Cordula Schah-Sedi, Michel Schah-Sedi
Rz. 31
Ausgehend von dem monatlichen Durchschnittseinkommen aller Bundesbürger (Bruttomonatseinkommen = BME) werden die einzelnen Behandlungs-Stationen mit Prozentsätzen (15 % bis 7 %) bemessen. Es gibt ein sogenanntes 5-Stufenmodell: Die 1. Stufe ist die Intensivstation, die 2. Stufe die Normalstation, die 3. Stufe die Rehabilitationsphase, die 4. Stufe die häusliche ambulante Behandlung und die 5. Stufe ist der Dauerschaden:
1. Stufe |
Intensivstation |
15 % des durchschnittlichen BME |
2. Stufe |
Normalstation |
10 % des durchschnittlichen BME |
3. Stufe |
Rehabilitationsphase |
9 % des durchschnittlichen BME |
4. Stufe |
häusliche ambulante Behandlung |
8 % des durchschnittlichen BME |
5. Stufe |
Dauerschaden nach GdS |
7 % des durchschnittlichen BME |
Bei den Dauerschäden ist zu unterscheiden, ob hier 100 %, 80 %, 70 %, 50 % oder nur 10 % GdS (= Grad der Schädigungsfolgen) vorliegen. Wenn lediglich 10 % GdS vorliegen, nimmt man eben auch nur 10 % von 7 % des durchschnittlichen BME als Tagessatz. Hat man dagegen 30 % Dauerschaden nach GdS, rechnet man 30 % von 7 % des durchschnittlichen BME als Tagessatz. Wir sehen, dass das Modell bei der Ermittlung des Tagessatzes extrem einfach und gerecht ist, weil jeweils die einzelnen Tage, die jemand auf der Intensivstation, der Normalstation, der Rehastation verbracht hat oder in häuslich ambulanter Behandlung war oder einen Dauerschaden hat, einfach nur zu addieren sind, um einen Gesamtbetrag zu erlangen. Später wird in zwei Musterbeispielen noch einmal das System zur Verdeutlichung dargestellt (siehe dazu Rdn 41).
Rz. 32
Teilweise wurde im Vorfeld kritisiert, dass die Mathematik nicht in die Jurisprudenz dauerhaft Einzug erhalten soll. Wir meinen jedoch, dass dies durchaus berechtigt ist, denn beim Erwerbsschaden, beim Haushaltsführungsschaden und auch bei den vermehrten Bedürfnissen werden mittlerweile ganz normale Berechnungen angestellt, um auf ein Ergebnis zu kommen. Selbstverständlich kann der Richter im Rahmen des 5-Stufen-Modells, z.B. bei der 2. Stufe des Schmerzensgeldes, Änderungen (Zu- oder Abschläge) vornehmen. Das ändert aber nichts daran, dass zunächst von einer mathematischen Basis auszugehen ist, um einen Wert zu haben, der für alle gilt und viel gerechter ist als das bisherige System.
Rz. 33
Die Aufteilung nach den verschiedenen Stationen, also Intensivstation, Normalstation, Rehastation, häusliche Behandlung, ist sinnvoll, weil es unter dem maßgeblichen Kriterium der Lebensbeeinträchtigung natürlich einen gravierenden Unterschied macht, wo der Betroffene behandelt wurde.
Die Intensivstation ist bei schwer erkrankten Patienten, die ums Überleben kämpfen, bei denen mehrere Vitalfunktionssysteme in einem kritischen Zustand sind, die Station, die das Leben des Geschädigten am meisten beeinträchtigt. Von daher ist der Zeitraum der Intensivstation auch am höchsten zu bewerten. Jeder der einmal auf einer Intensivstation gewesen ist, weiß, welche Lebensbeeinträchtigung diese darstellt. Intensivstation bedeutet lückenlose und permanente Pflege, ferner die vollständige Kontrolle des gesamten persönlichen Lebens des Geschädigten einschließlich seiner intimsten Vorgänge – 24 Stunden lang. Die Menschen, die auf einer Intensivstation liegen, können in der Regel selbst fast gar nichts mehr machen.
Bei der Normalstation ist die Beeinträchtigung etwas geringer, aber immer noch groß. Auch hier ist der Geschädigte fast komplett fremdbestimmt; der gesamte Tagesablauf wird vom Krankenhaus vorgegeben. Der Geschädigte kann fast keine Wünsche äußern, vielmehr gibt das Krankenhaus den Ablauf vor, weil es ansonsten die Bewältigung der Arbeit nicht leisten könnte. Bei der Mehrzahl der Patienten ist davon auszugehen, dass kein Einzelzimmer vorhanden ist, so dass bei den Besuchszeiten die anderen Besucher und Patienten die Gespräche der Patienten und Besucher mithören. Die Privatsphäre ist minimal. Aus diesem Grund sollte auch diese Lebensbeeinträchtigung mit einem hohen Prozentsatz innerhalb der Ermittlung des Tagessatzes bemessen werden. Zur Kontrolle kann man z.B. die Frage stellen, ob die Patienten sich freiwillig auf eine Normalstation einweisen lassen würden. Die Antwort ist in 100 % der Fälle nein. Auf einer Normalstation ist eine erhebliche Lebensbeeinträchtigung gegeben.
Bei der dritten Station, der Rehabilitation, sieht es schon etwas besser aus. In der Regel ist aber auch hier der Geschädigte ans Bett gefesselt. Es bedarf einer Rundumbetreuung und die Privatsphäre ist auch nicht ausgeprägt. Die Rehastation ist im Grunde genommen ein Krankenhaus in einem freundlichen Gewand. Deswegen ist bei der Ermittlung des Tagessatzes bei der Rehastation nicht von 10 %, wie bei der Normalstation, sondern von 9 % auszugehen.
Die vierte Station ist die häuslich ambulante Behandlung. Hier fühlt sich der Patient schon besser, ist aber immer noch in seinem Leben stark beeinträchtigt. Nicht umsonst sagt man: "Gesund wirst du erst, wenn du das Krankenhaus verlassen hast". Allerdings sind die Geschädigten überwiegend...