1. Überblick

 

Rz. 14

Während § 15a Abs. 1 RVG regelt, wie mit dem Auftraggeber abzurechnen ist, regelt § 15a Abs. 3 RVG[3] die Kostenerstattung, also inwieweit sich ein Dritter auf die Anrechnung berufen kann. Streng genommen handelt es sich nicht um eine Frage des Vergütungsrechts, sondern um eine Frage der Kostenerstattung, sodass diese Regelung eigentlich in § 91 ZPO und vergleichbaren Vorschriften hätte angesiedelt werden müssen.

 

Rz. 15

Die jetzige Vorschrift des § 15a Abs. 3 RVG war bis zum 31.12.2021 in § 15a Abs. 2 RVG enthalten. Die Vorschrift ist inhaltlich aber nicht geändert worden. Lediglich durch die Einfügung eines neuen Abs. 2 (s.u. § 8 Rdn 62) hat sich eine Verschiebung ergeben. Auf die bisherige Rspr. zu § 15a Abs. 2 RVG kann daher nach wie vor zurückgegriffen werden.

[3] Bis zum 31.12.2020: § 15a Abs. 2 RVG.

2. Grundsatz

 

Rz. 16

Grundsätzlich kann sich ein Dritter nach § 15a Abs. 3 RVG nicht auf eine Anrechnung berufen. Da jede Gebühr selbstständig ist, kann die im Rechtsstreit obsiegende Partei also grundsätzlich die Festsetzung der vollen Verfahrensgebühr verlangen, und zwar unbeschadet der Anrechnung einer eventuell zuvor entstandenen Geschäftsgebühr.

 

Rz. 17

Das gilt auch, wenn nicht die Partei den Kostenerstattungsanspruch geltend macht, sondern der Rechtsanwalt, der nach § 126 ZPO die Kostenfestsetzung gegen den Gegner in eigenem Namen betreibt.[4]

 

Rz. 18

Der Erstattungspflichtige kann also vor allem nicht mehr – wie früher – einwenden, es sei auf Seiten des Erstattungsberechtigten zuvor eine anzurechnende Gebühr entstanden, daher seien die Kosten des Rechtsstreits um den anzurechnenden Betrag vermindert. Nur dann, wenn der Erstattungspflichtige selbst die anzurechnende Gebühr bereits gezahlt oder anderweitig erfüllt hat oder diese gegen ihn bereits tituliert ist, kann er sich nach § 15a Abs. 3 RVG auf die Anrechnung berufen.

 

Beispiel 8: Volle Kostenerstattung trotz Anrechnung (Rechtsstreit)

Der Beklagte war vorgerichtlich in Höhe von 8.000,00 EUR in Anspruch genommen worden und hatte durch seinen Anwalt die Forderung abwehren lassen. Angefallen war insoweit eine 1,3-Geschäftsgebühr. Es kam hiernach zum Rechtsstreit. Die Klage wurde abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits hatte der Kläger zu tragen.

Während nach der ursprünglichen Rspr. des BGH der Beklagte im Kostenfestsetzungsverfahren nur noch die Verfahrensgebühr abzüglich der hälftig anzurechnenden Geschäftsgebühr (also 1,3 – 0,65 = 0,65) verlangen konnte, kann sich die erstattungspflichtige Partei nach § 15a Abs. 3 RVG auf diese Anrechnung nicht mehr berufen. Gegen sie muss die volle 1,3-Verfahrensgebühr festgesetzt werden:

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   652,60 EUR
  (Wert: 8.000,00 EUR)    
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3100 VV   602,40 EUR
  (Wert: 8.000,00 EUR)    
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.275,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   242,25 EUR
Gesamt   1.517,25 EUR
 

Rz. 19

Dieser Grundsatz des § 15a Abs. 3 RVG hat mit dem 2. KostRMoG auch Einzug in verwaltungs-, sozial- und steuerrechtlichen Angelegenheiten sowie in Verfahren nach der WBO und WDO gehalten. Das gilt nicht nur im gerichtlichen Verfahren, sondern auch bei einer Erstattung im Nachprüfungsverfahren.[5]

 

Beispiel 9: Volle Kostenerstattung trotz Anrechnung (verwaltungsrechtliches Nachprüfungsverfahren)

Der Anwalt wird im Verwaltungsverfahren vor der Behörde beauftragt (Wert: 6.000,00 EUR). Gegen den Bescheid der Behörde legt er Widerspruch ein, der erfolgreich ist, sodass die Behörde die Kosten des Widerspruchsverfahrens erstatten muss. Sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im Widerspruchsverfahren war die Sache umfangreich und schwierig, aber durchschnittlich.

Gegenüber dem Mandanten rechnet der Anwalt – ausgehend von den Mittelgebühren – wie folgt ab:

 
I. Verwaltungsverfahren    
1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV   585,00 EUR
  (Wert: 6.000,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 605,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   114,95 EUR
Gesamt   719,95 EUR
II. Widerspruchsverfahren    
1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV   585,00 EUR
  (Wert: 6.000,00 EUR)    
2. gem. Vorbem. 2.3 Abs. 4 VV S. 1 anzurechnen,   – 292,50 EUR
  0,75 aus 6.000,00 EUR    
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 312,50 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   59,38 EUR
Gesamt   371,88 EUR
Gesamt I. + II.   1.091,83 EUR

Zu erstatten ist jedoch unter Berücksichtigung des § 15a Abs. 3 RVG die volle Geschäftsgebühr des Widerspruchsverfahrens, unbeschadet der Anrechnung:

 
1. 1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV   585,00 EUR
  (Wert: 6.000,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 605,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   114,95 EUR
Gesamt   719,95 EUR
 

Rz. 20

 

Beispiel 10: Volle Kostenerstattung trotz Anrechnung (sozialrechtliches Nachprüfungsverfahren)

Der Anwalt wird im Verwaltungsverfahren vor der Sozialbehörde beauftragt. Gegen den Bescheid der Behörde legt er Widerspruch...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?