Dr. iur. Wolfram Viefhues
A. Scheidung
Rz. 1
Mit dem Ablauf des ersten Trennungsjahres liegen i.d.R. die Scheidungsvoraussetzungen vor, da nach § 1565 Abs. 1 BGB von einer Zerrüttung der Ehe ausgegangen wird. Stellen beide Ehegatten Scheidungsantrag, wird dies unwiderleglich vermutet (§ 1566 Abs. 1 BGB). Die Scheidung kann aber auch gegen den Willen des anderen Ehegatten ausgesprochen werden.
Rz. 2
Vor Ablauf des ersten Trennungsjahres ist eine Scheidung möglich, wenn ein Härtefall in der Person des anderen Ehegatten vorliegt (§ 1565 Abs. 2 BGB; siehe § 3 Rdn 149).
B. Auswirkungen des Ablaufs des ersten Trennungsjahres auf den Unterhalt
I. Verschärfung der Erwerbsobliegenheiten
Rz. 3
Überwiegend wird die Anwendung der neuen Grundsätze des nachehelichen Scheidungsrechts und vor allem die Verschärfung der Erwerbsobliegenheiten bereits auf den Trennungsunterhalt dann bejaht, wenn das Trennungsjahr abgelaufen ist und – zumindest wegen des gestellten Scheidungsantrages – das Scheitern der Ehe feststeht. (Einzelheiten siehe oben § 3 Rdn 51)
Rz. 4
Ist ein aus der Ehe hervorgegangenes Kind älter als 3 Jahre, soll eine Differenzierung nach kindbezogenen Gründen zwischen § 1570 Abs. 1 S. 2, 3 und § 1361 BGB nicht mehr zulässig sein.
Rz. 5
Praxistipp:
Hier kann es sich für den Unterhaltspflichtigen empfehlen, den Scheidungsantrag zu stellen, um damit das Scheitern der Ehe zu dokumentieren.
Im Hinblick auf diese Verschärfung der Erwerbsobliegenheit und die damit i.d.R. verbundene Verschlechterung des Unterhaltsanspruchs der Berechtigten lohnt sich eine Verzögerung des Trennungszeitraumes i.d.R. nicht.
II. Auswirkungen des Ablaufs des ersten Trennungsjahres auf die Bemessung des Wohnwerts (Wohnvorteils)
Rz. 6
Vom endgültigen Scheitern der Ehe mit der Folge der Anrechnung des vollen Wohnwertes wird teilweise bereits mit Ablauf des Trennungsjahres ausgegangen, ohne dass ein Versöhnungsversuch unternommen worden ist, weil in diesem Fall in der Regel von einer endgültigen Verfestigung der Trennung auszugehen sei.
Jedenfalls wird mit dem Abschluss einer notariellen Trennungs- bzw. Scheidungsfolgenvereinbarung das endgültige Scheitern der Ehe dokumentiert.
C. Auswirkungen des Ablaufs des ersten Trennungsjahres auf den Zugewinn
Rz. 7
Während der Ehe – also auch noch während der Trennungszeit bis zur rechtskräftigen Scheidung der Ehe – besteht eine Informationsverpflichtung aus § 1353 BGB mit dem Inhalt, jeweils dem anderen Ehegatten einen groben Überblick über wesentliche Vermögensbestandteile und ihren Wert zu geben. Dieser Informationsanspruch kann ggf. im Wege des Leistungsantrags vor dem Familiengericht geltend gemacht werden.
Rz. 8
Die praktische Bedeutung des Auskunftsanspruchs aus § 1379 Abs. 2 BGB, der vom Zeitpunkt der Trennung an geltend gemacht werden kann (siehe § 3 Rdn 157), ist gering.
Rz. 9
Praxistipp:
Dieser Auskunftsanspruch, der während der gesamten Trennungszeit geltend gemacht werden kann, bezieht sich aber immer nur auf das Vermögen zum Zeitpunkt der Trennung.
Es besteht kein permanenter Anspruch auf Auskunft zu anderen Zeitpunkten während des Trennungszeitraums.