussetzungen des § 379 StPO dem Beschuldigten für die diesem während des Verfahrens erwachsenden Kosten Sicherheit zu leisten.
3. Das Jugendgerichtsverfahren
Rz. 28
Jugendliche sind ab dem 14. Lebensjahr strafmündig (§ 19 StGB), d.h. von diesem Alter an können sie grds. für von ihnen begangene Straftaten strafrechtlich zur Verantwortung ge...