Torsten Bendig, Dr. iur. Matthias Keller
Rz. 104
Speziell für den Bereich der Alkoholproblematik ermächtigt § 13 FeV die Behörde zu einer Anordnung, die dem Betroffenen aufgibt,
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nach Nr. 1 ein ärztliches Gutachten oder |
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nach Nr. 2 ein (eingriffsintensiveres) medizinisch-psychologisches Gutachten |
beizubringen. Dieser Normaufbau spiegelt den Grundsatz der abgestuften Vorgehensweise und damit der verfassungsrechtlich geforderten Verhältnismäßigkeit wider.
1. Alkoholabhängigkeit (§ 13 Nr. 1 FeV)
Rz. 105
Wenn Tatsachen die Annahme einer Alkoholabhängigkeit begründen, so knüpft Nr. 1 des § 13 FeV daran die Folge, dass der Betroffene ein ärztliches Gutachten (§ 11 Abs. 2 S. 3 FeV) beizubringen hat. Alkoholabhängigkeit ist eine Krankheit. Es reicht daher aus, wenn das Bestehen oder Nichtbestehen des Abhängigkeitssyndroms von einem Facharzt diagnostiziert wird; ein medizinisch-psychologisches Gutachten ist nicht erforderlich und daher auch nicht zulässig.
Rz. 106
Muster 47.7: Einwand gegen Doppelbegutachtung durch MPU bei Alkoholabhängigkeit
Muster 47.7: Einwand gegen Doppelbegutachtung durch MPU bei Alkoholabhängigkeit
Die ergangene Ordnungsverfügung vom _________________________ über die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Androhung eines Zwangsgeldes zur Vorlage des Führerscheindokuments ist rechtswidrig und daher aufzuheben.
Die Straßenverkehrsbehörde hätte _________________________ (Mandant) nicht als fahrungeeignet behandeln dürfen. Die Nichtvorlage eines Gutachtens rechtfertigt nach § 11 Abs. 8 FeV und der dazu ergangenen Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 9.6.2005 – 3 C 21/04 – juris, Rn 22) nur dann die Annahme der Nichteignung, wenn die behördliche Anforderung des Gutachtens rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig erfolgt ist.
Daran fehlt es hier. Die Straßenverkehrsbehörde möchte abklären, ob eine Alkoholabhängigkeit vorliegt. Hierzu kommt allein die Vorlage eines ärztlichen Gutachtens in Betracht, vgl. § 13 Nr. 1 FeV. Die gleichwohl getroffene Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung, kurz MPU, schießt über das Ziel hinaus und ist deshalb rechtswidrig. Sie fordert neben der medizinischen Untersuchung in unzulässiger Weise auch noch eine psychologische Untersuchung, mithin eine unzulässige Doppelbegutachtung.
Rz. 107
Als Tatsachen, die Anhaltspunkte für eine Alkoholabhängigkeit begründen, kommen beispielsweise das Erreichen eines hohen Blutalkoholwerts ohne die dafür typischen Ausfall- und/oder Intoxikationserscheinungen in Betracht. Auch ein körperliches Entzugssyndrom bei Reduktion des Alkoholkonsums kann diesen Anhalt bieten oder etwa eine starke Alkoholisierung schon in den Morgen- oder Mittagsstunden. Die aktuellen Begutachtungsleitlinien für Kraftfahreignung enthalten die folgende Aussage:
Zitat
"Werden Werte um oder über 1,5 ‰ bei Kraftfahrern im Straßenverkehr angetroffen, so ist die Annahme eines chronischen Alkoholkonsums mit besonderer Gewöhnung und Verlust der kritischen Einschätzung des Verkehrsrisikos anzunehmen."
Rz. 108
Entsprechend dem Charakter der Alkoholabhängigkeit als Krankheit müssen die Tatsachen, welche die Annahme der Alkoholabhängigkeit begründen, nicht im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr stehen. Dies verlangt die Sicherheit des Straßenverkehrs. Das Risiko, dass ein an Alkoholabhängigkeit Erkrankter bei der Teilnahme am Straßenverkehr ebenfalls unter Alkoholeinfluss steht, liegt auf der Hand und ist daher abzuwenden. Ergibt das nach Nr. 1 des § 13 FeV angeforderte ärztliche Attest eine Alkoholabhängigkeit, ist die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen, vgl. § 3 Abs. 1 S. 1 StVG, § 46 Abs. 1 S. 1 FeV. Ein behördliches Ermessen besteht nicht.
2. Wiedererlangung der Eignung
Rz. 109
Die Wiedererlangung der Fahreignung nach Alkoholabhängigkeit setzt eine Entwöhnungsbehandlung voraus. Die Fahreignung liegt wieder vor, wenn die frühere Abhängigkeit nicht mehr besteht und in der Regel ein Jahr Abstinenz nachgewiesen ist, vgl. Nr. 8.4 der Anlage 4 zur FeV. Die Feststellung der Wi...