Dipl.-Kfm. Michael Scherer
Rz. 26
Eine Ergänzung zu Nr. 2300 VV RVG ist in Nr. 2301 VV RVG normiert. Diese Vorschrift soll die Vergütung des RA für Schreiben, die erfahrungsgemäß nur wenig Arbeit verursachen, herabsetzen. Solche Schreiben werden im RVG als Schreiben einfacher Art bezeichnet, aber meistens nur einfache Schreiben genannt.
Ob ein einfaches Schreiben durch den RA zu erstellen ist, ergibt sich erstens aus dem Auftrag des Mandanten und zweitens aus der Art und dem Inhalt des Schreibens. Wenn der RA nur den Auftrag erhalten hat, ein Schreiben im Sinne von Nr. 2301 VV RVG zu fertigen, dann erhält er auch nur die entsprechende Gebühr, selbst wenn das Schreiben länger ausfällt. Hat er einen über den Rahmen von Nr. 2301 VV RVG hinausgehenden Auftrag, dann wird er nach Nr. 2300 VV RVG vergütet, selbst wenn seine Tätigkeit dann doch nicht so umfangreich wird, was jedoch gemäß § 14 RVG durch die Festlegung der Gebühr innerhalb des Gebührenrahmens der Geschäftsgebühr zu berücksichtigen ist.
Einige Beispiele für Schreiben einfacher Art sind die folgenden Schreiben: einfaches Mahnschreiben, einfache Kündigungen, Ermittlung der neuen Anschrift des Schuldners z. B. durch Anfrage beim Einwohnermeldeamt.
Rz. 27
Wann ein Schreiben "einfach" ist, wird wohl auch vom äußeren Eindruck des Schreibens abhängen. Ein kurzes Schreiben wird sicherlich meist auch einfach sein. Gemäß der Anmerkung zu Nr. 2301 VV RVG handelt es sich dann um ein Schreiben einfacher Art, wenn dieses weder schwierige rechtliche Ausführungen noch größere sachliche Auseinandersetzungen enthält. "Leichtere" rechtliche Ausführungen und "kleinere" sachliche Auseinandersetzungen sind also durchaus noch einfach. Behalten Sie im Auge, dass es darauf ankommt, ob der erteilte Auftrag auf die Erstellung eines einfachen Schreibens zielte, oder ob er darüber hinausging. Der spätere tatsächliche Inhalt des Schreibens ist für die Gebühr unerheblich. Insbesondere liegt selbstverständlich dann kein einfaches Schreiben vor, wenn der RA über die Anfertigung des Schreibens hinaus den Auftraggeber beraten hat und vor Abfassung des Schreibens zunächst rechtliche Fragen hat klären müssen.
Rz. 28
Wenn sich der Auftrag und die Tätigkeit des RA auf ein einfaches Schreiben beschränkt, erhält er hierfür eine 0,3 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2301 VV RVG. Hat der RA die Gebühr verdient und bekommt er in dieser Angelegenheit den neuen Auftrag, nunmehr gerichtlich vorzugehen, ist diese Geschäftsgebühr zur Hälfte anzurechnen (Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG).
Rz. 29
Für mehrere einfache Schreiben in derselben Angelegenheit war lange umstritten, ob der RA dafür in derselben Angelegenheit die Gebühr nur einmal erhält. Nach inzwischen überwiegender Meinung ist die Geschäftsgebühr nach Nr. 2301 VV RVG nur anzuwenden, wenn nur ein einziges einfaches Schreiben erstellt wird. Bei mehreren einfachen Schreiben in einer Angelegenheit ist die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG anzuwenden.
Rz. 30
Für ein Aufforderungsschreiben ohne Klageauftrag wird die 0,3 Geschäftsgebühr (Nr. 2301 VV RVG) meistens nicht berechnet, weil der RA oft noch einen über die Erstellung des Schreibens hinausgehenden Auftrag hat. Ein Schreiben ist dann einfach, wenn es weder schwierige rechtliche Ausführungen noch größere sachliche Auseinandersetzungen enthält. Dies könnte bei den häufig verwendeten Vordrucken bzw. Textbausteinen für Aufforderungsschreiben durchaus der Fall sein. Jedoch wird der RA über das reine Schreiben des Aufforderungsschreibens hinaus seinen Mandanten beraten, den Beginn des Verzuges und die Höhe des Zinssatzes der Verzugszinsen feststellen, den Fortgang der Sache weiter im Auge behalten, je nach Sachlage und Notwendigkeit ein weiteres Mahnschreiben an den Schuldner senden und Zahlungen des Schuldners auf ihre Richtigkeit hin überprüfen. Eine Tätigkeit mit diesen Merkmalen fällt jedoch unter Nr. 2300 VV RVG, denn in diesen Fällen wird ein "Geschäft betrieben".
Aus diesen Gründen wird für ein Aufforderungsschreiben ohne Klageauftrag in den meisten Fällen eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG und nicht nach Nr. 2301 VV RVG berechnet.
Rz. 31
Wann wird denn nun ein Aufforderungsschreiben ohne Klageauftrag nach Nr. 2301 VV RVG vergütet? Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass eine 0,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2301 VV RVG nur dann für ein solches Schreiben entsteht, wenn
▪ |
der Auftrag des RA nur dahin geht, ein einfaches Schreiben ohne schwierige rechtliche Ausführungen oder größere sachliche Auseinandersetzungen zu fertigen, und |
▪ |
der RA nicht damit beauftragt wird, für den Mandanten ein Geschäft zu betreiben, also ihn zu beraten und über das Erstellen des Schreibens hinaus ihn zu betreuen und sich um den weiteren Fortgang der Angelegenheit zu kümmern. Dass der RA, um das Schreiben anfertigen zu können, die notwendige Information vom Auftraggeber entgegennehmen muss, ist selbstverständlich und stellt noch kein Betreiben eines Geschäfts dar. |
Merke:
Bei einem Auftrag für ein Aufforderungsschreiben ohne Klageauftrag wird in den me...