Rz. 175

Es gibt zwei Werke, die Tabellen zur Berechnung der Höhe des Haushaltsführungsschadens beinhalten. Das ursprünglich von Schulz-Borck und Hofmann gegründete Werk "Schadensersatz bei Ausfall von Hausfrauen und Müttern im Haushalt" wurde dann in veränderter Autorenschaft nach dem Ableben des ersten und dann zweiten Autors von Pardey in der aktuellen 8. Auflage aus dem Jahr 2013 unter dem Titel "Der Haushaltsführungsschaden" fortgesetzt. Sämtliche Autoren dieses Tabellenwerks haben sich hierfür auf die Erhebungen des Statistischen Bundesamts zur Zeitverwendung im Haushalt gestützt. Dazu wurde das allgemein zugängliche und vom Statistischen Bundesamt unter völlig anderen als schadensersatzrechtlichen Aspekten aufbereitete Datenmaterial herangezogen. Berücksichtigt man, dass die Erhebungen zur Zeitverwendung z.B. im Auftrag des Familienministeriums mit spezieller eigener Zielsetzung erfolgten, so ist es mehr als fraglich, ob die gewonnenen Datensätze ohne Weiteres zur Berechnung von Schadensersatzansprüchen im Bereich der Haushaltsführung überhaupt herangezogen werden können. Daneben im vorgenannten Tabellenwerk unterstützend herangezogene Erhebungen des Kuratoriums für Technik und Landwirtschaft (KTBL) sind inzwischen zum Teil älter als 20 Jahre und verdienen damit nicht mehr das Prädikat der Aktualität. Diese seinerzeit verdienstvollen Erhebungen werden schon seit Jahren nicht mehr aktualisiert und können deshalb nicht unreflektiert in ein Tabellenwerk übernommen werden.

Daneben existiert ein aktuelles Tabellenwerk in 1. Auflage 2017 von Schah Sedi, "Praxishandbuch Haushaltsführungsschaden" (IFH-Tabelle/Schah Sedi). Dieses Tabellenwerk basiert auf einer Sonderauswertung der zuletzt im Jahr 2012/2013 durchgeführten Zeitverwendungserhebung des Statistischen Bundesamtes. Im Unterschied zu den Tabellen des zuvor genannten Werks wurden die vom Statistischen Bundesamt für die breite Öffentlichkeit publizierten Auswertungsergebnisse nicht 1 : 1 übernommen. Das Institut für Haushaltsführungsschaden hat im Rahmen einer Sonderauswertung der statistischen Erhebungsdaten ganz gezielt die im Schadensersatzrecht berücksichtigungsfähigen Haushaltstypen und jeweiligen Konfigurationen menschlichen Zusammenlebens aus dem Datenpool durch das Statistische Bundesamt selbst herausfiltern lassen. Dabei erfolgte eine Bereinigung um solche Daten, die z.B. aus Wohngemeinschaften oder Mehrgenerationen-Lebensgemeinschaften in die allgemeine Erhebung eingeflossen waren. Auch Erhebungsergebnisse aus Studentenwohngemeinschaften, Pflegeeinrichtungen etc. wurden ausgeblendet. Übrig blieb demnach ein Datenvolumen, welches ausschließlich die klassischen Haushaltstypen, wie Single-Haushalte, Paarhaushalte, Familienhaushalte mit Kindern und Alleinerziehende, abbildet. Die in diesem Zusammenhang gewonnenen Daten sind realitätsnah und bedürfen keiner weiteren Korrektur, weil "Datenverunreinigungen" der zuvor genannten Art bereits professionell beim Statistischen Bundesamt im Auftrag des Instituts für Haushaltsführungsschaden herausgefiltert worden sind. Auch wurden die in der IFH-Tabelle/Schah Sedi genannten Haushaltstypen 1–3 einkommensabhängig aus den aktuellen Datensätzen vom Statistischen Bundesamt herausgefiltert. Deshalb basieren die nachfolgenden Ausführungen, soweit auf Tabellen Bezug genommen wird, ausschließlich auf dem Tabellenwerk von Schah Sedi, Praxishandbuch Haushaltsführungsschaden, 1. Auflage 2017. Zum besseren Verständnis der nachfolgenden Ausführungen ist es hilfreich, dieses begleitend zur Hand zu nehmen.

 

Rz. 176

Es ist allgemein bekannt, dass Tabellen, die auf statistischen Erhebungen zur Zeitverwendung im Haushalt beruhen, keine Anspruchsgrundlage im Rechtssinne darstellen. Derartige Tabellen können dem Tatrichter in Ermangelung abweichender konkreter Gesichtspunkte im zu beurteilenden Sachverhalt bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO aber eine Orientierung sein. Konkret hat der BGH im Jahr 2009 (3.2.2009 – VI ZR 183/08) dieses für den Sachverhalt entschieden, in dem eine verletzte Motorradfahrerin einen Anspruch auf Ersatz des Haushaltsführungsschadens während der Zeiten geltend gemacht hat, in denen sie in ihrem 1-Personenhaushalt nicht zugegen war, weil sie stationär in einer Klinik und einer Reha-Einrichtung war. Konkrete Gesichtspunkte zum bei vollständiger Abwesenheit gleichwohl im Haushalt entstehenden Zeitaufwand konnte sie naturgemäß nicht vortragen. In dieser Konstellation hat der BGH auf statistische Durchschnittswerte (Tabelle) zurückgegriffen, weil in Ermangelung der Möglichkeit des Vortrags der Klägerin eine Schadensschätzung anders nicht möglich war. Wie hätte die Klägerin auch vortragen können, wie viel Hausarbeit noch anfällt, die sie nicht leisten kann, weil sie sich unfallbedingt nicht im Haushalt aufhalten konnte?

 

Rz. 177

Tatsächlich sind Tabellen auch neben der konkreten Zeiterfassung des Geschädigten hilfreich. Sie können dazu dienen, die zeitlichen Angaben des Geschädigten zu seinen Einschränkunge...

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