1. Geltung des Kündigungsschutzgesetzes
Rz. 11
§ 1a KSchG steht in systematischem Zusammenhang mit § 1 KSchG. Grundlegende Voraussetzung dafür, dass der Anspruch auf dem gesetzlich fixierten Wege entstehen kann, ist daher die Geltung des Kündigungsschutzgesetzes gem. § 23 KSchG. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass § 23 KSchG auch in seiner dem § 1a KSchG nachfolgenden Fassung § 1a KSchG nicht ausdrücklich als einen der Paragrafen aufzählt, die ungeachtet der Betriebsgröße gelten. Lobt ein Arbeitgeber allerdings in der Kündigungserklärung eine Abfindung aus, muss er sich an dieses rechtsgeschäftliche Angebot auch dann binden lassen, wenn das KSchG keine Anwendung findet. Auch in diesem Fall kann durch Verstreichenlassen der Klagefrist ein Vertrag zwischen den Arbeitsvertragsparteien zustande kommen, lediglich nicht nach weiterer Maßgabe des § 1a KSchG (siehe hierzu Rdn 48 f.).
Rz. 12
Nicht notwendig ist dagegen, dass der Arbeitnehmer die persönlichen Voraussetzungen des Kündigungsschutzes erfüllt. Denn § 1a KSchG nimmt § 1 KSchG nicht ausdrücklich in einen Rechtsgrund-Bezug. Die Gesetzesbegründung geht demgegenüber davon aus, dass § 1a KSchG nur dann gilt, wenn das Arbeitsverhältnis mindestens sechs Monate bestanden hat.
2. (Ordentliche) Kündigung wegen dringender betrieblicher Erfordernisse nach § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG
Rz. 13
Nach dem ausdrücklichen Wortlaut ist Voraussetzung, dass der Arbeitgeber wegen dringender betrieblicher Erfordernisse nach § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG kündigt.
Rz. 14
Die erste sich in diesem Zusammenhang stellende Frage ist, ob der Hinweis auf § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG bedingt, dass nur ordentliche Kündigungen Gegenstand eines Angebots nach § 1a KSchG sein können. Zutreffend dürfte sein, dass § 1a KSchG sich nur auf ordentliche Kündigungen bezieht. Zum einen ergibt sich dies ausdrücklich aus der Gesetzesbegründung. Zum anderen stehen die durch § 1a Abs. 1 S. 1 KSchG in Bezug genommenen "dringenden betrieblichen Erfordernisse nach § 1 Abs. 1 S. 1 KSchG" in einem systematischen Zusammenhang mit der ordentlichen Kündigung. Dringende betriebliche Belange, die im Rahmen des § 626 BGB bei ansonsten auch ordentlich kündbaren Beschäftigten einen wichtigen Grund zur Kündigung darstellen, sind gerade keine betrieblichen Belange des § 1 Abs. 1 KSchG, sondern solche des § 626 BGB.
Rz. 15
Bei tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern ist indes eine analoge Anwendung des § 1a KSchG möglich, wenn eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist ausschließlich aus betriebsbedingten Gründen ausgesprochen wird. Dabei ist bei teleologischer Auslegung von einer auszufüllenden gesetzlichen Lücke auszugehen. Denn Beschäftigte mit höherem Schutz (vor ordentlichen Kündigungen) würde sonst eine Gestaltungsmöglichkeit, ihr Arbeitsverhältnis betreffend, genommen. Dies ist mit dem Schutz vor ordentlichen Kündigungen nicht intendiert.
Rz. 16
Für verhaltens- oder personenbedingte ordentliche Kündigungen besteht die Möglichkeit des § 1a KSchG nicht. § 1a KSchG ist auch auf eine aus dringenden betrieblichen Gründen ausgesprochene Änderungskündigung anwendbar, soweit diese wegen Nichtannahme oder vorbehaltloser Ablehnung des Änderungsangebots zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt.
Rz. 17
Eine weitere sich ergebende Frage ist, ob es ausreicht, dass der Arbeitgeber sich auf die dringenden betrieblichen Gründe beruft, oder ob diese tatsächlich vorliegen müssen. Nach dem Wortlaut der Norm müssen die dringenden betrieblichen Gründe tatsächlich vorliegen ("wegen dringender betrieblicher Erfordernisse", nicht: "unter Berufung auf dringende betriebliche Erfordernisse"). In der Praxis spielt dies allerdings keine Rolle, weshalb auch zutreffend in der wohl überwiegenden Literatur vertreten wird, dass die Berufung auf dringende betriebliche Erfordernisse ausreicht.
Rz. 18
Praxishinweis
In der Praxis dürfte dieses Problem nicht relevant werden, da es an einem Kläger fehlt. Kommt nämlich ein Abfindungsanspruch nach § 1a KSchG zustande, wird der Arbeitnehmer sich nicht mehr darauf berufen können, dass die Kündigung nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse gerechtfertigt ist, denn die Klagefrist ist verstrichen. Zu dem Sonderfall der §§ 5, 6 KSchG vgl. Rdn 50 ff. Der Arbeitgeber wird sich zur Abwehr des Anspruchs des Arbeitnehmers ebenfalls nicht darauf berufen können, dass keine dringenden betrieblichen Gründe vorliegen. Denn das Gesetz verlangt zusätzlich den Hinweis des Arbeitgebers auf das Vorliegen der dringenden betrieblichen Erfordernisse. Eine spätere Berufung darauf, dass solche tatsächlich nicht vorgelegen haben, wäre widersprüchlich und rechtsmissbräuchlich.
Relevant ist die Frage allerdings in sozialrechtlicher Hinsicht. Obwohl die BA-GA159.1.2.1.1. feststellt, dass bei Annahme eines Angebots nach § 1a KSchG ein wichtiger Grund zur Lösung vorliegt und es dann nicht darauf ankommt, ob die drohende Arbeitgeberkündigung rechtmäßig war, gilt dies nur dann, wen der Arbeitnehmer nicht ordentlich unkündbar war und die ...