Rz. 91

Der Architekt ist grundsätzlich Sachwalter des Bauherrn. Deshalb treffen ihn auch im wirtschaftlichen und – soweit er hier zulässig tätig wird – rechtlichen Bereich bestimmte Pflichten.

 

Rz. 92

Zwar ist der Architekt kein Treuhänder der Vermögensinteressen des Bauherrn, jedoch muss die Planung des Architekten die wirtschaftlichen Belange des Auftraggebers berücksichtigen. Dazu gehört z.B. auch, dass der Architekt auf die Möglichkeit öffentlicher Fördermittel bzw. auf steuerliche Vergünstigungen hinzuweisen hat.

 

Rz. 93

Bei der Vorbereitung und Durchführung der Vergabe können dem Architekten auch im rechtlichen Bereich haftungsrelevante Fehler unterlaufen. Der Architekt muss bei seiner Beratung Grundkenntnisse der wesentlichen Grundsätze des Werkvertragsrechtes haben und die Grundzüge der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch zur VOB/B kennen. Empfiehlt der Architekt dem Bauherrn die Verwendung bestimmter Bauvertragsmuster, kann er sich u.U. Haftungsrisiken aussetzen, wenn einzelne Bestimmungen der von ihm empfohlenen Vertragsmuster unwirksam sind.[190]

Gerade hinsichtlich der Wirksamkeit/Unwirksamkeit einzelner Klauseln der VOB/B ist die Rechtslage unter Umständen komplex – jüngstes Beispiel dafür wäre etwa das Urteil des BGH v. 19.1.2023,[191] mit dem der BGH entschieden hat, dass § 4 Nr. 7 S. 3 i.V.m. § 8 Nr. 3 Abs. 1 S. 1 Var. 1 der VOB/B 2002 unwirksam ist.

 

Rz. 94

Ferner können dem Architekt Fehler im Kostenbereich unterlaufen. Dabei werden in der Rechtsprechung und Literatur unter dem Stichwort Bausummenüberschreitung unterschiedliche Konstellationen behandelt. Richtigerweise ist bei den Haftung auslösenden Konstellationen im Einzelnen zu unterscheiden zwischen der strengen Bausummengarantie/Baukostengarantie, der Vereinbarung eines Kostenrahmens (bzw. der Baukostenüberschreitung) und der Verletzung der fortlaufenden Kostenkontrolle bzw. sonstigen Pflichtverletzungen im Kostenbereich.

Fehler im Kostenbereich können aber nicht nur Bausummenüberschreitungen sein, sondern beispielsweise auch das Unterlassen einer Kosteneinschätzung nach Abschluss der Zielfindungsphase, die erkennen lässt, worauf sie sich bezieht und woraus sie hergeleitet ist (vgl. dazu oben Rdn 8.a.E.).

 

Rz. 95

Eine echte Bausummengarantie dürfte in der Praxis selten vorkommen und liegt nur dann vor, wenn für ein bestimmtes Bauvorhaben (Bauvolumen), eine bestimmte Summe eine eindeutige und unmissverständliche Erklärung des Architekten entweder für typische Geschehensabläufe (sogenannte unselbstständige bzw. beschränkte Bausummengarantie) oder auch für unvorhersehbare Geschehensabläufe (sogenannte totale/selbstständige Bausummengarantie), verschuldensunabhängig haften zu wollen vorliegt. Dabei kommt es nicht allein auf den Wortlaut der Erklärung an, jedenfalls reicht es aber nicht aus, dass im Vertrag etwa "geschätzte Herstellungskosten" aufgeführt sind[192] oder dass der Architekt äußert, dass für das Bauvorhaben ein bestimmter Betrag ausreichen werde.[193] Insgesamt ist bei der Annahme einer echten Bausummengarantie wegen der erheblichen Risiken für den Architekten Zurückhaltung geboten.[194]

 

Rz. 96

Eine Haftung wegen Überschreitung eines vereinbarten Kostenrahmens kommt dagegen nach dem hier grundlegenden Urteil des BGH vom 23.1.1997[195] nur dann in Betracht, wenn der Bauherr darlegen und beweisen kann, dass ein verbindlicher Kostenrahmen bzw. ein verbindliches Kostenlimit als vertraglich geschuldete Beschaffenheit des Architektenwerkes vereinbart wurde.[196] In diesen Fällen kommt es auch nicht (was teilweise nicht beachtet wird) zur Anwendung sogenannter "Toleranzgrenzen". Ein verbindlicher Kostenrahmen bzw. ein verbindliches Kostenlimit kann etwa vorliegen, wenn ein Auftrag über einen Maximalpreis erteilt ist,[197] bei Abgabe eines Honorarangebots mit im Einzelnen angegebenen Baukosten,[198] bei ausführlicher Korrespondenz über Kostenvorstellungen[199] oder bei Veranschlagung von Baukosten im Bauantrag in einer bestimmten Höhe und Unterschrift des Bauherrn unter dem Bauantrag.[200]

Grundsätzlich besteht aber bei der Überschreitung tatsächlich vorgegebener Baukosten ein nicht unerhebliches Risiko für den Architekten. So hat z.B. der BGH entschieden, dass ein Mangel des Architektenwerkes vorliegt, wenn Vorgaben des Bauherrn wie z.B. auch Budgetvorgaben nicht beachtet werden. Solche Vorgaben sind auch verbindlich, wenn sie erst im Laufe des Planungsprozesses gemacht worden sind.[201] Ein Kostenlimit kann auch vereinbart sein, wenn der Architekt immer wieder auf Finanzierungsbelange eingeht.[202] In solchen Fällen eines Mangels des Architektenwerkes wegen Überschreitung eines vorgegebenen Kostenrahmens kann, sofern der Architekt trotz Aufforderung die Baukosten nicht auf das vom Auftraggeber vorgegebene Niveau senkt, dies zur außerordentlichen (fristlosen) Kündigung aus wichtigem Grund berechtigen und soweit die Architektenleistungen für den Auftraggeber unbrauchbar sind, entfällt jeglicher Honoraranspruch des Architekten mit der Folge a...

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