a) Vollständige Erfüllung
Rz. 22
Die Anrechnung einer Gebühr ist nach § 15a Abs. 3, 1. Var. RVG entgegen dem Grundsatz dann im Kostenfestsetzungsverfahren zu berücksichtigen, wenn die erstattungspflichtige Partei die anzurechnende Gebühr bereits gezahlt oder anderweitig erfüllt hat. Erforderlich ist die Erfüllung bzw. Zahlung. Alleine die Rechnungsstellung führt noch nicht dazu, dass sich der Gegner auf die Anrechnung berufen kann.
Rz. 23
Hauptanwendungsfall ist hier die Anrechnung einer vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr, die als Schadensersatz mit eingeklagt wird.
Beispiel 12: Anrechnung bei Zahlung der Geschäftsgebühr
Im Rechtsstreit klagt der Kläger die Hauptforderung in Höhe von 8.000,00 EUR sowie eine vorgerichtlich entstandene 1,3-Geschäftsgebühr ein. Der Gegner zahlt während des Rechtsstreits sowohl die Hauptforderung als auch die Kosten. Daraufhin wird der Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Kosten werden dem Beklagten auferlegt (§ 91a ZPO).
Da der Beklagte die Geschäftsgebühr bereits gezahlt hat, kann er sich jetzt im Kostenfestsetzungsverfahren auf die Anrechnung berufen. Es dürfen lediglich noch 1,3 – 0,65 = 0,65 gegen ihn festgesetzt werden.
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
|
652,60 EUR |
|
(Wert: 8.000,00 EUR) |
|
|
2. |
gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen, |
|
– 326,30 EUR |
|
0,65 aus 8.000,00 EUR |
|
|
3. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3100 VV |
|
602,40 EUR |
|
(Wert: 8.000,00 EUR) |
|
|
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
948,70 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
180,25 EUR |
Gesamt |
|
1.128,95 EUR |
Rz. 24
Bei der Erfüllung muss es sich nicht um eine Zahlung handeln. Jede andere Erfüllung reicht auch aus, etwa eine Aufrechnung.
Beispiel 13: Anrechnung bei Aufrechnung
Der Kläger klagt die Hauptforderung in Höhe von 8.000,00 EUR sowie eine vorgerichtlich entstandene 1,3-Geschäftsgebühr ein. Der Beklagte bestreitet die Klageforderung nicht, rechnet gegen die Hauptforderung und den materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch jedoch mit einer Gegenforderung in Höhe von 12.000,00 EUR auf. Der Rechtsstreit wird daraufhin übereinstimmend für erledigt erklärt. Die Kosten werden dem Beklagten auferlegt (§ 91a ZPO).
Abzurechnen ist wie im vorangegangenen Beispiel 12. Auch jetzt dürfen lediglich noch 1,3 – 0,65 = 0,65 festgesetzt werden, da die Geschäftsgebühr des Klägers durch Aufrechnung erfüllt worden ist.
Rz. 25
Der Erfüllungseinwand kann aber auch andere anzurechnende Gebühren betreffen, etwa die Verfahrensgebühr eines Mahnverfahrens.
Beispiel 14: Anrechnung bei Zahlung der Mahnverfahrensgebühr
Der Kläger hatte zunächst ein Mahnverfahren wegen einer Forderung in Höhe von 8.000,00 EUR eingeleitet. Dagegen hatte der Beklagte Widerspruch erhoben, sodass die Sache an das Streitgericht abgegeben wurde. Zwischenzeitlich hatte der Beklagte die Forderung einschließlich der Kosten des Mahnverfahrens ausgeglichen. Daraufhin wird der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Dem Beklagten werden die Kosten des Verfahrens nach § 91a ZPO auferlegt.
Der Kläger muss sich jetzt die Verfahrensgebühr des Mahnverfahrens anrechnen lassen (Anm. zu Nr. 3305 VV), da diese bereits vom Beklagten bezahlt worden ist. Festzusetzen sind daher noch:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
|
652,60 EUR |
|
(Wert: 8.000,00 EUR) |
|
|
2. |
gem. Anm. zu Nr. 3305 VV anzurechnen, |
|
– 502,00 EUR |
|
1,0 aus 8.000,00 EUR |
|
|
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
170,60 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
32,41 EUR |
Gesamt |
|
203,01 EUR |
b) Teilweise Erfüllung
Rz. 26
Wird der Anspruch auf die anzurechnende Gebühr nur teilweise erfüllt, ist auch nur teilweise anzurechnen.
Beispiel 15: Anrechnung bei Teilzahlung
Der Kläger hatte zunächst ein Mahnverfahren wegen einer Forderung in Höhe von 8.000,00 EUR eingeleitet. Der Beklagte hatte daraufhin 5.000,00 EUR sowie eine 1,0-Gebühr aus 5.000,00 EUR nebst Auslagen und Umsatzsteuer gezahlt. Im Übrigen hat er Widerspruch eingelegt. Im streitigen Verfahren wird er zur Zahlung der weiteren 3.000,00 EUR verurteilt. Ihm werden die Kosten des Verfahrens auferlegt.
Der Kläger muss sich jetzt nach Anm. zu Nr. 3305 VV die Verfahrensgebühr des Mahnverfahrens anrechnen lassen, soweit sie gezahlt worden ist. Er kann daher noch folgende Vergütung zur Festsetzung anmelden:
I. |
Mahnverfahren |
|
|
1. |
1,0-Verfahrensgebühr, Nr. 3305 VV |
|
502,00 EUR |
|
(Wert: 8.000,00 EUR) |
|
|
2. |
abzgl. gezahlter 1,0 aus 5.000,00 EUR |
|
– 334,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
188,... |