Rz. 23
Gerügt werden kann nur die Verletzung der Grundrechte oder der Rechte aus Art. 20 Abs. 4, 33, 38, 101, 103 und 104 GG. Dies bedingt eine speziell auf das Verfassungsrecht ausgerichtete Argumentation und ein dementsprechendes Prüfprogramm. Einfach-rechtliche Erwägungen und tatsächliche Aspekte sind nur bedingt relevant – nämlich nur, soweit in diesem verfassungsrechtlichen Zusammenhang (zum Verständnis) von Bedeutung. Ausgangspunkt ist stets der spezifische Blickwinkel des Verfassungsrechts.
I. Spezifisches Verfassungsrecht
Rz. 24
Die Durchführung eines Verfassungsbeschwerdeverfahrens ist nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich. Es kann ausschließlich die Verletzung verfassungsrechtlicher Normen gerügt werden. Das Bundesverfassungsgericht ist keine "Superrevisionsinstanz". Es hat nicht die Aufgabe, fachgerichtliche Entscheidungen auf ihre Übereinstimmung mit dem sog. einfachen Recht in (aller)letzter Instanz zu überprüfen. Im Regelfall genügt grds., auch soweit Grundrechte betroffen sind, der Schutz, den die Fachgerichte gewähren. Die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und die Würdigung des Tatbestandes, die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall sind allein Sache der dafür allgemein zuständigen Gerichte und der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen. Das Bundesverfassungsgericht greift erst bei einer Verletzung von spezifischem Verfassungsrecht durch die Gerichte ein, wenn also (Auslegungs-)Fehler sichtbar werden, die auf einer grds. unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts, insbesondere über den Umfang seines Schutzbereiches, beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht sind. Das Bundesverfassungsgericht interessiert mithin grds. nicht die prinzipielle Richtigkeit der entscheidungstragenden Formulierungen eines fachgerichtlichen Urteils, sondern ausschließlich die Frage, ob in der Entscheidungsfindung möglicherweise ein eindeutiger und gewichtiger Grundrechts- bzw. Verfassungsverstoß liegt.
II. Prüfprogramm
Rz. 25
Maßstab für die verfassungsrechtliche Prüfung ist das jeweils einschlägige Grundrecht aus Art. 1 bis 19 GG oder ein Recht aus Art. 20 Abs. 4, 33, 38, 101, 103 und 104 GG. Es ist zunächst bei jedem einschlägigen Grundrecht zu prüfen, ob sein Schutzbereich tangiert ist und sodann, ob ein verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigter Eingriff vorliegt. Für die übrigen verfassungsrechtlichen Bestimmungen gilt Entsprechendes. Für die weiteren Einzelheiten zu diesen materiell-rechtlichen Grundlagen muss – abgesehen von den nachfolgenden Erläuterungen zum Willkürverbot und zum Gebot rechtlichen Gehörs – auf die einschlägigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts sowie die einschlägige Kommentierung und Literatur verwiesen werden. Sofern es einschlägige Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu dem Gegenstand der Verfassungsbeschwerde gibt, muss sich eine Verfassungsbeschwerde damit immer auseinander setzen, und zwar sowohl im Hinblick auf die Voraussetzungen für eine Annahme (vgl. Rdn 22) als auch im Hinblick auf die Anforderungen an eine substantiierte Begründung der Verfassungsbeschwerde.
III. Willkür (Art. 3 Abs. 1 GG)
Rz. 26
Häufig wird von den Betroffenen pauschal die Behauptung erhoben, die zu überprüfende Entscheidung sei willkürlich. Eine Verletzung des Willkürverbots als Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes gem. Art. 3 Abs. 1 GG kann allerdings nur dann angenommen werden, wenn ein Richterspruch unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Willkür liegt demnach erst dann vor, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt oder der Inhalt einer Norm in krasser Weise missgedeutet wird. Von willkürlicher Missdeutung kann dagegen nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandergesetzt hat und seine Auffassung nicht jeden sachlichen Grundes entbehrt. Ein verfassungsgerichtliches Eingreifen gegenüber Entscheidungen der Fachgerichte unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Gleichheitssatzes in seiner Bedeutung als Willkürverbot kommt deshalb nicht schon bei jedem Fehler in der Rechtsanwendung, sondern nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht. Die Auslegung und Anwendung der einfach-rechtlichen Bestimmungen und damit auch die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Rechtsschutzinteresse gegeben ist, obliegt also primär den jeweils zuständigen Fachgerichten. Das Bundesverfassungsgericht ist nicht dazu berufen, Entscheidungen anderer Gerichte einer allgemeinen inhaltlichen Nachprüfung zu unterziehen (keine Superrevisionsinstanz). Auch rechtfertigt nicht jedes unsorgfältige Arbeiten der Gerichte das Verdikt der Verfassungsverletzung. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot wird auch nicht schon durch eine fehlerhafte Gesetzesanwendung begrü...