Rz. 101
Liegt ein Mangel des Architekten-/Ingenieurwerks vor, steht dem Auftraggeber grundsätzlich in erster Linie ein Nachbesserungsanspruch gem. §§ 634 Nr. 1, 635 BGB zu. Da sich der Planungsmangel typischerweise im Bauwerk realisiert, ist beim Nacherfüllungsanspruch bezüglich fehlerhafter Pläne danach zu differenzieren, ob diese bereits in das Bauwerk umgesetzt wurden oder nicht – nur solange es noch keine Realisierung des Planungsmangels in das Bauwerk gab, besteht der Nacherfüllungsanspruch. Ist diese Nacherfüllung unmöglich geworden, bedarf es für den Schadenersatz natürlich auch keiner Fristsetzung mehr – unabhängig davon kann der Bauherr aber gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen, wenn er dem Architekten nicht Gelegenheit gibt, den infolge eines Mangels seiner Planungs- oder Bauüberwachungsleistungen entstandenen Mangel am Bauwerk zu beseitigen. Bei der Objektüberwachung kann dagegen auch bei Realisierung des Mangels im Bauwerk im Zuge der Nacherfüllung eine erneute Überwachungstätigkeit gefordert werden – auch kann im Einzelfall, sofern vertraglich ausbedungen, ein Nacherfüllungsrecht des Architekten besonders ausgestaltet sein. Ggf. kann auch trotz bereits realisierten Mangels ein Recht des Architekten gegeben sein, den Schaden selbst zu beheben, wenn dies aus der Schadensminderungspflicht des Auftraggebers gem. § 254 Abs. 2 S. 1 BGB zwingend notwendig erscheint.
Rz. 102
Gem. §§ 634 Nr. 3 Alt. 1, 636, 323, 326 BGB tritt im Werkvertragsrecht das Rücktrittsrecht des Bestellers/Auftraggebers als Gestaltungsrecht an die Stelle des bisherigen, nach altem Schuldrecht vorgesehen Wandelungsrecht. Grundsätzlich sind die bereits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und gezogene Nutzungen herauszugeben. Während im Bereich des reinen Bauvertrages das Rücktrittsrecht regelmäßig praktisch keine Rolle spielt, kann im Architektenrecht durchaus ein Rücktritt von Bedeutung sein. Gem. § 323 BGB kann der Auftraggeber wegen eines Mangels auch schon vor Ablauf der Fertigstellungsfrist zurücktreten, wenn offensichtlich ist, dass diese Frist wegen des Mangels nicht eingehalten wird. Hat der Architekt eine Teilleistung bewirkt, kann der Auftraggeber gem. § 323 Abs. 5 S. 1 BGB auch vom gesamten Vertrag zurücktreten, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Dagegen ist der Rücktritt ausgeschlossen, wenn der Mangel unerheblich ist (§ 323 Abs. 5 S. 2 BGB). Schadensersatz und Rücktritt können grundsätzlich nebeneinander geltend gemacht werden (§ 325 BGB).
Rz. 103
Ferner kommt gem. §§ 634 Nr. 2 Alt. 2, 638 BGB in Betracht, dass der Auftraggeber die Vergütung des Architekten mindert. Dies ist auch bei unerheblicher Pflichtverletzung des Architekten möglich (§ 638 Abs. 1 S. 2, 323 Abs. 5 BGB). Neben dem Vorliegen der Rücktrittsvoraussetzungen muss auch hier eine angemessene Fristsetzung für Nacherfüllung erfolgen (vgl. § 638 Abs. 1 BGB – "Minderungsrecht statt des Rücktritts"). Die Fristsetzung ist nur ausnahmsweise bei endgültiger und ernsthafter Erfüllungsverweigerung entbehrlich (§ 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB). In der Praxis ist grundsätzlich davor zu warnen, Fristsetzungen vorschnell für entbehrlich zu halten.
Rz. 104
In der Regel haftet der Architekt bei im Bauwerk realisierten Mangel gem. §§ 634 Nr. 4 i.V.m. 636, 280, 281, 283 und 311a BGB auf Schadensersatz. Neben dem Architektenfehler setzt die Schadensersatzpflicht voraus, dass der Fehler für den Schaden ursächlich war und der Architekt eine Pflichtverletzung begangen hat. Für das fehlende Verschulden ist der Architekt aber grundsätzlich beweispflichtig.
Rz. 105
Beim Schadensersatzanspruch hat der Bauherr grundsätzlich die Wahl zwischen dem sogenannten kleinen und dem großen Schadensersatz. Er kann entweder das Werk behalten und den durch den Mangel verursachten Schaden ersetzt verlangen (kleiner Schadensersatzanspruch, Regelfall) oder er kann das Werk zurückweisen und Ersatz des durch die Nichterfüllung des ganzen Vertrags verursachten Schadens verlangen (großer Schadensersatzanspruch). Der praktisch regelmäßig relevante kleine Schadensersatzanspruch umfasst den mangelbedingten Minderwert des Bauwerks. Von den tatsächlichen Mangelbeseitigungskosten sind ggf. die sogenannten "Sowieso-Kosten", d.h. Kosten, die das Werk bei ordnungsgemäßer Ausführung von vornherein teurer geworden wäre, abzuziehen. Ersatzfähig sind auch die Kosten der Mangelfeststellung und weitere Mangelfolgeschäden wie etwa entgangener Gewinn oder Nutzungsausfall. Ferner sind bei der Schadensberechnung wirtschaftliche Vorteile zu berücksichtigen, die aus dem Fehler resultieren, sowie die Schadensminderungsverpflichtung des Auftraggebers zu beachten. Nicht mehr möglich ist es, Ersatz fiktiver Mangelbeseitigungskosten zu verlangen – vielmehr ist der Minderwert des Werkes zu ermitteln (vgl. nachstehend Rdn 126). Nach der Grundsatzentscheidung des BGH (Urt. v. 22.2.2018 – VII ZR 46/17) ist keine fiktive Schadensberechnung auf Basis voraussichtlicher Mangelbeseitigungskosten me...