Torsten Bendig, Dr. iur. Matthias Keller
Rz. 83
Zunächst ist festzuhalten, dass bei gelegentlichem Konsum von Cannabis ohne Zusatztatsache die Fahreignung erhalten bleibt, wie sich aus dem Tabelleneintrag ("ja") ergibt. Dabei deckt dieses Konsummuster den Bereich ab, der zwischen dem einmaligen Probierkonsum einerseits und dem regelmäßigen (nahezu täglichen) Konsum andererseits liegt.
Gelegentlicher Konsum liegt dementsprechend dann vor, wenn der Betroffene
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in zumindest zwei Konsumvorgängen Cannabis zu sich genommen hat und |
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diese Konsumvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen. |
Bei der Bejahung der letztgenannten Voraussetzung, also des zeitlichen Zusammenhangs zwischen zwei Konsumvorgängen, kann es leicht passieren, dass die zur Entscheidung berufene Straßenverkehrsbehörde "den Bogen überspannt". Es ist Aufgabe des Anwalts, dies zu erkennen und im Wege des Rechtsschutzes vor den Verwaltungsgerichten wirksam zu unterbinden.
Rz. 84
Muster 47.5: Kein gelegentlicher Konsum bei Unterbrechung von fünf Jahren
Muster 47.5: Kein gelegentlicher Konsum bei Unterbrechung von fünf Jahren
Verwaltungsgericht
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Kläger _________________________ ./. Beklagte _________________________
Aktenzeichen: _________________________
wegen: Entziehung der Fahrerlaubnis
Die erhobene Klage begründe ich namens und im Auftrag des Klägers wie folgt:
Der angefochtene Bescheid über die Entziehung der Fahrerlaubnis ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO. Die Straßenverkehrsbehörde hätte die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht auf § 46 Abs. 1 FeV i.V.m. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV stützen dürfen.
Der Mandant, der in Kürze sein 23. Lebensjahr vollenden wird, ist kein gelegentlicher Konsument von Cannabis. Er bedauert die aktenkundige Fahrt unter Cannabiseinwirkung aufrichtig. Sie beruht auf einem einmaligen Fehltritt, der sich nicht wiederholen wird. Zwar trifft die Angabe des Mandanten zu, die er am Vorfallstag gegenüber einem Verkehrspolizisten gemacht hat, wonach er an seinem 18. Geburtstag bereits einmal Cannabis probiert habe. Dieser Konsum liegt aber nahezu fünf Jahre zurück mit der Folge, dass er nach der Rechtsprechung nicht mehr in einem Zusammenhang mit dem jetzigen Vorfall gesehen werden darf, vgl. insoweit OVG Lüneburg, Beschl. v. 7.6.2012 – 12 ME 31/12 = zfs 2012, 473.
Rz. 85
In der Praxis der Behörden und Gerichte steht häufig die Frage im Mittelpunkt, ob sich ein gelegentlicher Konsum über das Gesamtbild der nach dem Vorfall eingeholten Blutprobenanalyse feststellen lässt.
Rz. 86
Ein Ansatz dazu ist der Nachweis des Cannabiswirkstoffes THC (z.B.: 3 ng/ml) im Blutserum des Betroffenen und der Umstand, dass dieser psychoaktive Stoff bei Probier- und Gelegenheitskonsumenten nur 4 bis 6 Stunden im Blut nachweisbar ist. Findet sich in der Akte die Angabe des Betroffenen, sein einmaliger Konsum liege viel länger zurück (z.B.: "24 Stunden"), so schließen die Verwaltungsgerichte schon deshalb einen einmaligen Konsum aus und nehmen einen gelegentlichen Konsum an. Die Argumentationskette lautet: Bei dem eingeräumten Konsum könne es nicht geblieben sein, weil dieser zeitlich zu weit zurückliege. Der festgestellte THC-Wert lasse sich somit nur durch einen weiteren Konsum erklären, der zeitnäher erfolgt sei. Insgesamt sei damit der gelegentliche Konsum belegt.
Rz. 87
Ferner können die durch Blutprobenanalyse festgestellten THC-COOH-Werte (Carbonsäure als Abbauprodukt des THC) einen Anhalt geben. Dabei erlauben THC-COOH-Werte unterhalb von 100 ng/ml keinen Rückschluss auf gelegentlichen Cannabisgebrauch. Hingegen sprechen Werte oberhalb von 100 ng/ml THC-COOH für das Vorliegen eines gelegentlichen Konsums.