Rz. 48
Eine abstrakte Zusammenstellung aller möglichen Einwendungen, Gegenrechte und Verteidigungsmöglichkeiten des Auftraggebers ist nicht möglich. Die Verteidigungsmöglichkeiten lassen sich jedoch weitgehend danach systematisieren, ob sie sich gegen den Vertragsschluss bzw. die Auftragserteilung richten, die Honorarrechnung als solche bzw. deren rechnerische Richtigkeit oder die Bindungswirkung der Schlussrechnung betreffen, ob sie sich insbesondere gegen die mangelfreie Erfüllung des Leistungssolls richten oder ob sie schließlich allgemeine materiell-rechtliche Einwendungen/Einreden wie etwa Verjährung, Aufrechnung/Verrechnung, Zurückbehaltungsrechte oder ähnliches betreffen.
Rz. 49
Einwendungen gegen die Wirksamkeit des abgeschlossenen Vertrages können etwa die Formerfordernisse (vgl. hierzu Rdn 17 ff.) betreffen. Ferner kann der Vertrag im Ausnahmefall gegen das sogenannte Kopplungsverbot (§ 3 MRVG) verstoßen. Danach sind Ingenieurverträge, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Vermittlung eines Grundstückskaufvertrages durch den Ingenieur abgeschlossen werden, nichtig.
Rz. 50
Ferner kann der Vertrag als Haustürgeschäft unter den Voraussetzungen des § 312 BGB widerrufbar sein. Schließlich ist eine Anfechtung wegen arglistigen Verschweigens oder wegen Irrtums in Betracht zu ziehen, etwa wenn die Architekten-/Ingenieureigenschaft beim Vertragspartner nicht gegeben ist.
Rz. 51
Gegenrechte des Auftraggebers können sich auch gegen die Auftragserteilung als solche richten. Hierbei ist insbesondere zu prüfen, ob es sich um Akquisitionsleistungen handeln kann (vgl. Rdn 5). Ferner kommt hier die Prüfung von Bedingungen (aufschiebend oder auflösend) in Betracht. Schließlich ist der Auftragsumfang zu prüfen und ggf. sind hierauf gestützte Einwendungen vorzubringen.
Rz. 52
Bezüglich der Honorarrechnung selbst kann zunächst die Prüffähigkeit gerügt werden (vgl. dazu Rdn 35 ff.). Dieses Vorbringen muss jedoch zumindest substantiiert werden und kann nicht "ins Blaue hinein" und allgemein erhoben werden.
Rz. 53
Ferner ist nach der Grundsatzentscheidung des BGH vom 27.11.2003 auch wichtig, dass der Einwand mangelnder Prüffähigkeit rechtzeitig erhoben wird (vgl. jetzt auch die Prüffähigkeitsfiktion in § 650g Abs. 4 S. 2 BGB = 30 Tage ab Zugang der Schlussrechnung).
Nach der insoweit durch Gesetz überholten Rechtsprechung des BGH ergibt sich für Altfälle (HOAI 2013 oder 2009) aus dem Kooperationsgebot, dass es Sache des Auftraggebers ist, die notwendige Kontrolle der Schlussrechnung vorzunehmen und ggf. rasch zu entscheiden, ob er noch weitere Angaben benötigt. Mit diesem Zweck ist es unvereinbar, dass die Rüge der Prüffähigkeit zurückgestellt und womöglich erst Jahre später im Prozess erhoben wird. Als angemessenen Zeitraum hat der BGH – orientiert an § 16 Abs. 1 VOB/B – zwei Monate seit Zugang der Schlussrechnung in einer generalisierenden Sichtweise als angemessen angesehen.
Gem. § 640g Abs. 4 S. 2 BGB beträgt diese Einwendungsfrist nun gesetzlich nur noch 30 Tage ab Zugang der Schlussrechnung – wichtig ist daher aus Auftragnehmersicht, einen Zugangsnachweis zu haben.
Läuft dieser Zeitraum ab, ohne dass Einwände zur Prüffähigkeit erhoben werden, tritt die Fälligkeit der Rechnung auch ohne Vorliegen tatsächlicher Prüffähigkeit ein. Zu diesem Zeitpunkt beginnt grundsätzlich auch die Verjährung. Erhebt der Auftraggeber dagegen innerhalb einer Frist von 30 Tagen ausreichende Rügen gegen die Prüffähigkeit, beginnt die Verjährung noch nicht, es sei denn, der Auftraggeber wäre gemäß Treu und Glauben gehindert, sich auf die fehlende Prüffähigkeit zu berufen. In diesem letzteren Falle, dass der Auftraggeber sich nach Treu und Glauben nicht auf die fehlende Prüffähigkeit berufen kann, dies aber gleichwohl tut, beginnt die Verjährung, wenn die Umstände, die den Verstoß gegen Treu und Glauben begründen, nach außen zu Tage treten, sodass sie für den Architekten erkennbar werden. Diese Grundsätze gelten auch für Abschlagsrechnungen.
Rz. 54
Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, dass bei unterlassenem Einwand mangelnder Prüffähigkeit innerhalb der vorgenannten Frist die Honorarforderung ohne Weiteres "fällig" wird. Ist sie dann objektiv trotz mangelnden Einwandes nicht prüffähig, wäre eine Klage letztlich unschlüssig. Wird dies nicht trotz Hinweises des Gerichts behoben, wird die Honorarklage als "endgültig" unbegründet abgewiesen, nicht nur als "derzeit" unbegründet. In diesem Zusammenhang ist hinsichtlich der Honorarklage auch das Urteil des BGH v. 23.1.2014 – VII ZR 49/13 von großer Bedeutung. Hier hat der BGH entschieden, dass im Falle der Abweisung eines Zahlungsanspruches als derzeit unbegründet (mangels Fälligkeit) in Rechtskraft gemäß § 322 Abs. 1 ZPO erwächst, dass der Kläger bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im Vorprozess gegen den Beklagten keinen zur Zahlung fälligen Anspruch hatte. Dies hat insoweit präjudizielle Wirkungen, als im nachfolgenden Prozess diese Rechtsfolge nicht mehr e...