Torsten Bendig, Dr. iur. Matthias Keller
a) Konsummuster
Rz. 76
Bei der Bewertung der Einnahme von Cannabis für die Fahreignung steht das jeweilige Konsummuster im Vordergrund. Es kommen in Betracht
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die regelmäßige Einnahme von Cannabis (Nr. 9.2.2), |
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die gelegentliche Einnahme von Cannabis (Nr. 9.2.1) und |
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die einmalige Einnahme von Cannabis als sog. Probierkonsum. |
b) Probierkonsum von Cannabis
Rz. 77
Der letztgenannte Probierkonsum lässt die Fahreignung unberührt. Bei nur einmaliger Einnahme ist eine Wiederholung nicht zu erwarten mit der Folge, dass für die Zukunft eine Gefährdung der Verkehrssicherheit nicht zu befürchten ist.
Rz. 78
Eine andere Frage ist es, ob der Einwand des einmaligen Probierkonsums glaubhaft ist, wenn er nach einer polizeilich festgestellten Fahrt unter Drogeneinfluss erhoben wird. In dieser Situation bestehen nämlich für die Glaubhaftmachung eines Probierkonsums besondere Anforderungen, welche die Rechtsprechung wie folgt begründet: Es sei vor dem Hintergrund des äußerst seltenen Falles, dass eine Person nach einem einmaligen Cannabiskonsum zum einen bereits kurz darauf ein Kraftfahrzeug führt und zum anderen dann auch noch trotz der geringen Dichte der polizeilichen Verkehrsüberwachung in eine Verkehrskontrolle gerät und die Polizei einen Drogentest veranlasst, in einem Akt der Beweiswürdigung regelmäßig die Annahme gerechtfertigt, dass ohne substantiierte Darlegung des Gegenteils nicht von einem einmaligen Konsum ausgegangen werden muss.
Praxistipp: Anwaltliche Ermittlung der persönlichen Konsumangaben
Legt sich der Mandant unmittelbar nach einer Rauschfahrt auf Befragen der Polizeibeamten mit Angaben fest, die einen Probierkonsum erkennbar ausschließen (z.B.: "Ich rauche ab und zu Gras, aber fahre dann nie Auto."), ist es in der Folge sehr schwer, davon wieder loszukommen.
Der Anwalt sollte daher bei Mandatsbeginn aktenkundige Konsumangaben, die ggf. auch bei der Blutentnahme erfolgt sein können, genau ermitteln, um wenigstens die Chance zu haben, diese in der einen oder anderen Weise gegenüber der Straßenverkehrsbehörde oder dem Verwaltungsgericht zu relativieren.
c) Fahreignungsrelevanter Konsum
Rz. 79
Fahreignungsrelevant sind der regelmäßige und der gelegentliche Konsum von Cannabis. Insoweit stellt die Anlage 4 zur FeV folgende Regelfallannahmen auf:
Krankheiten, Mängel |
Eignung oder bedingte Eignung |
Beschränkungen/Auflagen bei bedingter Eignung |
Klassen A, A1, A2, B, BE, AM, L, T |
Klassen C, C1, CE, C1E, D, D1, DE, D1E, FzF |
Klassen A, A1, A2, B, BE, AM, L, T |
Klassen C, C1, CE, C1E, D, D1, DE, D1E, FzF |
9.2 |
Einnahme von Cannabis |
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9.2.1 |
Regelmäßige Einnahme von Cannabis |
nein |
nein |
– |
– |
9.2.2 |
Gelegentliche Einnahme von Cannabis |
ja wenn Trennung von Konsum und Fahren und kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen, keine Störung der Persönlichkeit, kein Kontrollverlust |
ja wenn Trennung von Konsum und Fahren und kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen, keine Störung der Persönlichkeit, kein Kontrollverlust |
– |
– |
d) Regelmäßige Einnahme von Cannabis
Rz. 80
Bei einem regelmäßigen Konsum von Cannabis entfällt die Fahreignung (siehe den Tabelleneintrag: "nein"). Ein solcher Konsum liegt dann vor, wenn die Droge täglich oder nahezu täglich eingenommen wird.
Rz. 81
Fraglich ist, ob sich ein derartiges Konsummuster auch über eine Blutprobenanalyse feststellen lässt. Maßgeblich ist der Wert des im Blut vorgefundenen Cannabiswirkstoffes THC und seiner Abbauprodukte (THC-COOH = THC-Carbonsäure). Während das THC aufgrund seines schnellen Abbaus nur relativ kurze Zeit nach dem Ende des Konsums im Blut nachweisbar ist, lässt sich regelmäßiger Cannabis-Konsum über das im Stoffwechsel aus THC gebildete THC-COOH bis zu einige Wochen später im Blut nachweisen. Wird die die Blutprobe zeitnah, mithin nur wenige Stunden nach dem letzten Konsum abgenommen, und findet sich darin eine Konzentration an THC-COOH von 150 ng/ml und mehr, so ist von einem regelmäßigen Konsum auszugehen.
e) Gelegentliche Einnahme von Cannabis
aa) Überblick
Rz. 82
Die Fahreignung entfällt nach Nr. 9.2.2 zur Anlage 4 der FeV, bei einer
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gelegentlichen Einnahme von Cannabis und |
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dem Vorliegen von Zusatztatsachen. |
Als mögliche Zusatztatsachen kommen in Betracht:
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keine Trennung von Konsum und Fahren (Rauschfahrten) oder |
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zusätzlicher Gebrauch von Alkohol (bzw. anderer psychoaktiv wirkender Stoffe) oder |
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Störung der Persönlichkeit oder |
▪ |
Kontrollverlust. |
bb) Gelegentlicher Konsum
Rz. 83
Zunächst ist festzuhalten, dass bei gelegentlichem Konsum von Cannabis ohne Zusatztatsache die Fahreignung erhalten bleibt, wie sich aus dem Tabelleneintrag ("ja") ergibt. Dabei deckt diese...