Rz. 194

Die Ermittlung des Haushaltsführungsschadens erfolgt analog zum Genesungsverlauf. Meistens ist er in Schadensnähe höher als zu dem Zeitpunkt, zu dem die medizinische Wiederherstellung abgeschlossen ist. Die medizinische Wiederherstellung ist nicht gleichbedeutend mit der vollständigen Wiederherstellung der physischen und psychischen Leistungsfähigkeit vor dem Schadensereignis. Das ist bei schweren und schwersten Personenschäden eher selten der Fall. Der Begriff der medizinischen Wiederherstellung meint vielmehr, dass weitere medizinische Verbesserungen nicht mehr möglich sind und der Geschädigte mit den verbliebenen Einschränkungen leben und seinen Haushalt verrichten muss. Er bedeutet das Ende der ärztlichen Bemühungen. Dieser Zeitpunkt ist der Beginn der Dauer-MdH. Verbesserungen und Verschlechterungen des medizinischen Status machen die Neuberechnung der Dauer-MdH erforderlich, was jedoch oft erst nach einem mehrmonatigen oder gar mehrjährigen Zeitraum erforderlich ist.

Allerdings beeinflussen Veränderungen im persönlichen Lebensbereich die Höhe des Haushaltsführungsschadens durchaus ebenso. So führt neben der Eheschließung die Geburt eines oder mehrerer Kinder bei gleichbleibend (schlechtem) Gesundheitsstatus zur Neuberechnung des Anspruchs ebenso wie umgekehrt die Verkleinerung des Haushalts durch Ehescheidung oder das Verlassen des elterlichen Haushalts der in Ausbildung befindlichen Kinder oder bereits ausgebildeten Kinder.

Sowohl die gesundheitliche Entwicklung nach dem Schadensereignis als auch die persönliche Entwicklung innerhalb des familiären Umfelds liefern also Parameter, die in der Berechnung des Haushaltsführungsschadens zwingend abgebildet werden müssen. Aus diesem Grunde hat es sich bewährt, den Haushaltsführungsschaden in einzelnen Zeitfenstern zu ermitteln und diese Teilergebnisse sodann zu addieren.

 

Rz. 195

Das erste Zeitfenster stellen die stationären Aufenthalte dar. Davon betroffen sind Klinikaufenthalte ebenso wie stationäre Reha-Maßnahmen. Diesem Zeitfenster ist inhärent, dass der Geschädigte hinsichtlich seiner Eigenversorgung im Haushalt keiner Hilfe bedarf, da er bei stationärer Unterbringung vollumfänglich hauswirtschaftlich versorgt wird. Schadensersatzrechtlich relevant sind die Anteile im 1-Personenhaushalt, die trotz Abwesenheit nicht wegfallen (wie z.B. Blumen gießen, Postkasten leeren, im Winter heizen und Schnee räumen, ggf. Treppenhausreinigung und Straßendienst, Lüften im Allgemeinen und Schriftverkehr mit Versicherungen und sonstigen Dritten; ggf. ist die Wäsche des Geschädigten daheim zu waschen). Ebenso sind schadensersatzrechtlich relevant die Fremdversorgungsanteile in der "Restfamilie", die durch die Abwesenheit des Geschädigten vereitelt werden (Erwerbsschadensanteil beim Haushaltsführungsschaden).

In diesem ersten Zeitfenster werden sämtliche stationäre Zeiten aufaddiert, egal wann sie schadensbedingt aufgekommen sind.

 

Rz. 196

Im zweiten Zeitfenster werden alle Zeiten erfasst, in denen der Geschädigte nicht stationär aufgenommen wurde, weil er in der Häuslichkeit entweder auf eine stationäre Reha-Maßnahme gewartet hat oder er ambulante Therapien wahrgenommen hat. Dieses zweite Zeitfenster endet in dem Moment, in dem die medizinische Wiederherstellung abgeschlossen ist. In diesem Zeitraum finden sich unterschiedliche Genesungsqualitäten. Aus pragmatischen Gründen spricht nichts dagegen, diese Zeiten zusammenzufassen und sie einer einheitlichen Schadensschätzung zuzuführen, wenn ein weitgehend homogenes Schadensbild besteht.

Manchmal sind Geschädigte im zweiten Zeitfenster zunächst auf den Rollstuhl zur Fortbewegung angewiesen (obwohl sie nicht querschnittsgelähmt sind). Nach einiger Zeit der medizinischen Verbesserung können sie sich auf Unterarmgehstützen fortbewegen oder benötigen nur noch einseitig eine Gehhilfe, die sie nach einigen Wochen auch ablegen können. Hier kann manchmal eine Zäsur erforderlich werden und ein drittes Zeitfenster definiert werden.

 

Rz. 197

Schließlich bildet das dritte Zeitfenster dann den Zeitraum ab Eintritt der Dauer-MdH, die wiederum daran geknüpft ist, dass weitere medizinische Verbesserungen nicht möglich sind.

 

Rz. 198

 

Praxistipp

Zur Abgrenzung der einzelnen Zeitfenster sollte sich der Anwalt eine kalendarische Jahresübersicht (12 Monate auf einem DIN A4-Blatt) für jedes Kalenderjahr (einschließlich des Unfalljahres) ab dem Verkehrsunfall anfertigen (siehe § 2 Rdn 16). Auf diesen Blättern sollen zweckmäßigerweise die stationären Aufenthalte des Mandanten farbig markiert werden. Mit Hilfe der Kalenderblätter kann der gesamte Zeitraum der stationären Aufenthalte mühelos durch Addition der Wochen/Monate ermittelt werden (= 1. Zeitfenster), die dazwischen liegenden Zeiträume können ebenso einfach addiert werden (= 2. Zeitfenster) und an die Entlassung aus der letzten stationären Maßnahme kann sich dann die Dauer-MdH anschließen (= 3. Zeitfenster).

Für jedes einzelne gebildete Zeitfenster ist eine MdH nach den oben dargestellten Grund...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge