Torsten Bendig, Dr. iur. Matthias Keller
A. Problemstellung
Rz. 1
Die anwaltliche Beratung in Führerscheinangelegenheiten muss von Anfang an in Blick nehmen, wie der Mandant, dem beispielsweise wegen einer Trunkenheits- oder Drogenfahrt die Fahrerlaubnis entzogen wurde oder dem ein solcher Entzug droht, so zeitnah wie möglich, ein neuer Führerschein erteilt werden kann. Nach einem Verlust der Fahreignung wegen Alkohol- oder Drogenmissbrauchs ist es regelmäßig eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung (BfF), die als Voraussetzung für die Wiedererlangung der Fahreignung erforderlich ist.
Rz. 2
Wird dieser spezifische Nachweis – aus welchem Grund auch immer – nicht geführt, läuft der Mandant in eine Sackgasse, die bei (gerichtsfesten) Bescheiden der Straßenverkehrsbehörde in der Versagung der Neuerteilung der Fahrerlaubnis endet. Dieses Ergebnis ist besonders misslich, wenn der Mandant aus der zurückliegenden Auffälligkeit seine Lehren gezogen hat und deshalb der Sache nach längst wieder fahrgeeignet ist, ihm aber der rechtlich vorgeschriebene Nachweis der wiederlangten Fahreignung durch eine MPU fehlt.
Rz. 3
Speziell im Verwaltungsprozess kommt hinzu, dass die gerichtliche Beurteilung einer Anfechtungsklage gegen die behördliche Fahrerlaubnisentziehung nach dem Zeitpunkt der Behördenentscheidung zu erfolgen hat. Tatsachen, die nach dem Erlass der behördlichen Fahrerlaubnisentziehung entstanden sind, müssen daher im Neuerteilungsverfahren geltend gemacht werden.
Rz. 4
Vor diesem Hintergrund ist der Mandant rechtzeitig anhand von Informationsbroschüren mit der Notwendigkeit und dem Verfahrensablauf, der zur MPU führt, vertraut zu machen. Ein Hinweis auf die Angebote an verkehrspsychologischer Beratung darf ebenfalls nicht fehlen.
Rz. 5
Der Weg zur MPU:
Abb. 49.1: Der Weg zur MPU (© 2015 Bundesanstalt für Straßenwesen)
B. Alkoholproblematik
Rz. 6
Geht es darum, dass der Mandant nach einer Alkoholabhängigkeit (Nr. 8.3 der Anlage 4 zur FeV) die Fahreignung wiedererlangen will, so ist eine erfolgreiche Entwöhnungsbehandlung notwendig. Voraussetzung nach Nr. 8.4 der Anlage 4 zur FeV ist, dass
▪ |
die Abhängigkeit nicht mehr besteht, |
▪ |
in der Regel ein Jahr Abstinenz nachgewiesen wird und |
▪ |
die notwendige Verhaltensänderung hinreichend stabil ist. |
Rz. 7
Diese medizinischen und psychologischen Bewertungen erfordern, eine MPU durchzuführen, vgl. auch § 13 S. 1 Nr. 2 lit. e FeV. In dieser Situation ist der Mandant darauf hinzuweisen, dass er es selbst in der Hand hat, die Wiedererlangung der Fahreignung möglichst ohne Zeitverlust nachzuweisen, indem er sich möglichst frühzeitig um einen forensisch verwertbaren Abstinenznachweis kümmert. Der Mandant sollte sich bei einer Begutachtungsstelle informieren. Es kommen insoweit engmaschige Blutkontrollen zur Feststellung der alkoholspezifischen Leberwerte (Gamma-GT, GPT und GOT oder auch CDT) in Betracht. Zunehmende Bedeutung gewinnt insoweit auch Ethylglucuronid (EtG) als Abbausubstanz des Alkohols. Gelingt der Nachweis der Substanz EtG lässt sich die Alkoholabstinenz sicher ausschließen.
Rz. 8
Geht es darum, dass der Mandant nach einem Alkoholmissbrauch (Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV) die Fahreignung wiedererlangen will, so ist nach Nr. 8.2 der Anlage 4 zur FeV dafür Voraussetzung, dass nach Beendigung des Missbrauchs die Änderung des Trinkverhaltens gefestigt ist. Auch hier bedarf es einer MPU, da medizinische und psychologische Fragestellungen (Ist zu erwarten, dass der Betroffene zukünftig Alkoholkonsum und Teilnahme am Straßenverkehr sicher trennen kann?) beantwortet werden müssen.
C. Drogenproblematik
Rz. 9
Insbesondere bei Mandanten, die ein Kraftfahrzeug unter Drogeneinfluss geführt haben, ist es zu beobachten, dass sie ihre Hoffnung fast ausschließlich auf ein günstiges Ergebnis im Strafprozess setzen. Dabei ist diese Hoffnung ganz besonders trügerisch. Selbst wenn das Strafverfahren eingestellt wird und im Ordnungswidrigkeitenverfahren (lediglich) eine Geldbuße und ein Fahrverbot verhängt werden, gilt Folgendes:
▪ |
Jeder Konsum einer "harten Droge" lässt die Fahreignung entfallen, wie sich aus vgl. Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV ergibt. |
▪ |
Jede Fahrt unter relevantem Einfluss von (nicht erstmals) konsumiertem Cannabis lässt die Fahreignung entfallen, wie sich aus vgl. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV. |
Rz. 10
Beim Konsum einer "harten Droge" kommt der Betroffene für die Wiedererlangung der Fahreignung nicht an folgenden Nachweisen vorbei:
▪ |
Nachweis der Abstinenz über ein Jahr (Nr. 9.5 Anlage 4 zur FeV) durch Screenings |
▪ |
Nachweis eines stabilen Verhaltens- und Einstellungswandels durch eine MPU. |
Je nach Einsichtsfähigkeit des Mandanten sollte daher schon während des etwaigen Strafprozesses an einem forensisch verwertbaren Abstinenznachweis (nicht vorhersehbare Kontrollen, Urinabnahme unter Sicht, zertifiziertes Labor etc.) gearbeitet werden.
Rz. 11
Beim Vorliegen einer typischen Cannabisproblematik (gelegentlicher Konsum und eine erstmalige Rauschfahrt) darf nach ...