Torsten Bendig, Dr. iur. Matthias Keller
Rz. 124
Das Normverständnis, wonach bei der Anwendung des § 13 Nr. 2 FeV die Abgrenzung der Anwendungsbereiche der allgemeinen Regelung in Buchstabe a) 2. Alt von der speziellen Grenzwertregelung in Buchstabe c) maßgeblich vom Vorliegen sog. "Zusatztatsachen" abhängt, wird vom VGH BW im Urt. v. 18.6.2012 – 10 S 452/10, Rn 53, veröffentlicht über juris, wie folgt zusammengefasst:
Zitat
"Allerdings rechtfertigt eine einmalige Alkoholfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration unter 1,6 ‰ nach dem Willen des Verordnungsgebers für sich genommen nicht die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens auf der Grundlage des § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. a 2. Alt. FeV. Dies folgt aus dem systematischen Zusammenhang mit der spezielleren Regelung des § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. c FeV, wonach bei einer einmaligen Alkoholfahrt die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (nur) angeordnet wird, wenn bei der Trunkenheitsfahrt eine Blutalkoholkonzentration von 1,6 ‰ oder mehr nachgewiesen wurde. Vor diesem Hintergrund ist § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. a FeV so zu verstehen, dass er in Fällen, in denen wie hier nur eine einmalige Alkoholfahrt mit geringerer Blutalkoholkonzentration vorliegt, die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nur erlaubt, wenn zusätzliche konkrete Anzeichen für einen Alkoholmissbrauch im straßenverkehrsrechtlichen Sinne vorliegen, also dafür, dass der Betroffene generell zwischen einem die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum und dem Fahren nicht zu trennen vermag." (Hervorhebung durch den Verf.)
Fehlt es an Zusatztatsachen im Sinne der Rechtsprechung, ist die medizinisch-psychologische Untersuchung nur dann erforderlich, wenn der Betroffene den Grenzwert von 1,6 ‰ überschritten hat. Dagegen darf die Straßenverkehrsbehörde bei ihrer Gutachtenanforderung nicht verstoßen.
Rz. 125
Muster 47.8: Rüge eines Verstoßes gegen den 1,6 ‰-Grenzwert
Muster 47.8: Rüge eines Verstoßes gegen den 1,6 ‰-Grenzwert
Die ergangene Ordnungsverfügung vom _________________________ über die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Androhung eines Zwangsgeldes zur Vorlage des Führerscheindokuments ist rechtswidrig und daher aufzuheben.
Die Straßenverkehrsbehörde hätte _________________________ (Mandant) nicht als fahrungeeignet behandeln dürfen. Die Nichtvorlage eines Gutachtens über eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) rechtfertigt nach § 11 Abs. 8 FeV nur dann die Annahme der Nichteignung, wenn die behördliche Gutachtenanforderung rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig erfolgt ist.
Daran fehlt es hier. Insbesondere stellt Buchstabe c) der Nr. 2 des § 13 FeV hier keine Rechtsgrundlage für die Gutachtenanforderung dar. Der Mandant hat den dort genannten Grenzwert einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 ‰ unstreitig nicht erreicht. Vielmehr ist er mit einer Blutalkoholkonzentration von lediglich _________________________ ‰ als Führer eines Kraftfahrzeuges auffällig geworden. Entgegen der Ansicht der Straßenverkehrsbehörde kann die in Rede stehende Gutachtenanforderung auch nicht auf den Buchstabe a) 2. Alt ("sonst Tatsachen") der Nr. 2 des § 13 FeV gestützt werden. Hier sperrt die spezielle 1,6 ‰-Regelung in Buchstabe c) die Anwendung der allgemeinen Vorschrift. Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass sog. Zusatztatsachen, welche nach der Rechtsprechung (vgl. jüngst OVG NRW, Beschl. v. 21.1.2015 – 16 B 1374/14 – juris, Rn 5) ganz ausnahmsweise den Anwendungsbereich der allgemeinen Regelung in Buchstabe a) 2. Alt der Nr. 2 des § 13 FeV eröffnen könnten, auch nicht ansatzweise ersichtlich sind.