I. Ungeeignetheit
Rz. 14
Der Richter muss keine Beweise erheben, deren Gelingen infolge völliger Ungeeignetheit des benannten Beweismittels von vornherein ausgeschlossen erscheint. Einen Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens darf er dennoch als ungeeignet nur dann ablehnen, wenn er sich im Freibeweis bzw. aufgrund eigener Sachkunde davon überzeugen konnte, dass sich mit dem angebotenen Beweismittel das in Aussicht gestellte Ergebnis nach sicherer Lebenserfahrung nicht erzielen lassen wird (BGH StV 1990, 98; NStZ 2008, 109). Dies wird bei einem Sachverständigenbeweis selten der Fall sein.
Rz. 15
Zur Ablehnung wegen Ungeeignetheit: BGH NStZ 1993, 359; 1995, 97.
II. Eigenes Fachwissen
Rz. 16
Ein beliebter Ablehnungsgrund ist der Hinweis auf die eigene Sachkunde des Richters nach § 244 Abs. 4 S. 1 StPO. Zwar wird man davon ausgehen können, dass ein erfahrener Verkehrsrichter die Sachkunde hat, einfache technische Fragen ebenso zu beantworten wie solche, die zu der allgemeinen Lebenserfahrung gehören (BGH NStZ 2000, 156); wenn es aber um gesichertes empirisches Wissen geht, ist es unzulässig, einen Beweisantrag mit dem Hinweis auf die Sachkunde des Gerichts abzulehnen. Vor allem in schwierigen Fragen eines Fachgebietes ist die eigene Sachkunde des Richters in der Regel nicht möglich (BGH StV 1994, 634).
Rz. 17
So kann z.B. selbst ein erfahrener Verkehrsrichter ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen der Fahrtenschreiberaufzeichnung eine Geschwindigkeitsüberschreitung allenfalls dann entnehmen, wenn die zulässige Geschwindigkeit über eine längere Strecke deutlich überschritten worden ist (BayObLG zfs 1997, 315).
Rz. 18
Unterstellt der Richter eigene Sachkunde, genügt nicht seine bloße Behauptung, er muss vielmehr seine Sachkunde in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise näher darlegen (OLG Düsseldorf NZV 1996, 503; OLG Jena DAR 2005, 464).
III. Weiterer Sachverständiger
Rz. 19
Einen Antrag auf Anhörung eines zweiten Sachverständigen kann das Gericht zunächst einmal schon mit der Begründung ablehnen, es besitze selbst (spätestens nach der Vernehmung des ersten Sachverständigen) die erforderliche Sachkunde. Darüber hinaus kann es hier ausnahmsweise eine Beweisantizipation vornehmen (§ 244 Abs. 4 S. 2 StPO).
Rz. 20
Der Antrag der Verteidigung wird in der Regel jedoch spätestens daran scheitern, dass er das Gericht von den überlegenen Forschungsmitteln des zweiten Sachverständigen nicht wird überzeugen können. Deshalb lohnt die Prüfung der Frage, ob mit dem Beweisantrag überhaupt die Vernehmung eines weiteren Sachverständigen verlangt wird. Denn die erweiterte Ablehnungsmöglichkeit des Gerichtes besteht nicht schon dann, wenn es sich um einen zweiten, sondern nur dann, wenn es sich um einen weiteren Sachverständigen des gleichen Fachgebietes handelt.
Rz. 21
Aus diesem Grund z.B. ist der Antrag auf Einholung des Gutachtens eines Lichttechnikers nach der Anhörung eines Kfz-Sachverständigen kein Antrag auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens, der gem. § 244 Abs. 4 S. 2 StPO abgelehnt werden könnte.
Rz. 22
Zum Begriff des weiteren Sachverständigen: BGH NJW 1993, 866, sowie zum Umfang der Begründungspflicht des ablehnenden Beschlusses, wenn im Beweisantrag Mängel des Erstgutachtens nicht nur behauptet, sondern konkret dargelegt worden sind: BGH NStZ 2000, 100.
Rz. 23
Tipp: Sachverständiger als anwaltschaftlicher Mitarbeiter
I.d.R. ist der Anwalt nicht in der Lage, dem gerichtlichen Sachverständigen sachkundig Fragen zu stellen. Hierzu ist er auf sachverständige Beratung angewiesen. Gelingt es ihm nicht, einen zweiten Sachverständigen in das Verfahren einzuführen, stellt sich die Frage, wie ihm sein Sachverständiger in der Hauptverhandlung assistieren kann.
Die Lösung bietet die Möglichkeit, den Sachverständigen zum anwaltschaftlichen Mitarbeiter zu machen (§ 53a StPO). Anwaltschaftliche Mitarbeiter des Verteidigers dürfen vom Gericht nicht zurückgewiesen werden und die Auswahl seiner Mitarbeiter trifft alleine der Anwalt selbst.
IV. Selbstladung
1. Verfahren
Rz. 24
Der Verteidiger hat das Recht, selbst Zeugen und Sachverständige zu laden (§ 220 StPO). Die von der Verteidigung ordnungsgemäß geladenen Zeugen und Sachverständigen sind zum Erscheinen verpflichtet.
Rz. 25
Ordnungsgemäß lädt der Verteidiger über den Gerichtsvollzieher. Gleichzeitig mit der Ladung muss er den Zeugen bzw. Sachverständigen die voraussichtlich entstehenden Kosten über den Gerichtsvollzieher anbieten (§ 38 StPO).
Rz. 26
In der Hauptverhandlung hat er die ordnungsgemäße Ladung durch Vorlage der Zustellungsurkunde des Gerichtsvollziehers nachzuweisen (BGH NJW 1952, 836). Das Recht der Selbstladung bleibt auch dann bestehen, wenn das Gericht zuvor einen entsprechenden Beweisantrag (z.B. wegen eigener Sachkunde) abgelehnt hatte.
2. Beweisantrag
Rz. 27
Der Verteidiger muss dann noch in der Hauptverhandlung einen förmlichen und vollständigen Beweisantrag stellen, § 245 Abs. 2 S. 1 StPO (BGH StV 1999, 576).
3. Eingeschränkte Ablehnungsmöglichkeit
Rz. 28
Im Falle der ordnungsgemäßen Selbstladung greifen die Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 4 StPO nicht. Die Anhörung des Sachvers...