I. Belehrungspflicht

 

Rz. 34

Die mittlerweile überwiegende Meinung in der Literatur verlangt von dem Sachverständigen, dass er den Beschuldigten vor einer der Vorbereitung des Gutachtens dienenden Befragung belehrt (LG Oldenburg StV 1994, 646, anders der BGH NJW 1995, 1501; StV 1995, 564; NJW 1998, 830).

 

Rz. 35

 

Achtung

Selbst der als Gehilfe der Verteidigung eingesetzte Sachverständige hat nach der in der Rechtsprechung (noch) überwiegenden Meinung kein Aussageverweigerungsrecht gem. §§ 53, 53a StPO und seine Unterlagen sind beschlagnahmefähig (LG Essen StraFo 1996, 92).[2]

[2] Ebenso: Meyer-Goßner, 54. Aufl., § 53a Rn 2; zur Gegenmeinung: Krause, StraFo 1998, 1 ff.

II. Zeuge oder Sachverständiger

 

Rz. 36

Der Sachverständige kann neben Befundtatsachen auch Zusatztatsachen feststellen. Befundtatsachen sind solche Tatsachen, die i.d.R. nur ein Sachverständiger aufgrund seiner Sachkunde erkennen kann, während Zusatztatsachen solche sind, die jeder beliebige Dritte erkennen könnte. Zu Zusatztatsachen muss der Sachverständige als Zeuge vernommen werden, weshalb die Unterscheidung u.a. für die Frage der Vereidigung wichtig ist. In Grenzfällen tendiert der BGH eher dazu, Befundtatsachen anzunehmen (BGH StV 1995, 57).

 

Rz. 37

Die Unterscheidung kann im Verkehrsprozess besondere Bedeutung bekommen, wenn der Sachverständige zu seiner Beurteilung unter Verwendung bestimmter Beweismittel kommt, ohne dass diese Beweismittel ordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführt worden wären.

 

Rz. 38

Vom Sachverständigen eingeführte Zusatztatsachen dürfen indessen nur verwertet werden, wenn sie – ausweislich des Protokolls! – durch Vernehmung des Sachverständigen als Zeuge in die Hauptverhandlung eingeführt wurden (BGH NStZ 1982, 256; 1993, 245). So ist § 261 StPO z.B. verletzt, wenn das Gericht die Ausführungen eines Sachverständigen, der eine Tachoscheibe ausgewertet hat, seinem Urteil zugrunde legt, ohne die in der Tachoscheibe verkörperten Gedankeninhalte ordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführt zu haben.

III. Ablehnung des Sachverständigen

 

Rz. 39

Anders als bei Gerichtspersonen braucht der Angeklagte den Sachverständigen nicht unverzüglich abzulehnen. Er kann zunächst einmal in Ruhe das Ergebnis des Gutachtens abwarten und braucht erst nach dessen Kenntnis zu entscheiden, ob ein Ablehnungsantrag gegen den Sachverständigen gestellt wird. Zu Gründen, die die Ablehnung des Sachverständigen rechtfertigen: BGH NJW 1995, 2930; StV 1999, 576; LG Frankfurt StV 1995, 125.

 

Rz. 40

Ist der Sachverständige erfolgreich abgelehnt worden, darf das Gericht nicht unter Hinweis auf seine jetzige Sachkunde auf die Anhörung eines weiteren Sachverständigen verzichten. § 83 Abs. 2 StPO ist nach h.M. vielmehr so auszulegen, dass der Richter einen neuen Sachverständigen anhören muss.

IV. Erstattung des Gutachtens

1. Höchstpersönlich

 

Rz. 41

Die Auswahl des Gutachters trifft der Richter, nicht der Institutsdirektor. Es ist deshalb nicht zulässig, dass der beauftragte Institutsdirektor einen Assistenten schickt (BGH NStZ 1993, 31), es sei denn, das Gutachten war nicht von einer bestimmten Person, sondern vom Institut generell angefordert worden.

 

Rz. 42

 

Tipp: Aussetzungsantrag

Der Verteidiger hat einen Anspruch darauf, sich auf überraschend erschienene Zeugen oder Sachverständige einstellen zu können. Es muss ihm deshalb die Möglichkeit zu weiteren Erkundigungen eingeräumt werden.

Sein Aussetzungsantrag darf somit nicht zurückgewiesen werden (BGH NJW 1990, 1100).

2. Verlesung

 

Rz. 43

Ein Gutachten kann unter den Voraussetzungen des § 256 StPO verlesen werden, wenn es sich um das Gutachten einer öffentlichen Behörde handelt. Dies gilt z.B. auch für die Auswertung eines Fahrtenschreibers.

 

Rz. 44

TÜV oder DEKRA sind keine Behörden, so dass ihre Gutachten nicht verlesbar sind (OLG Köln MDR 1964, 254). Dies gilt auch für in der Rechtsform einer GmbH betriebene Krankenhäuser (BGH NStZ 1988, 19).

 

Rz. 45

Der Grundsatz der persönlichen Vernehmung gilt im Prinzip auch bei Sachverständigengutachten. Er kann unter Umständen die Verlesung selbst eines Behördengutachtens verbieten und zur persönlichen Vernehmung des Sachverständigen zwingen (BGH NStZ 1993, 722).

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