I. Einleitung
Rz. 1
In der anwaltlichen Praxis wird regelmäßig unscharf zwischen der bloßen Vollmachtserteilung und der Beauftragung unterschieden. Dieses Phänomen ist nicht neu und wird selten problematisiert. Ernst wird es aber, wenn der Mandant bei der Durchsetzung der Vergütungsrechnung einwendet, den Rechtsbeistand nicht mit seiner rechtlichen Beratung und Vertretung beauftragt zu haben oder nicht richtig oder vollständig beraten worden zu sein.
II. Rechtsbeziehung zwischen dem Mandanten und dem Anwalt
Rz. 2
"Der Schuster hat immer die schlechtesten Schuh." Diese alte Weisheit soll immer noch Gültigkeit haben. So oder ähnlich überspitzt umschrieben, könnte man die Situation bezeichnen, in der sich der Rechtsanwalt zum Zeitpunkt der Mandatsanbahnung befindet. Teils aus Zeitnot, teils aus Angst den Mandanten zu verprellen, manchmal auch aus Unkenntnis über den Gegenstand des Auftrages und der Vollmacht wird oft erst spät im Zusammenhang mit der Durchsetzung des Vergütungsanspruches der Gegenstand und der Umfang des Anwaltsvertrages und der Vollmacht reflektiert. Formularmäßige Vereinbarungen sind wenig verbreitet. ""Nicht alles geht, was Anwälte wünschen – und doch: Es geht mehr, als viele denken"." (vgl. Blattner, Formularvertragliche Vereinbarungen im Anwaltsvertrag, AnwBl 2012, 237 ff.).
III. Anwaltsvertrag, Auftragserteilung und Vollmacht
Rz. 3
Der Anwaltsvertrag stellt regelmäßig einen Geschäftsbesorgungsvertrag nach §§ 675, 611 ff. BGB dar (BGH Urt. v. 10.7.2003 – IX ZR 5/00, NJW 2003, 2986). Fast immer wird die Auftragserteilung durch den Mandanten nicht schriftlich formuliert. In der teils irrigen Annahme, die schriftliche Bevollmächtigung in dem gängigen Vollmachtsformular ersetze den Auftrag, wird übersehen: Die lediglich das Außenverhältnis regelnde Vollmacht stellt allenfalls ein Indiz für die Auftragserteilung dar und sie kann durch schlüssiges Bestreiten des Auftraggebers entkräftet werden. So beispielsweise, wenn der Mandant behauptet, dem Rechtsbeistand überhaupt keinen Auftrag, keinen Auftrag zur Klageerhebung oder zumindest nicht in der geltend gemachten Höhe erteilt zu haben.
Rz. 4
Zudem muten die üblichen anwaltlichen Vollmachtsformulare in ihrer Rechtsarchitektur wie die neun Schichten von Troja an, wo fein ausgraben werden muss, um den Gegenstand und den Umfang der Bevollmächtigung zu erkennen. Oft vergehen Jahre bis der Verwender der Urkunde selbst Kenntnis von dem Inhalt der Vollmacht nimmt. Das Phänomen ist nicht ungewöhnlich.
Rz. 5
Bei der anwaltlichen Vollmachtsurkunde handelt es sich lediglich um ein Legitimationspapier, welches die Bevollmächtigung des Berufsträgers nach außen hin dokumentiert. Zwar ist die Vollmacht nicht an eine Form gebunden, sie muss jedoch eindeutig sein. Gewöhnlich finden sich in der Praxis Vollmachtsformulare, die mit "Verteidigervollmacht", "Außergerichtliche Vollmacht" oder "Prozessvollmacht" übertitelt werden, ohne den Gegenstand und den Umfang der vorgelegten Vollmacht zu reflektieren oder konkret zu bezeichnen. In der grundsätzlich richtigen Annahme, die mündliche Bevollmächtigung stelle eine ausreichende Bevollmächtigung dar, wird übersehen, dass die Vollmachturkunde gerade nur das Außenverhältnis regelt. Bestreitet der Gegner eine wirksame Bevollmächtigung im Allgemeinen oder die Geldempfangsvollmacht im Besonderen, trägt der Berater nach allgemeinen Grundsätzen die Beweislast für seine Bevollmächtigung (Samimi, Der Anwaltsvertrag – Nachweis des Auftragsgegenstands und des Handlungsauftrags – unter Berücksichtigung der Aufklärungsobliegenheit des § 49b Abs. 5 BRAO n.F., zfs 2005, 324). Nachteilige Folgen kann es insoweit auch haben, wenn die Vollmacht von dem Mandanten – wie so oft – als sogenannte Blankovollmacht unterzeichnet wird und dieser dann später behauptet, die Vollmacht sei erst zu einem späteren Zeitpunkt mit einem nicht gewollten Inhalt durch den Rechtsanwalt versehen worden.
Rz. 6
Bestreitet der Mandant das Zustandekommen eines Vertrages, trägt der Anwalt nach allgemeinen Grundsätzen die Beweislast für das Zustandekommen der Abmachung (OLG Düsseldorf AnwBl 1986; BGH Urt. v. 17.7.2003 – IX ZR 250/02, VersR 2004, 1561).
Rz. 7
Dafür reicht die entfaltete anwaltliche Tätigkeit des Advokaten zum Nachweis der Auftragserteilung oft nicht aus, auch wenn dies zunächst absurd klingen mag. Da der Anwaltsvertrag zu seiner Wirksamkeit grundsätzlich keiner Form bedarf, kann er auch durch schlüssiges Verhalten der Vertragsparteien zustande kommen (BGH NJW 1991, 2084; BGH VersR 1981, 460; OLG Stuttgart AnwBl 1976, 439, 441). Darin besteht aber auch das Problem, weil im Interesse der Rechtssicherheit an die Annahme des Vertragsabschlusses durch schlüssiges Verhalten erhöhte Anforderungen zu stellen sind (BGH NJW 1991, 2084; BGHZ 91, 324; 109, 171, 177). Nicht selten nämlich behauptet der auf Zahlung der Rechtsanwaltsvergütung in Anspruch genommene Schützling, den Anwalt gar nicht um Rat ersucht zu haben oder den Anwalt nicht mit der vorgenommenen Prozesshandlung beauftragt zu haben. In einem vom BGH zu entscheidenden Fall unterlag der klagende Sachwalter, weil es ihm nicht gela...